Kurzblättrige Stendelwurz

Kurzblättrige Stendelwurz

Kurzblättrige Stendelwurz (Epipactis distans)

Systematik
Familie: Orchideen (Orchidaceae)
Unterfamilie: Epidendroideae
Tribus: Neottieae
Untertribus: Limodorinae
Gattung: Stendelwurzen (Epipactis)
Art: Kurzblättrige Stendelwurz
Wissenschaftlicher Name
Epipactis distans
Arv.-Touv.

Die Kurzblättrige Stendelwurz (Epipactis distans), auch Rundblättrige Stendelwurz oder Langgliedrige Stendelwurz genannt, ist eine Art aus der Gattung der Stendelwurzen (Epipactis) innerhalb der Familie der Orchideen (Orchidaceae). Die Artnamen sind nicht althergebracht, sie sind eine Erfindung der Neuzeit. Der Name Entferntblütige Stendelwurz[1] ist irreführend, da sich das Epitheton „distans“ auf die weiter auseinander stehenden Laubblätter bezieht.

Blüte der Kurzblättrigen Stendelwurz

Die wenig variable Kurzblättrige Stendelwurz ist eine zwischen 30 und 60 cm hohe, gelegentlich auch höhere Pflanze mit dickem Stängel und zwei bis sechs Laubblättern. Diese sind kürzer oder nur sehr gering länger als die Internodien, rinnig bis löffelartig geformt und steif aufrecht stehend. Die Länge des Blütenstands variiert zwischen einem Drittel und der Hälfte der Gesamthöhe der Pflanze. Sie wirkt dadurch kopflastig. Die Blüten sind einseitswendig angeordnet und relativ groß. Die Blütenblätter des äußeren Perigonkreis sind innen grün und außen gelegentlich rosa bis rötlich gefärbt. Die Blütenblätter des inneren Kreises erscheinen breit im Vergleich zur Lippe. Sie sind hellrosa bis kräftig rot gefärbt. Die Hinterlippe ist tief schüsselförmig und dunkelrot gefärbt. Die Vorderlippe ist weiß bis hellrosa. Auffällig ist der Mittelkiel auf der Vorderlippe, er ist meist deutlich rot gefärbt. Der Durchgang zwischen Vorder- und Hinterlippe ist schmal U-förmig. Die Klebdrüse bleibt lange funktionsfähig, somit ist eine Bestäubung durch Insekten obligat. Sie kann später eintrocknen und Pollen auf die Narbe gelangen (Autogamie).

Die Blütezeit liegt im Juli und beginnt ungefähr zwei Wochen vor der Breitblättrigen Stendelwurz.

Die Kurzblättrige Stendelwurz unterscheidet sich in mehreren Merkmalen von der ähnlichen Breitblättrigen Stendelwurz (Epipactis helleborine), welche größere Laubblätter besitzt und die Form und Färbung der Blüten variabler ist.

Genetik und Entwicklung

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Die Anzahl der Chromosomen ist 2n = 40.[2] Der Same dieser Orchidee enthält keinerlei Nährgewebe für den Keimling. Die Keimung erfolgt daher nur bei Infektion durch einen Wurzelpilz (Mykorrhiza). Bisher ließen sich nur obligate Ektomykorrhizapilze der Gattung Wilcoxina aus den Wurzeln dieser Art isolieren, im Gegensatz zur Breitblättrigen Stendelwurz, deren Wurzeln sowohl Ektomykorrhizabildner als auch Nicht-Ektomykorrhizapilze enthalten können.[3]

Kurzblättrige Stendelwurz in den Berchtesgadner Alpen

Die Kurzblättrige Stendelwurz kommt nahezu ausschließlich auf trockenen Böden über Kalkstein oder Dolomit in lichten Kiefernwäldern oder an Waldrändern bis zur alpinen Höhenstufe vor. Es wird auch von Vorkommen auf sauren Böden berichtet[4], die aber über Dolomitgestein liegen.

Die Breitblättrige Stendelwurz kommt nur selten in unmittelbarer Nähe vor. Ähnliche Ansprüche hat die Braunrote Stendelwurz (Epipactis atrorubens), die auch in unmittelbarer Nähe vorkommen kann.

Die tatsächliche Verbreitung ist gegenwärtig nicht vollständig bekannt. Sie ist ursprünglich aus den französischen Westalpen und dem daran angrenzenden Italien bekannt. Bereits 1995 vermutete man, nachdem die Art in Österreich wiederentdeckt wurde, dass sie auch in Deutschland vorkommen sollte. 1996 konnte dann ein in Bayern bereits seit vielen Jahren bekanntes Vorkommen, welches zuvor als Breitblättrige Stendelwurz angesehen wurde, dieser Art zugeordnet werden. In Mecklenburg-Vorpommern erwiesen sich Pflanzen, die als Niederländische Stendelwurz (Epipactis helleborine subsp. neerlandica) angesehen wurden, ebenfalls als zu dieser Art zugehörig. Seitdem werden immer wieder neue Fundorte entdeckt.

Sichere Nachweise der Kurzblättrigen Stendelwurz gibt es in Spanien[5], Frankreich, Italien, Österreich, Deutschland, Polen, Schweiz, Tschechien, Slowakei und Schweden. Weitere Funde in diesen oder angrenzenden Ländern werden für die Zukunft erwartet.

In Deutschland kommt diese Art im Norden von Mecklenburg-Vorpommern, in Brandenburg und in Bayern[6] etwas dichter im Frankenjura und Oberpfälzer Jura vor, wenige Fundorte sehr zerstreut in den Alpen bis ins Voralpenland.

Naturschutz und Gefährdung

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Da die Art lange Zeit nicht beachtet worden ist und sich Funde erst seit Mitte der 1990er Jahre häufen, kann keine genaue Aussage über die Gefährdungsgrade gemacht werden. Angenommen werden kann aber, dass diese Art selten ist und daher eine höhere Gefährdung und Schutzbedürftigkeit besteht. Sie ist als eine Art aus der Familie der Orchideen nach nationalen[7] und internationalen Gesetzen generell geschützt.

Die Kurzblättrige Stendelwurz wurde von Jean Maurice Casimir Arvet-Touvet im Jahr 1873 als Epipactis distans in Essai sur l'espèce et les variétés principalement dans les plantes S. 11 beschrieben. 1996 wird sie in den Rang einer Unterart der Breitblättrigen Stendelwurz durch Roger Engel und Pierre Quentin in L'Orchidophile; journal des amateurs d’orchidées Band 124, S. 205 als Epipactis helleborine subsp. distans herabgestuft. Karl Richter benannte 1887 in Niederösterreich gefundene Pflanzen Epipactis orbicularis, die er später zur Unterart herabstufte. 1997 erkannte Erich Klein, dass beide Taxa sich nicht unterscheiden.[8] Er ist der Autor des Namens Epipactis helleborine subsp. orbicularis (K. Richt.) E. Klein.

Noch ein weiterer Name kommt ins Spiel: Pflanzen aus Spanien mit stärker gefärbten Blüten sind 2002 als Epipactis molochina P.Delforge beschrieben worden. Diese Pflanzen sollen durch Hybridisierung von Epipactis cardina Benito & C.E.Hermos. beeinflusst sein.

Art oder Unterart

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Die Meinungen gehen nicht nur auseinander im Hinblick auf den Status als Art oder Unterart, sondern auch ob sich die mitteleuropäischen und die westalpinen Pflanzen unterscheiden und daher jeweils einen eigenen Namen erhalten sollen: für die westalpinen Pflanzen Epipactis helleborine subsp. distans und für die mitteleuropäischen Epipactis helleborine subsp. orbicularis.

Die typischen und konstanten Merkmale legen nahe, die Kurzblättrige Stendelwurz im Rang einer Art zu führen[9]. Nach der Prioritätsregel ist Epipactis distans Arvet-Touvet 1872 gültig.

Einzelnachweise

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  1. Floraweb: Epipactis distans
  2. Epipactis distans bei Tropicos.org. In: IPCN Chromosome Reports. Missouri Botanical Garden, St. Louis
  3. Martin I. Bidartondo, Bastian Burghardt, Gerhard Gebauer, Thomas D. Bruns & David J. Read: Changing partners in the dark: isotopic and molecular evidence of ectomycorrhizal liaisons between forest orchids and trees. In: Proceedings of the Royal Society of London, Serie B, Band 271 (2004), S. 1799–1806, ISSN 0080-4649 (Zusammenfassung@1@2Vorlage:Toter Link/www.journals.royalsoc.ac.uk (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. und Downloadmöglichkeit).
  4. J. Weigelt & A. Richelmann: Einige Anmerkungen zu Epipactis distans C. Arvet-Touvet in der nördlichen Frankenalb. In: Berichte aus den Arbeitskreisen Heimische Orchideen 19(1) 2006, S. 102–118, ISSN 0176-2745
  5. World Checklist of Selected Plant Families 2010, The Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew. In: Datenblatt Epipactis helleborine subsp. orbicularis In: Euro+Med Plantbase - the information resource for Euro-Mediterranean plant diversity.
  6. AHO Bayern: Orchideen in Bayern. In: Berichte aus den Arbeitskreisen Heimische Orchideen Beiheft 7 - 2006, ISSN 0176-2745
  7. Gerald Parolly: Epipactis. In: Schmeil-Fitschen: Die Flora Deutschlands und angrenzender Länder. 98. Auflage. Verlag Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2024. ISBN 978-3-494-01943-7. S. 186.
  8. Erich Klein: Epipactis helleborine (L.) Crantz subsp. orbicularis (Richter) Klein comb. nova, eine xerophile Unterart (Orchidaceae-Neottieae). In: Phyton (Horn). Band 37, Nr. 1, 1997, S. 71–83 (zobodat.at [PDF; 3,0 MB; abgerufen am 20. April 2023]).
  9. W. Wucherpfennig: Wie nützlich sind Merkmale des Habitus für die Bestimmung von Epipactis-Arten? - 2. Epipactis distans und Epipactis helleborine subsp./var. orbicularis. In: Journal Europäischer Orchideen 38(3) 2006, ISSN 0945-7909
  • AHO (Hrsg.): Die Orchideen Deutschlands. Verlag AHO Thüringen Uhlstädt – Kirchhasel, 2005, ISBN 3-00-014853-1
Commons: Kurzblättrige Stendelwurz (Epipactis distans) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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