Ein Konsistorium (von lateinisch consistorium „Versammlungsort, Versammlung; kaiserliches Kabinett, Kronrat, Senatsversammlung“) ist in der römisch-katholischen Kirche die Vollversammlung der Kardinäle, in den evangelischen Kirchen ein Kirchengericht oder eine kirchliche Behörde.
Der Beraterkreis der römischen Kaiser entwickelte sich zunächst von den Amici principis des frühen Augustus zum Consilium principis. In diesem war die Stellung des Prinzeps als Primus inter pares dadurch gekennzeichnet, dass neben dem Herrscher auch die Berater sitzend beratschlagten. Die Reichsreform in der Spätantike brachte mit sich, dass das unmittelbar tätige Mitarbeitergremium des Kaisers formalisiert und auf den Kaiser als Alleinherrscher ausgerichtet wurde. Dies drückte sich auch in der Bezeichnung consistorium (von lateinisch consistere „hinzutreten“, „zusammentreten“[1]) aus, denn es durften nur der Kaiser und seine Familie auf Stühlen Platz nehmen, während die Berater stehen mussten.[2]
Neben vielen anderen Regeln und Strukturen wurde auch das Konsistorium von den Päpsten in die Organisation der Kirche übernommen. Seit dem 8. Jahrhundert hatten die vom Papst einberufenen und geleiteten Synoden und Konzile nicht nur eine beratende, sondern auch eine repräsentative Gestalt angenommen. Im 11. Jahrhundert begann die gemeinsame Leitung der römisch-katholischen Kirche durch den Papst und das Kardinalskollegium. Mit der Implementierung der römischen Kurie durch Papst Sixtus V. (1585–1590) verlor die Versammlung der Kardinäle an Bedeutung und wurde nur noch zu feierlichen Akten einberufen, nominell ist sie ein Beratungsgremium des Papstes.
Man unterscheidet im geltenden Kirchenrecht (CIC 1983) ordentliche und außerordentliche Konsistorien. Bei ersteren werden die in Rom lebenden Kardinäle einberufen, bei letzteren sind alle Kardinäle verpflichtet, teilzunehmen. Neuernannten Kardinälen wird in einem Konsistorium vom Papst das Ernennungsdekret und das rote Birett überreicht. Erst durch die Verkündung des Dekretes vor dem Kardinalskollegium erlangt die Ernennung des Kardinals Rechtswirksamkeit. Dies gilt auch für Kardinäle, deren Namen aus besonderen (etwa politischen) Gründen nicht genannt werden und die daher in pectore berufen werden. In Ausnahmefällen (beispielsweise wegen hohen Alters und Gebrechlichkeit) können einem Kardinal das rote Birett und der Kardinalsring auch durch einen päpstlichen Gesandten und außerhalb des Konsistoriums überreicht werden.[3]
Bis ins 20. Jahrhundert wurden auch katholische Verwaltungsbehörden in Bistümern und in anderen Jurisdiktionstypen unter Umständen Konsistorium genannt. Teilweise hatten sie auch Aufgaben der kirchlichen Gerichtsbarkeit. In der Gegenwart wird die Behörde in der Regel als Bischöfliches Ordinariat bezeichnet. In manchen deutschsprachigen Diözesen wird das bischöfliche Kirchengericht immer noch Konsistorium genannt.
Das von Papst Pius XII. (1939–1958) einberufene Konsistorium im Februar 1946 brach eine seit etwa vier Jahrhunderten bestehende Vorherrschaft der Italiener in der katholischen Hierarchie.[4]
In den aus der Reformation hervorgegangenen und durch den Augsburger Religionsfrieden konsolidierten evangelischen Landeskirchen war das Konsistorium die Behörde, durch die der Landesherr sein Kirchenregiment ausübte.[5] Diese staatskirchliche Konsistorialverfassung endete in Deutschland 1918 mit der Abdankung aller Fürsten.
In manchen evangelischen Landeskirchen Deutschlands (vor allem in ehemals preußischen Gebieten, z. B. in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz mit dem Konsistorium in Berlin und in der ehemaligen Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen) bezeichnet Konsistorium die kirchliche Verwaltungsbehörde. Konsistorien entstanden im 16. Jahrhundert zur Ausübung des landesherrlichen Kirchenregiments, der landesherrlichen und bischöflichen Rechte der deutschen Fürsten über die protestantischen Kirchen, und waren bis zu dessen Aufhebung 1918 staatliche Behörden. Im Königreich Württemberg gab es beispielsweise zur Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten eine Abteilung innerhalb des Kultministeriums, an deren Spitze der Konsistorialpräsident stand.
In Bayern gab es ebenfalls Konsistorien, etwa das Konsistorium Bayreuth, das nach der Reformation die landesherrliche Kirchengewalt übernahm. Im Königreich Bayern wurden die Konsistorien ab 1817 dem Königlich Baierischen Protestantischen Oberkonsistorium in München untergeordnet.[6]
Konsistorien bestehen aus etwa ebenso vielen Theologen wie Juristen. Das Konsistorium erfüllt neben der Kirchenleitung ebenfalls kirchenleitende Aufgaben. Es bereitet Beschlüsse der Kirchenleitung vor, führt die laufenden Geschäfte der Landeskirche, ist für die Rechtsaufsicht über Gemeinden und Kirchenkreise zuständig und unterstützt alle kirchlichen Bereiche bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Leiter des Konsistoriums (mit dem Titel Präsident) ist meist ein Jurist. Die Beschlüsse des Konsistoriums werden vom Kollegium gefällt. Die Mitglieder des Kollegiums tragen den Titel Konsistorialrat bzw. Oberkonsistorialrat.
Bezeichnungen für entsprechende Behörden sind in anderen Kirchen u. a.:
In einigen reformierten Gemeinden heißt das gemeindeleitende Organ Konsistorium (in Frankreich und den Niederlanden), das in den deutschen Kirchen Gemeindekirchenrat/Kirchengemeinderat, Kirchenvorstand oder Presbyterium genannt wird. Zum Judentum siehe Consistoire central israélite.
Für die Protestantische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses von Elsass und Lothringen besteht das Oberkonsistorium (Consistoire supérieure) mit Sitz in Straßburg im Elsass. Es entstand 1852 – auf Basis der Novelle der staatlich erlassenen Konsistorialordnung für die protestantischen Kirchen in Frankreich – als geistliches Leitungsgremium der lutherischen Kirche in Frankreich, den regionalen Konsistorien übergeordnet. Seit der deutschen Annexion 1871 beschränkt sich die Zuständigkeit des Oberkonsistoriums auf die lutherischen Kirchengemeinden im Elsass sowie im lothringischen Département Moselle, wodurch die Kirche Augsburgischen Bekenntnisses von Elsass und Lothringen entstand. Das Oberkonsistorium setzt sich aus gewählten Mitgliedern zusammen, die zur förmlichen Amtsübernahme vom Premierminister ernannt werden. Mehrere Kirchengemeinden bilden jeweils ein Konsistorium (bei deutschen Landeskirchen auch Kirchenkreis, Propstei oder Sprengel genannt), die in der Tradition des französischen Konsistorialmodells wie durch die Organischen Artikel geschaffen stehen. Die exekutive Kirchenleitung führt die Bezeichnung Direktorium (Directoire).
Die Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen unterhält ein Konsistorium der Kirche (Konsystorz Kościoła), das sowohl die allgemeine Kirchenleitung als auch die Exekutive der Synode bildet.[7]
Das Oberkirchencollegium zu Breslau (bis 1972 Eigenschreibweise mit C; ältere Schreibweise Ober-Kirchen-Collegium, O.K.C./OKC) bildete die kollegiale Kirchenleitung der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen. Sie befand sich in der Nr. 57 des kircheneigenen Bauensembles in der Hohenzollernstraße 53–57 (heute ul. Zaporoska) gleich neben der Christuskirche in der Nr. 55.
In der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) steht der Bischof der Kirchenleitung vor. Mitglieder sind die vier Pröpste der vier Sprengel, der geschäftsführende Kirchenrat und sechs Laienkirchenräte. Die Kirchenleitung leitet die Geschicke der SELK zwischen den Kirchensynoden. Ebenso obliegen ihr sämtliche Lehr- und Aufsichtsfunktionen.
In der Reformierten Kirche von Elsass und Lothringen bilden mehrere Kirchengemeinden jeweils ein Konsistorium (bei deutschen Landeskirchen auch Kirchenkreis, Propstei oder Sprengel genannt), die in der Tradition des französischen Konsistorialmodells wie durch die Organischen Artikel geschaffen stehen. Die 1895 geschaffene Kirchenleitung wird dagegen als Synodalvorstand (Conseil synodal) bezeichnet.
Mit den Organischen Artikeln entstanden im Französischen Kaiserreich und einigen abhängigen Gebieten (Batavische Republik, Königreich Westphalen) ab 1808 auch israelitische Konsistorien (Consistoires israélites) als Vertretungsgremien der jüdischen Gemeinden und deren regierungsseitige Kontrolle. Die Konsistorien waren damit halbamtlicher Natur. Die Konsistorien sollten jeweils die jüdischen Gemeinden eines Départements umfassen, sofern deren Gesamtseelenzahl mindestens 2.000 betrug. Bei Unterschreiten dieser Zahl konnten jüdische Gemeinden mehrerer Départements einen gemeinsamen Konsistorialbezirk bilden. Nicht zugelassen wurde aber, dass bei vielen Juden in einem Département mehr als ein Konsistorium gebildet wurde. An der Spitze der französischen israelitischen Konsistorien stand das Israelitische Zentralkonsistorium in Paris. Im Königreich Westphalen baute Israel Jacobson das Israelitische Konsistorium auf und übernahm das Amt des Konsistorialpräsidenten.
Nach 1815 wurden die israelitischen Konsistorien außerhalb Frankreichs meist wieder aufgehoben, nicht so jedoch in Belgien. Zunächst Teil der Vereinigten Niederlanden waren die jüdischen Konsistorien dort Untergliederungen der Nederlands-Israëlitisch Kerkgenootschap (Niederländisch-Israelitische Religionsgemeinschaft). Nach Abtrennung Belgiens von den Niederlanden wurde das Centraal israëlitisch consistorie van België gebildet, das die Konsistorialverfassung von 1808 bis heute fortführt. Während die französischen israelitischen Konsistorien 1905 im Zuge der Trennung von Staat und Religion ihre amtliche Funktion verloren, blieb diese bei den 1871 an Deutschland gekommenen Konsistorien Colmar, Metz und Straßburg bis heute bestehen, da die Laizität in ihren Konsistorialbezirken nie in Kraft trat.
Bis zur Novellierung des Hochschulgesetzes von Schleswig-Holstein 2007 gab es das drittelparitätisch (Professoren, Mitarbeiter, Studierende) besetzte Konsistorium, dessen Aufgabe es war, die Mitglieder des Rektorats zu wählen sowie die Verfassung der Hochschule zu beschließen.
Das Berliner Kollegienhaus, das mittlerweile den Eingangsbereich des Jüdischen Museum Berlin bildet, war zwischen 1737 und 1826 sowie 1913 bis 1945 Sitz des Berliner Konsistoriums.