Dieser Artikel befasst sich mit der ehemaligen Zeitschrift Kladderadatsch. Zum Schlagwort der deutschen Sozialdemokratie in der Zeit des Kaiserreichsiehe siehe Großer Kladderadatsch.
Kladderadatsch war eine deutschsprachige politisch-satirischeZeitschrift, die von 1848 bis 1944 regelmäßig wöchentlich herausgegeben wurde. Der Name der Zeitschrift ist hergeleitet vom lautmalerischen Berliner Ausdruck Kladderadatsch, der etwa bedeutet „etwas fällt herunter und bricht mit Krach in Scherben“.[1] Der Zeitschriftentitel machte den Ausdruck so populär, dass er zum politischen Schlagwort wurde, das ironisch gebraucht – vor allem von August Bebel – den Zusammenbruch der bürgerlichen Gesellschaft charakterisierte.[2]
Gründer von Kladderadatsch war der liberale Berliner Humorist David Kalisch, Sohn eines jüdischen Kaufmanns und bekannter Autor leichter Komödien; Verleger war der Verlagsbuchhändler Heinrich Albert Hofmann, später firmierte der Verlag als A. Hofmann und Comp.[3]
Die erste, vollständig von Kalisch verfasste Ausgabe erschien am 7. Mai 1848 mit einer Auflage von 4.000 Stück und war noch am selben Tag ausverkauft. Anlässlich der Feier des Erscheinens der tausendsten Nummer schuf der niederschlesische Komponist Rudolf Bial im Jahr 1866 den Kladderadatsch-Jubiläums-Marsch. Die Zeitschrift vertrat später eine national-liberale Gesinnung und unterstützte Bismarcks Politik.
„… einmal wöchentlich erscheinendes Witzblatt, das vorzugsweise die politische Satire kultiviert und besonders durch Ernst Dohm, Rudolf Löwenstein und den Zeichner Wilhelm Scholz, dessen Karikaturen auf Napoléon III. und Bismarck große Popularität gewannen, zu literarischer und künstlerischer Bedeutung erhoben wurde. Auch die von den „Gelehrten“ des Kladderadatsch erfundenen ständigen Figuren Müller und Schultze, Zwickauer, Karlchen Mießnick u. a. sind volkstümlich geworden. Gegenwärtig (1905) ist Johannes Trojan Redakteur. Die hervorragendsten künstlerischen Mitarbeiter sind G. Brandt und L. Stutz.“
Die Popularität des Witzblatts, dem in der preußischen Hauptstadt eine Monopolstellung zukam, rief schon im Gründungsjahr parodistische Imitationen hervor wie Ausgeßeuchnet. Erstes reaktionäres Extrablatt des Kladderadatsch, den Neujahrs-Pladderadatsch und die Fastnachts-Zeitung in Art des Kladderadatsch. In Leipzig erschien während des Deutsch-Französischen Krieges 1870 ein Kladderadatsch auf dem Kriegsschauplatze. Die Redaktion selbst gab zahlreiche Sondernummern und von 1850 bis 1887 jährlich den Humoristisch-satyrischen Volkskalender heraus. Ein weiteres Nebenprojekt des Verlegers Hofmann war seine Humoristische Eisenbahn- und Reise-Bibliothek, die Schultze und Müller an den Rhein, in den Harz und in europäische Metropolen schickte.[6]
Von 1872 bis 1884 benutzten der KSCV als Dachverband wie auch einzelne Corps, Altherrenvereine und eine große Zahl anderer Korporationen das in akademischen Kreisen sehr beliebte Satireblatt Kladderadatsch als Veröffentlichungsorgan.
Nach dem Ersten Weltkrieg kam es zu einem Einbruch der Auflage. 1923 verkaufte der Hofmann-Verlag das Magazin an den Konzern des Industriellen Hugo Stinnes. Die Inhalte wurden zunehmend rechtsgerichteter und denunzierten gemäßigte Politiker der Weimarer Republik. Bereits ab 1923 unterstützten die Herausgeber Adolf Hitler und den Nationalsozialismus. Die Karikaturen wurden zunehmend antisemitisch.
Im September 1933 wurde Hermann Göring karikiert, der Versuchstiere mit dem Hitlergruß grüßt und von diesen mit demselben zurückgegrüßt wird.[7] Hintergrund der Karikatur war ein NS-Gesetz vom August 1933, das Tierversuche aus Tierschutzgründen verbot.
Die Einstellung des Kladderadatsch erfolgte kriegsbedingt:
„Im Zuge der durch den totalen Krieg bedingten Konzentrationsmaßnahmen auf dem Gebiete der Presse stellt unsere Zeitschrift mit der vorliegenden Ausgabe das Erscheinen für die Dauer des Krieges ein. Es werden dabei weitere Kräfte für die Wehrmacht und für die Rüstung frei. Wir danken unseren Lesern und Freunden für die uns erwiesene langjährige Treue. Mit unserem zuversichtlichen Glauben an den Sieg verbinden wir die Hoffnung, unsere Zeitschrift nach dem Siege allen Beziehern wieder in gewohnter Weise liefern zu können. Aus arbeitstechnischen Gründen hat die Reichspressekammer die Anweisung erteilt, daß eine Rückzahlung von zuviel gezahlten Bezugsgeldern möglichst unterbleiben soll. Der Verlag wird deshalb verpflichtet, diese Beträge an das Winterhilfswerk abzuführen. Bezieher, die mit dieser Regelung nicht einverstanden sind, müssen sich unter Vorlage der Zahlungsbelege bis zum 31. Oktober d. J. wegen Rückvergütung an den Verlag wenden.“
– Hinweis in der letzten Ausgabe Nr. 36 vom 3. September 1944[8]
Max Ring: David Kalisch, der Vater des Kladderadatsch und Begründer der Berliner Lokalposse. E. Staude, Berlin 1873, OCLC34712044.
Kladderadatsch: humoristisch-satirisches Wochenblatt. Die Kriegsnummern des Kladderadatsch. Hofmann, Berlin 1895, OCLC605515357.
Rudolf Hofmann: Der Kladderadatsch und seine Leute 1848–1898. Hofmann & Comp, Berlin 1898. Digitalisiert von Zentral- und Landesbibliothek Berlin, 2020. URN urn:nbn:de:kobv:109-1-15414987. OCLC12880415.
Bismarck-Album des Kladderadatsch 1849–1898. Mit Zeichnungen von Wilhelm Scholz u. a. 31. Auflage. Hofmann, Berlin 1915, OCLC49942826.
Johannes Trojan: Am Pranger. England-Album des Kladderadatsch, von der Zeit des Burenkrieges bis zur Gegenwart. Zeichnungen von Gustav Brandt …, Texte von Johannes Trojan u. a., Hofmann, Berlin 1915, DNB361583370.
Christian Gehring: Die Entwicklung des politischen Witzblattes in Deutschland. Leipzig 1927, DNB57022389X (Philosophische Dissertation Universität Leipzig 1929, 91 Seiten).
Ingrid Berck: Der aussenpolitische Kampf des „Kladderadatsch“ im ersten Reichsjahrzehnt 1870/1880 unter besonderer Berücksichtigung der Orientkrisis: Ein Beitrag zur Erforschg des Politischen Witzblattes im 19. Jahrhundert. o. O. 1945, DNB570011582 (Dissertation Universität Heidelberg, Philosophische Fakultät, 1945, 123, IV Seiten mit eingeklebten Abbildungen)
Liesel Hartenstein (Hrsg.): Facsimile-Querschnitt durch den Kladderadatsch. Vorwort: Hans Rothfels. Scherz, München 1965 (Facsimile-Querschnitte durch alte Zeitungen und Zeitschriften. 5)
Klaus Schulz: Kladderadatsch: ein bürgerliches Witzblatt von der Märzrevolution bis zum Nationalsozialismus 1848–1944 (= Bochumer Studien zur Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Band 2). Brockmeyer, Bochum 1975, DNB760070377 (Dissertation Universität Bochum, Abteilung für Philologie, 1975, 264 Seiten).
Kladderadatsch (= Die bibliophilen Taschenbücher, Band 3, Reprint des Jahrgangs 1848), Harenberg Kommunikation, Dortmund 1978, ISBN 3-921846-03-X.
Helmuth Rogge: Die Kladderadatsch-Affäre. In: Historische Zeitschrift 195 (1962), S. 90–130.
Ingrid Heinrich-Jost (Hrsg.): Kladderadatsch: die Geschichte eines Berliner Witzblattes von 1848 bis ins Dritte Reich. Leske, Köln 1982, ISBN 3-921490-25-1.
Ursula E. Koch: Der Teufel in Berlin. Von der Märzrevolution bis zu Bismarcks Entlassung. Illustrierte politische Witzblätter einer Metropole 1848–1890. Leske, Köln 1991, ISBN 3-921490-38-3, S. 131–142.
Frank Zeiler: Verfassungsbildsatiren zwischen Republikfeindschaft, Vernunftrepublikanismus und Republiktreue. Eine Darstellung der Bildbeiträge zur Weimarer Verfassung in den Satiremagazinen Kladderadatsch, Simplicissimus, Der Wahre Jacob und Lachen Links. In: Jahrbuch der Juristischen Zeitgeschichte. Band 17, 2016, S. 397 ff. (freidok.uni-freiburg.de).
Bücher, die die Welt noch braucht. Anzeigen und Rezensionen des Kladderadatsch von 1872 bis 1907, zusammengetragen, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Ulrich Goerdten. Edition Schwarzdruck, Gransee 2018, ISBN 978-3-935194-95-2.
↑Kladderadatsch, Jg. 70. Nr. 43 (27. Okt. 1907), S. 170. (Name auf dem Mantel falsch Brandt geschrieben.) Online bei UB Heidelberg
↑Ursula E. Koch: Der Teufel in Berlin. Von der Märzrevolution bis zu Bismarcks Entlassung. Illustrierte politische Witzblätter einer Metropole 1848–1890. c. w. leske Verlag, Köln 1991, S. 142 ff.