Das Kizokuin (jap. 貴族院, Herrenhaus) war nach der Meiji-Verfassung das Oberhaus des japanischen Reichstags. Es wurde 1890 einberufen, Vorgänger war der quasi-legislative Genrōin. 1947 wurde es gemäß der Nachkriegsverfassung durch das heutige Oberhaus, das gewählte Sangiin, abgelöst.
Die Meiji-Verfassung war europäischen Vorbildern entlehnt, vor allem der britischen und der preußischen Verfassung. Demnach wurde das Kizokuin ähnlich dem preußischen Herrenhaus und dem House of Lords als gleichberechtigtes Gegengewicht zum gewählten Shūgiin, dem Unterhaus, in der Legislative geschaffen. Ihm gehörten Mitglieder des 1869 geschaffenen Adelsstandes, der Kazoku, sowie vom Tennō ernannte (勅任, chokunin) Vertreter an. Das Kizokuin konnte nicht aufgelöst werden, und die meisten Mitglieder schieden erst durch den Tod aus der Kammer aus.
Nach der Verfassung war das Kizokuin dem Shūgiin in der Legislative gleichgestellt; ein Gesetz musste also die Zustimmung des Tennō und beider Kammern erhalten. Beide Kammern hatten wie die Regierung das Initiativrecht für Gesetzentwürfe (Art. 38). Insbesondere über den Haushalt und die ungleichen Verträge mit den europäischen Großmächten kam es zu Konflikten zwischen Shūgiin und Kizokuin. Die genauen Kompetenzen des Kizokuin und seiner Mitglieder wurden im giin-hō (議院法, „Parlamentsgesetz“) und dem kizokuin-rei (貴族院令, „Herrenhaus-Edikt“) von 1889 festgeschrieben.
Die genaue Zusammensetzung des Kizokuin wurde im Laufe der Zeit mehrfach geändert. Im Allgemeinen betrug die Amtszeit sieben Jahre, die Mitglieder der kaiserlichen Familie, die Herzöge und Markgrafen sowie die vom Tennō ernannten Mitglieder hatten ein Mandat auf Lebenszeit.
Die Gesamtzahl der Mitglieder wuchs von etwa 250 in der ersten Sitzungsperiode 1890 bis auf maximal über 400. In der letzten Sitzungsperiode 1946 hatte das Kizokuin 373 Mitglieder. In den letzten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg waren viele Mitglieder vom Ämterverbot durch die Besatzungsbehörden betroffen; sie wurden teilweise durch ernannte Mitglieder aus dem Bereich der Wissenschaft ersetzt.
Dem Kizokuin gehörten im Einzelnen folgende Gruppen an:
Die Zahl dieser Mitglieder war nicht festgelegt; sie erhielten keine Diäten. Da die Mitglieder der kaiserlichen Familie nicht Gegenstand politischer Auseinandersetzungen werden sollten, beschränkten sie ihre Auftritte auf zeremonielle Aufgaben. (Eine Ausnahme war Prinz Higashikuni Naruhiko, der als Premierminister 1945 an Sitzungen teilnahm.)
Premierminister Itō Hirobumi war maßgeblich für die Einführung einer konstitutionellen Regierungsform verantwortlich, sah in ihr aber in erster Linie ein Mittel, die kaiserliche Herrschaft zu bewahren und zu stärken. In der Meiji-Verfassung war das Kizokuin als Gegengewicht zum Shūgiin angelegt, und begrenzte somit die politischen Einflussmöglichkeiten der Parteien. Schon durch seine Zusammensetzung aus (anfangs mehrheitlich) erblichen und vom Tennō selbst berufenen Mitgliedern sollte es die Position des Monarchen im politischen System stützen, wie es die Genrō in der vorkonstitutionellen Zeit getan hatten. Diese auf Adelsfamilien gestützte „Meiji-Oligarchie“ dominierte die Politik der frühen Meiji-Zeit.
In der Zeit der Taishō-Demokratie in den 1920er Jahren existierte eine öffentliche Debatte über eine Reform oder Abschaffung des Kizokuin. Premierminister Katō Takaaki (Kenseikai), unter dessen Regierung auch die Zensusbeschränkungen bei Shūgiin-Wahlen abgeschafft wurden, implementierte 1925 einige Änderungen, ohne jedoch die grundlegende Struktur des Kizokuin anzutasten. Der Einfluss des Kizokuin bestand bis zum Zweiten Weltkrieg weiter: So wurden liberale Gesetzentwürfe, die im bürgerlichen Shūgiin eine Mehrheit fanden, wie die Einführung des Frauenwahlrechts (1931 vom Shūgiin verabschiedet) oder die Zulassung von Gewerkschaften vom Kizokuin abgelehnt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ersetzte die Verfassung von 1947 die alte Meiji-Verfassung und das Kizokuin wurde ebenso wie das Kazoku-system abgeschafft. In der Legislative wurde als Gegengewicht des Shūgiin das ebenfalls gewählte Sangiin geschaffen.
Das Kizokuin wurde als Gegengewicht zur Parteipolitik verstanden und sollte einzig den Interessen des Staates dienen. In der Kammer wurden keine Parteien gegründet und es galt als ungeschriebenes Gesetz, dass Mitglieder, die einer Partei beitraten, ihr Mandat niederlegten. Allerdings wurden zur Kontaktpflege und zum Austausch von Informationen Fraktionen gebildet.
Während der Blüte der Parteienherrschaft in der Taishō-Demokratie – in den letzten Jahren der Taishō-Zeit und zu Beginn der Shōwa-Zeit – gab es einige Fraktionen, die ihre Nähe zu Parteien im Shūgiin zum Ausdruck brachten. Allerdings blieb die Bindungskraft der Fraktionen gering, vor allem weil die meisten Mitglieder nicht auf eine Wiederwahl angewiesen waren. Konkret bedeutete dies, dass die meisten Fraktionen unter der Devise „Ein Mann, eine Partei“ (一人一党) keinen Fraktionszwang kannten. (Allerdings gab es in der größten Fraktion, dem Kenkyūkai einen starken Fraktionszwang, der sowohl innerhalb wie außerhalb kritisiert wurde.) Die Fraktionen des Kizokuin bestanden auch nach der Gründung des Taisei Yokusankai (und der Errichtung der Einheitsfraktion Yokusan Seijikai) im Zweiten Weltkrieg weiter.
Nach der Auflösung des Kizokuin kandidierten einige Mitglieder 1947 für das Sangiin. Viele der gewählten Kandidaten bildeten dort die Fraktion Ryokufūkai, das sich ebenfalls als unparteilich verstand und zeitweise die größte Fraktion war.
Im Juli 1920 gruppierten sich die 397 Abgeordneten wie folgt in Fraktionen: Kenkyūkai 143, Kōseikai 65, Sawakai 48, Kōyū Kurabu 44, Dōseikai 30, Unabhängige 67. Im März 1947, kurz vor der Auflösung des Kizokuin, hatten die Fraktionen folgende Stärken: Kenkyūkai 142, Kōseikai 64, Kōyū Kurabu 41, Dōseikai 33, Kayōkai 32, Dōwakai 30, Mushozoku Kurabu („Unabhängiger Klub“) 22, Unabhängige 8.
Die Diäten der Abgeordneten wurden im Giin-hō festgelegt. Von 1920 bis 1947 erhielten sie die gleichen jährlichen Beträge wie die Mitglieder des Shūgiin: 7500 Yen für den Parlamentspräsidenten, 4500 Yen für seinen Stellvertreter und 3000 für alle übrigen Abgeordneten.