Ihren Ursprung hat diese Lebensform und Arbeitsweise in Deutschland und in der Schweiz. Sie war häufig verbunden mit dem architektonischen Gedanken der Gartenstadtbewegung. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden Künstlergruppen in ländlichen Orten wie Worpswede oder Ahrenshoop, die durch ihre besondere Beschaulichkeit, ihre Ursprünglichkeit und besseren Umweltbedingungen zum Malen in der „freien Natur“ und zum Leben auf dem Lande, Maler aus den Städten anlockten. Für die „Stadtflucht“ der Maler wurden verschiedene Gründe angeführt. Neben dem Interesse für Licht, außergewöhnlichen Motiven wie Flora und Fauna oder markanten Landschaftsbesonderheiten wie Heide oder Berge, waren auch romantische Sehnsüchte nach „unverdorbener“, bäuerlicher Idylle und einfachem, naturnahem Leben in „Freiheit“ ein Motiv. „Der eigenartige Doppelcharakter der Künstlerkolonien besteht darin, dass sie einerseits eindeutig auf der Landkarte lokalisierbar sind. Doch andererseits sind sie genauso starke Projektionsflächen: Sie rühren an eine Sehnsucht nach einem anderen Leben.“[1]
Das Leben auf dem Lande war allgemein billiger. Das gemeinsame Auftreten in einer Kolonie förderte den Kontakt zu Dorfbewohnern und kam auch dem künstlerischen Austausch zugute. Obwohl viele Künstler den Kontakt zu Einheimischen bewusst suchten, blieben sie häufig unter sich. Das Zugehörigkeitsgefühl der Künstler untereinander war unterschiedlich stark ausgeprägt. Ihre Werke verkauften sie überwiegend in den Städten; es gelang ihnen aber auch, nach und nach ein Publikum auf dem Lande für sich zu gewinnen.
Neben Malern gründeten weitere Künstlergemeinschaften wie Schauspieler und Musiker ihre Lebensgemeinschaften. Ebenso wie die Kunst ist auch das Selbstverständnis einer Künstlerkolonie abhängig von Moden und unterliegt dem Wandel. Stadtteile wie Berlin-Wilmersdorf, Berlin-Friedrichshagen (Friedrichshagener Kreis, Neue Gemeinschaft) oder München-Schwabing wurden für Künstler attraktiv.
Zur Wiederbelebung von stillgelegten Gewerbegebieten (Leerstandsnutzung)[2] bieten in den letzten Jahren vor allem große, aber zunehmend auch kleine Kommunen, verbilligten Wohnraum und Ateliers für freie Künstler und Projekte an. So etwa erfolgte ein Einzug von Künstlern am alten Hafen von Münster-Hansaviertel, in einer ehemaligen Zellulosefabrik in Hattersheim-Okriftel oder in einem Gebäude der Papierfabrik in Bad Alexandersbad im Fichtelgebirge.[3]
A. Hartmann: Die Dachauer Maler und das Problem der ländlichen Künstlerkolonien in Deutschland um 1900. Humboldt-Universität Berlin, Diplomarbeit 1960.
Nina Lübbren: Rural Artists' Colonies in Europe, 1870-1910, Manchester University Press, Manchester 2001, ISBN 0-7190-5867-8.
Melanie Ehler (Hrsg.): Rückzug ins Paradies. Die Künstlerkolonien Worpswede – Ahrenshoop – Schwaan. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung 2001 im Vineta-Museum Barth.[9] Lukas Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-931836-62-2, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
Claus Pese (Hrsg.): Künstlerkolonien in Europa – Im Zeichen der Ebene und des Himmels. [Ausstellungskatalog, 15. November 2001 bis 17. Februar 2002.] Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg 2002, ISBN 3-926982-81-0.[10]
Ruth Negendanck: Hiddensee. Die besondere Insel für Künstler. edition fischerhuder kunstbuch, Verlag Atelier im Bauernhaus, Fischerhude 2005, ISBN 3-88132-288-4.
Jörn Barfod: Nidden. Künstlerkolonie auf der Kurischen Nehrung. edition fischerhuder kunstbuch, Verlag Atelier im Bauernhaus, Fischerhude 2005, ISBN 3-88132-254-X.
Pascal Ruedin: Die Schule von Savièse. Eine Künstlerkolonie in den Alpen um 1900. Aus dem Französischen von Alexandra Delcourt. [Ausstellungskatalog, 26. Juli 2012 bis 6. Januar 2013, Sitten, Kunstmuseum Wallis.] 5 Continents, Mailand 2012, ISBN 978-88-7439-566-8.
Doris Blübaum, Maximilian Eiden (Hrsg.): Aufbruch ins Freie? Künstlerkolonien in Deutschland um 1900. [Ausstellungskatalog, 18. April bis 18. Oktober 2015, Schloss Achberg.] Ravensburg 2015, ISBN 978-3-944685-03-8, Inhaltsverzeichnis.
Thomas Andratschke (Hrsg.): Mythos Heimat. Worpswede und die europäischen Künstlerkolonien. [Ausstellungskatalog, 18. März 2016 bis 26. Juni 2016, Niedersächsisches Landesmuseum, Hannover.] Sandstein Verlag, Dresden 2016, ISBN 978-3-95498-227-1.