Ladislaus Sunthaym

Ladislaus Sunthaym (auch Ladislaus von Sunthaym, Sunthaim, Sunthain, Sunthaymer; * um 1440 in Ravensburg; † Ende 1512/Anfang 1513 in Wien) war ein deutscher Historiker, Genealoge, Geograph und Geistlicher, der hauptsächlich in Wien tätig war.

Detail der Klosterneuburger Tafel Nr. 2

Sunthaym entstammt einer Familie der Reichsstadt Ravensburg in Oberschwaben.[1] Er studierte an der Universität Wien Theologie; dort wurde er 1460 zum Procurator der rheinischen Nation gewählt, einer Art Geschäftsführer für die Belange der westdeutschen Studenten. 1465 erlangte er den akademischen Titel eines Baccalaureus artium.

Er schlug die geistliche Laufbahn ein und erhielt 1473 zwei Pfründen am Wiener Stephansdom.

Der Abt des Stifts Klosterneuburg beauftragte Sunthaym 1485, im Jahr der Heiligsprechung des österreichischen Markgrafen Leopold III., eine Familiengeschichte des Heiligen zu erstellen, der in der Stiftskirche begraben liegt. Bis 1489 erarbeitete Sunthaym daraufhin eine Genealogie und Geschichte der Babenberger, wobei er etwa auf Werke von Otto von Freising und auf Thomas Ebendorfers Chronica regum Romanorum zurückgriff. In seiner Genealogie erfand Sunthaym für alle Babenberger bis heute gebräuchliche Beinamen oder ordnete bereits bekannte Beinamen den einzelnen Personen erstmals zu. Sunthayms Werk wurde auf prächtig illuminierten Pergamenttafeln, den Klosterneuburger Tafeln, in der Stiftskirche in Klosterneuburg ausgestellt; bald darauf schuf Hans Part ein riesiges Triptychon für die Kirche, das den Stammbaum aufgrund von Sunthayms Werk mit Geschichten aus dem Leben der Babenberger für die zahlreichen Pilger anschaulich machte (siehe Hauptartikel Babenberger-Stammbaum). Durch den Druck seines Werkes 1491 bei Michael Furter in Basel wurde Sunthaym als Historiker und Genealoge bekannt. 1498 gehörte er wohl der von Conrad Celtis gegründeten Sodalitas litteraria Danubiana (Donauländische wissenschaftliche Gesellschaft) an.

Monumentalgemälde des Babenberger-Stammbaums, Mittelteil, 1489–1492

Um die Jahrhundertwende plante der römisch-deutsche König und spätere Kaiser Maximilian I. ein Großprojekt zur grundlegenden Erneuerung der habsburgischen Geschichtsschreibung aufgrund von Chroniken, archivalischen Quellen und (Grab-)Inschriften. Maximilians besonderes Interesse galt genealogischen Aspekten, mit deren Erforschung er Sunthaym betraute, der durch seinen inzwischen weit bekannten Babenberger-Stammbaum dafür besonders geeignet schien. So wurde er 1498 zunächst zum Hofkaplan ernannt und bald darauf zum Hofhistoriographen. Neben Sunthaym waren auch die Historiker Johann Stabius und Jakob Mennel (auch Manlius) an Maximilians ehrgeizigem historiographischen Unternehmen beteiligt.

1499 erhielt Sunthaym eine dritte Pfründe in Wien, 1504 wurde er Mitglied des Domkapitels. 1505 legte er dem Kaiser eine habsburgische Stammesgeschichte von mythischen Ursprüngen bis in die neueste Zeit vor, die bei dem Auftraggeber allerdings keinen Gefallen fand. Daraufhin sollte Sunthaym mit Mennel das Werk überarbeiten – ihr Resultat wiederum erregte die Kritik des Johann Stabius. Sunthaym wandte sich daraufhin der Genealogie anderer, mit den Habsburgern verwandter Fürstenhäuser zu.

Sunthaym war für seine Recherchen viel auf Reisen, sammelte Chroniken in Klöstern und weltlichen Archiven und verglich deren Überlieferung kritisch. Zu seinen Aufgaben gehörte auch die Beschreibung der von den genealogisch untersuchten Geschlechtern beherrschten Länder. Durch die zahlreichen topographischen Details aus eigener Anschauung und Erkundigungen bei Zeitgenossen, die er wohl teilweise auch schon während früherer Reisen eingeholt hatte, sind seine geographischen Werke eine wichtige Quelle für die Landeskunde und Wirtschaftsgeschichte Österreichs und weiter Teile Oberdeutschlands – seine Beschreibungen erstrecken sich bis nach Franken und in das Elsass.

Überlieferung und Ausgaben

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Seite aus dem Druck der Babenberger Genealogie von 1491

Klosterneuburger Tafeln (auch als Tabulae Claustroneoburgenses bekannt, Genealogie der Babenberger)

  • Handschrift, so genannte Sunthaym-Tafeln, 8 prächtig illuminierte Pergamentblätter, Stift Klosterneuburg
  • Der löblichen fursten vn[d] des lands österrich altharkome[n] vn[d] regier[ung] (im Anhang eine Genealogie des Hauses Habsburg aus Heinrich Steinhöwels deutscher Version des „Speculum humanae vitae“ von Rodriguez Sanchez de Arevalo, um 1476), Druck von Michael Furter, Basel 1491 (diglib.hab.de, Volltext [Wikisource])
  • Monumentalgemälde des Babenberger Stammbaums auf der Grundlage von Sunthayms Werk von Hans Part u. a., ca. 8 m × ca. 4 m, Klosterneuburg 1489–1492
  • Handschriften in der Österreichischen Nationalbibliothek Wien, Cod. 2918, Cod. 7752, Cod. 8700 (letztere manuscripta.at).
  • Handschrift in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, Ende 16. Jahrhundert, HB V 40
  • Handschrift in der Bayerischen Staatsbibliothek München, Cgm 1642
  • Tabulae Claustro-Neoburgenses de primis austriae marchionibus et ducibus, stirpis Babenbergicae, eorumque conjugibus et liberis, auctore Ladislao Sunthaim de Ravenspurgk, operam conferente Jacobo praeposito Claustro-Neoburgensi, ad editionem Basileensem anni 1491, Germanice scriptae, hrsg. von H. Pez, Leipzig 1721
  • Edition in: Floridus Röhrig: Der Babenberger-Stammbaum im Stift Klosterneuburg. Edition Tusch, Wien 1975, ISBN 3-85063-042-0

Geographische Kollektaneen und einzelne Genealogien

  • Handschrift in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, Cod. hist. fol. 249 (geographische Kapitel ediert in Uhde 1993)
  • Handschrift in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, Cod. hist. fol. 250 (ebenso, digital.wlb-stuttgart.de).
  • Handschrift in der Bayerischen Staatsbibliothek München, Clm 1231 (mehrere Genealogien, Gedicht von der Tafelrunde – daten.digitale-sammlungen.de).
  • Handschrift im Oberösterreichischen Landesarchiv, Schlüsselberg-Archiv, Nr. 189[2]
  • Handschrift im Oberösterreichischen Landesarchiv, Schlüsselberg-Archiv, Nr. 193[2]
  • Andreas Felix Oefele: Rerum Boicarum Scriptores. Band 2, 1763, S. 557–644 (Genealogien und anderes aus den heute Stuttgarter Handschriften – books.google.de).
  • Gottfried Wilhelm von Leibniz: Scriptores rerum Brunsvicensium. 1707–1711 (Genealogie der Welfen – diglib.hab.de).
  • Franz Pfeiffer: Das Donauthal in: Jahrbuch für vaterländische Geschichte, Wien 1861, S. 275 ff. (books.google.com).
  • Julius Hartmann: [Das ganze jetzige Württemberg] In: Württembergische Vierteljahreshefte. Jahrgang VII, 1884, S. 125 ff.
  • Klaus Arnold: Kitzingen um 1500. Die älteste Stadtbeschreibung des Humanisten Ladislaus Sunthaym. In: „apud Kizinga monasterium“. 1250 Jahre Kitzingen am Main. Kitzingen 1995, S. 127–135.
  • Wilhelm Baum: Sigmund der Münzreiche und Ladislaus Sunthaym. Bemerkungen zum Geschichtsverständnis der Habsburger im 15. Jahrhundert. In: Der Schlern. 66. Jahrgang, Athesia, Bozen 1992, S. 574–586.
  • Karl Heinz Burmeister: Ladislaus Suntheims Landesbeschreibung Vorarlbergs. In: Montfort. Jahrgang 17, 1965, Heft 2, S. 119–125 (anno.onb.ac.at Volltext).
  • Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien. Band 5, 1997, S. 399.
  • Friedrich Eheim: Historische Landesforschung im Zeitalter des Humanismus. In: Veröffentlichungen des Verbandes Österreichischer Geschichtsvereine. Band 16, Wien 1965, S. 102–105.
  • Friedrich Eheim: Ladislaus Sunthaym. Ein Historiker aus dem Gelehrtenkreis um Maximilian I. In: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung. Band 67, 1959, S. 54–91.
  • Friedrich Eheim: Ladislaus Sunthaym. Leben und Werk. Dissertation, Universität Wien, 1949 (maschinenschriftlich).
  • Rolf Götz: Wege und Irrwege frühneuzeitlicher Historiographie. Genealogisches Sammeln zu einer Stammfolge der Herzöge von Teck im 16. und 17. Jahrhundert. Thorbecke, Ostfildern 2007, ISBN 978-3-7995-5508-1, S. 25–32.
  • Klaus Graf: Gottfried Wilhelm Leibniz, Ladislaus Sunthaim und die süddeutsche Welfen-Historiographie. In: Nora Gädeke (Hrsg.): Leibniz als Sammler und Herausgeber historischer Quellen (= Wolfenbütteler Forschungen. 129). Harrassowitz, Wiesbaden 2012, ISBN 978-3-447-06624-2, S. 33–47 (freidok.uni-freiburg.de Volltext).
  • Klaus Graf: Sunthaim, Ladislaus. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 25, Duncker & Humblot, Berlin 2013, ISBN 978-3-428-11206-7, S. 706 f. (Digitalisat). (archiv.twoday.net Preprint).
  • Wilhelm Heyd: Suntheim, Ladislaus v. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 37, Duncker & Humblot, Leipzig 1894, S. 161 f.
  • Paul Joachimsen: Geschichtsauffassung und Geschichtsschreibung in Deutschland unter dem Einfluss des Humanismus. Leipzig 1910, S. 164–166, 199 f., 272 f. (Volltext [Wikisource]).
  • Edith Kapeller: Frauen und Töchter zuerst! Überlegungen zur (An-)Ordnung der Babenberger-Genealogie Ladislaus Sunthayms. In: Martin Haltrich (Hrsg.): Medialitäten von Heiligkeit. Böhlau, Wien 2022 (Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg, Neue Folge; 24, 2022), ISBN 978-3-205-21670-4, S. 47–66 (https://doi.org/10.7767/9783205216711.47).
  • Wilma Keesman: De Bourgondische invloed op de genealogische constructies van Maximiliaan van Oostenrijk. In: Millennium: Tijdschrift voor Middeleeuwse Studies. Band 8, Nr. 2, 1994, S. 162–172.
  • Simon Laschitzer: Die Genealogie des Kaisers Maximilian I. In: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses. Band 7, 1888. Auch als Sonderdruck: Holzhausen, Wien 1888.
  • Alphons Lhotsky: Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte Österreichs. Graz/Köln 1963, S. 444–448.
  • Monika Maruska: Sunthaym, Ladislaus von. In: Walther Killy (Hrsg.): Literaturlexikon. Autoren- und Werklexikon. Bertelsmann, Gütersloh und München 1988, Band 11, S. 290 ff.
  • Stephan Müller: Die Textualität der Tafeln. Eine methodische Skizze zur Überlieferung der Babenberger-Genealogie des Ladislaus Sunthaym. In: Martin Haltrich (Hrsg.): Medialitäten von Heiligkeit. Böhlau, Wien 2022 (Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg, Neue Folge; 24, 2022), ISBN 978-3-205-21670-4, S. 67–72 (https://doi.org/10.7767/9783205216711.67).
  • Richard Perger: Sunthaym-Beiträge. In: Adler. Zeitschrift für Genealogie und Heraldik. Band 10, 1974–1976, S. 224–239 (Digitalisat)
  • Tanja Reinhardt: Die habsburgischen Heiligen des Jakob Mennel. Dissertation, Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg 2002 (freidok.uni-freiburg.de Volltext).
  • Brigitte Schürmann: Die Rezeption der Werke Ottos von Freising im 15. und frühen 16. Jahrhundert (= Historische Forschungen. Band 12). Steiner, Stuttgart 1986, ISBN 3-515-04841-3.
  • Regine Schweers: Albrecht von Bonstetten und die vorländische Historiographie zwischen Burgunder- und Schwabenkriegen (= Studien und Texte zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit. Band 6). Waxmann, Münster 2005, ISBN 3-8309-1453-9, S. 201 ff.: Ladislaus Sunthaym und Jakob Mennel. Zwei vorländische Historiographen im Umkreis Maximilians I.
  • Winfried Stelzer: Sunthaym, Ladislaus. In: Deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 2. Auflage. Band 9. De Gruyter, Berlin 1995, ISBN 3-11-014024-1, Sp. 537–542.
  • Karsten Uhde: Die Beschreibung der Ostschweiz durch den Geographen Ladislaus Sunthaym und ihre Rezeption durch Sebastian Münster. In: Peter Rück (Hrsg.): Die Eidgenossen und ihre Nachbarn im Deutschen Reich des Mittelalters. Basilisken-Presse, Marburg 1991, ISBN 3-925347-15-1, S. 345–368.
  • Karsten Uhde: Ladislaus Sunthayms geographisches Werk und seine Rezeption durch Sebastian Münster. 2 Bände. Böhlau, Köln u. a. 1993, ISBN 3-412-08592-8 (bsz-bw.de Rezension).
  • Paul Uiblein: Die Quellen des Spätmittelalters. In: Die Quellen der Geschichte Österreichs. Wien 1982, S. 50–113, hier S. 110.
Commons: Ladislaus Sunthaym – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Ladislaus Sunthaym – Quellen und Volltexte

Anmerkungen und Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Die Familie ist von 1378 bis 1521 in Ravensburg nachweisbar. Als Patrizier kann von den Familienmitgliedern nur ein Klaus III. Sunthaym (Schultheiß 1480–1485; † 1490) angesehen werden. Welcher Sunthaym der Vater des Ladislaus Sunthaym ist, ist unbekannt. (Alfons Dreher: Das Patriziat der Reichsstadt Ravensburg. Von den Anfängen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Kohlhammer, Stuttgart 1966). Das Wappen der Sunthaym ist nach dem Neuen Siebmacher: Gespalten, vorn ein Ast, oben mit drei (1, 2) Stummeln, hinten drei Balken. Die Tinktur (Farbgebung) ist nicht angegeben.
  2. a b Klaus Graf: Gottfried Wilhelm Leibniz, Ladislaus Sunthaim und die süddeutsche Welfen-Historiographie.