Kleine Fässchenschnecke

Kleine Fässchenschnecke

Kleine Fässchenschnecke (Sphyradium doliolum)

Systematik
Unterordnung: Landlungenschnecken (Stylommatophora)
Überfamilie: Pupilloidea
Familie: Fässchenschnecken (Orculidae)
Unterfamilie: Orculinae
Gattung: Sphyradium
Art: Kleine Fässchenschnecke
Wissenschaftlicher Name der Gattung
Sphyradium
Charpentier, 1837
Wissenschaftlicher Name der Art
Sphyradium doliolum
(Bruguière, 1792)

Die Kleine Fässchenschnecke (Sphyradium doliolum), auch Kleine Tönnchenschnecke genannt, ist eine Schneckenart aus der Familie der Fässchenschnecken (Orculidae), die zur Unterordnung der Landlungenschnecken (Stylommatophora) gerechnet wird. Es ist die einzige Art der Gattung Sphyradium Charpentier, 1837.

Die zylindrische Gehäuse ist 4,5 bis 6 mm hoch und 2 bis 2,5 mm breit. Es hat 7½ bis 9 schwach gewölbte Windungen, die von einer seichten Naht voneinander abgesetzt sind. Das Gehäuse erreicht im oberen Drittel seine größte Breite und verjüngt sich dann auf den letzten drei Umgängen zur Mündung hin. Die Endwindung steigt zur Mündung hin etwas an. Zum Apex hin ist es halbkugelig gewölbt. Die Oberfläche des Gehäuses ist mattglänzend, hornfarben und nur wenig transparent. Es ist weit berippt, die Rippen sind bei frischen Exemplaren mit gut erhaltenem Periostrakum lamellenartig. Die Abstände der Rippen nehmen auf den zuletzt gebildeten Windungen zu. Der Mundsaum ist erweitert bzw. umgebogen und durch eine weiße Lippe stark verdickt; er ist im Parietalbereich unterbrochen. Die eiförmige bis annähernd runde Mündung zeigt eine mittlere Parietalfalte, selten einen angularen Tuberkel und zwei Columellarfalten, die aber nicht deutlich voneinander getrennt sind. Juvenile Exemplare haben etwa bis vier oder fünf Windungen einen offenen Nabel, bei erwachsenen Tieren ist er geschlossen.

Die Radula weist in einer Halbreihe 18 Zähne auf; der Mittelzahn ist dreispitzig, die Lateralzähne ebenfalls dreispitzig und die Marginalzähne drei- bis sechsspitzig. Im Geschlechtsapparat besteht die Zwitterdrüse aus sieben kleinen Büscheln. Der Zwittergang ist sehr stark s-förmig gefaltet. Die Albumindrüse ist sehr klein und besitzt eine zottige Oberfläche. Der Spermovidukt ist stark abgeflacht, die Prostata vergleichsweise breit. Der freie Eileiter ist vergleichsweise sehr lang, dafür ist die Vagina recht kurz. Der Stiel der Spermathek ist lang, die Blase selber länglich eiförmig. Im männlichen Teil des Geschlechtsapparates ist der Penis relativ lang. Am Übergang zum Epiphallus befindet sich ein langer Appendix. Am Abzweig des Appendix ist der Penis mit einem distalen Teil des Epiphallus durch einen Muskelstrang verbunden. Dadurch bilden proximaler Penis und distaler Teil des Epiphallus eine Schlaufe. Im weiteren Verlauf des Penis (oder Epiphallus) folgt ein weiterer Blindsack. Der proximale Teil des Epiphallus ist stark verdickt. Am Ende des verdickten Teil setzt der Epiphallus/Penis-Retraktormuskel an. Der Samenleiter trennt sich vom Spermovidukt bereits am distalen Ende der Prostata, er ist wenig gewunden.

Ähnliche Arten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Art und Gattung unterscheidet sich von den anderen Gattungen der Orculinae durch den Geschlechtsapparat; im männlichen Part ist ein besonderer Penisappendix ausgebildet, der bei den anderen Gattungen fehlt.

Geographische Verbreitung und Lebensraum

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Hauptverbreitungsgebiet der Art liegt in Süd- und Südosteuropa; insgesamt erstreckt es sich von den Pyrenäen im Westen bis in den Nordiran, und Turkmenistan[1] im Osten. In Deutschland befindet sich das nördlichste Vorkommen bei der Porta Westfalica, weiter im Osten gibt es Vorkommen in Südpolen[2], auf der Krim[3] und im Kaukasus (Aserbaidschan, Armenien, Georgien[4] und Russland[5]). In der Schweiz steigt sie bis auf 1400 m, in Bulgarien bis auf 1900 m über dem Meeresspiegel an.

Die Kleine Fässchenschnecke lebt in Wäldern unter dem Laubstreu oder zwischen Geröll, in Trockenmauern, oft auch an Quellen. Sie bevorzugt warme und eher trockene Habitate, häufig, aber nicht ausschließlich, auf kalkigen Böden. In höheren Lagen ist sie mehr im offenen Gelände anzutreffen.

Taxonomie und Systematik

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Art wurde 1792 von Jean-Guillaume Bruguière als Bulimus doliolum erstmals beschrieben.[6] Es ist die Typusart und derzeit einzige Art der Gattung Sphyradium de Charpentier, 1837[7]. Die Festlegung als Typusart erfolgt 1860 durch Johann Christoph Albers und Eduard von Martens[8]. Ein jüngeres objektives Synonym ist Scyphus Monterosato in Ceccioni, 1908, da diese Gattung auf derselben Typusart beruht.

Die früher als eigene Unterarten ausgeschiedenen Taxa, Sphyradium doliolum klemmi Altimira, 1959[9][10] und Sphyradium doliolum turcica Letourneux, 1884 werden heute als Synonyme betrachtet. Auch das aus Rumänien beschriebene Taxon Sphyradium dobrogicum Grossu, 1986, später zur Gattung Orcula gestellt, wird heute als Synonym von Sphyradium doliolum gewertet[11].

Die Art gilt in der Nordschweiz als stark gefährdet, in der Südschweiz als „nur“ gefährdet[12]. In Deutschland ist sie stark gefährdet (Kategorie 2)[13].

  • Bogon, Klaus 1990: Landschnecken Biologie, Ökologie, Biotopschutz. 404 S., Natur Verlag, Augsburg ISBN 3-89440-002-1 (S. 114/5)
  • Rosina Fechter, Gerhard Falkner: Weichtiere. 287 S., Mosaik-Verlag, München 1990 (Steinbachs Naturführer 10) ISBN 3-570-03414-3 (S. 146)
  • Jürgen H. Jungbluth und Dietrich von Knorre: Trivialnamen der Land- und Süßwassermollusken Deutschlands (Gastropoda et Bivalvia). Mollusca, 26(1): 105–156, Dresden 2008 ISSN 1864-5127
  • Michael P. Kerney, Robert A. D. Cameron & Jürgen H. Jungbluth: Die Landschnecken Nord- und Mitteleuropas. 384 S., Paul Parey, Hamburg & Berlin 1983, ISBN 3-490-17918-8 (S. 103)
  • Lajos Soós: Zur systematischen Anatomie der ungarischen Pulmonaten. Annales Musei Nationalis Hungarici, 15: 1–165, Budapest 1917. Online bei www.biodiversitylibrary.org (S. 146)

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Yaroslav I. Starobogatov: Biogeography and Ecology of Turkmenistan. Monographiae Biologicae, 72, Fauna and Zoogeography of Molluscs of Turkmenistan, S. 535–543, 1994
  2. Robert A. D. Cameron, Beata M. Pokryszko, Michal Hors: Land Snail Faunas in Polish Forests: Patterns of Richness and Composition in a Post-Glacial Landscape. Malacologia, 53(1): 77-134, 2010 doi:10.4002/040.053.0105
  3. A. A. Bajdashnikov: The Morphological Reason for the Stenobionticity of Clausiliidae (Gastropoda, Pulmonata). Vestnik Zoologii, 37(6): 49-63, 2003 PDF
  4. Beata M. Pokryszko, Robert A. D. Cameron, Levan Mumladze, David Tarkhnishvili: Forest snail faunas from Georgian Transcaucasia: patterns of diversity in a Pleistocene refugium. Biological Journal of the Linnean Society, 102: 239–250, 2011 doi:10.1111/j.1095-8312.2010.01575.x (S. 243)
  5. Caucasian Land Snails Biozentrum Grindel + Zoologisches Museum Hamburg (Memento des Originals vom 3. März 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.caucasus-snails.uni-hamburg.de
  6. Jean-Guillaume Bruguière: Encyclopédie méthodique. Histoire naturelle des vers. Tome premier. [ABE-CON]. 3+XVIII+757 S., Paris, Panckoucke, 1792 Online bei GDZ - Göttinger Digitalisierungszentrum.
  7. Jean de Charpentier: Catalogue des mollusques terrestres et fluviatiles de la Suisse. Formant la seconde partie de la faune Helvétique. Neue Denkschriften der Allgemeinen Schweizerischen Gesellschaft für die Gesammten Naturwissenschaften - Nouveaux Mémoires de la Société Helvétique des Sciences Naturelles, 1(2): 1-28, Neuchatel 1837. Online bei www.biodiversitylibrary.org (S. 15)
  8. Johann Christoph Albers, Eduard von Martens: Die Heliceen nach natürlicher Verwandtschaft systematisch geordnet von Joh. Christian Albers. Zweite Ausgabe nach dem hinterlassenen Manuskript besorgt von Eduard von Martens. S. I-XVIII, 1-359, Leipzig, Engelmann, 1860 Online bei www.biodiversitylibrary.org (S. 295).
  9. C. Altimira: Contribución al conocimiento de la Fauna Malacológica de la provincia de Tarragona. Miscelánea Zoológica, 1: 89–95, 1959 (S. 91, Fig. 2)
  10. Alberto Martínez-Ortí, Francesc Uribe: Molluscan type specimens in the Natural Science Museum of Barcelona and the Natural History Museum of Valencia. Arxius de Miscellània Zoològica, 6: 1–156, 2008 PDF (Memento des Originals vom 12. März 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/amz.museucienciesjournals.cat
  11. Barna Páll-Gergely, Tamás Deli, Atanas Irikov, Josef Harl: Subgeneric division of the genus Orcula Held 1837 with remarks on Romanian orculid data (Gastropoda, Pulmonata, Orculidae). Zookeys, 301: 25–49, 2013 doi:10.3897/zookeys.301.5304
  12. H. Turner, M. Wüthrich, J. Rüetschli: Rote Liste der gefährdeten Weichtiere der Schweiz. 82 S., 1994 PDF
  13. Jürgen Jungbluth, Dietrich von Knorre: Rote Liste der Binnenmollusken [Schnecken (Gastropoda) und Muscheln (Bivalvia)] in Deutschland. 6. revidierte und erweiterte Fassung 2008. Mitteilungen der deutschen malakozoologischen Gesellschaft, 81: 1–28, Frankfurt a. M., Mai 2009 PDF (S. 22)
Commons: Kleine Fässchenschnecke – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien