In der Differentialgeometrie, einem Teilgebiet der Mathematik, beschreibt das Lemma von Margulis oder Margulis-Lemma die Topologie des „dünnen Teils“ einer negativ gekrümmten riemannschen Mannigfaltigkeit. Es dient vor allem zur Beschreibung der Enden hyperbolischer Mannigfaltigkeiten endlichen Volumens.
Für eine riemannsche Mannigfaltigkeit und eine Konstante bezeichnet man als -dünnen Teil der Mannigfaltigkeit den Teil
(wobei den Injektivitätsradius im Punkt bezeichnet)
und als -dicken Teil das Komplement des -dünnen Teils.
ist also die Menge derjenigen , zu denen es eine geschlossene, nicht nullhomotopeKurve der Länge mit gibt. Häufig spricht man auch nur vom dünnen und dicken Teil einer -dimensionalen Mannigfaltigkeit und meint damit den -dünnen und -dicken Teil für ein , welches kleiner als die unten definierte Margulis-Konstante ist.
Lemma von Margulis (differentialgeometrische Formulierung)
Das Lemma von Margulis besagt, dass es zu jeder Dimension eine Margulis-Konstante gibt, so dass die folgende Aussage für alle einfach zusammenhängenden vollständigen riemannschen Mannigfaltigkeiten der Dimension mit Schnittkrümmungen im Intervall und für alle zutrifft:
Der Spezialfall für Matrizengruppen ist auch als Lemma von Zassenhaus bekannt: Es gibt eine Konstante , so dass jede von Matrizen der Norm erzeugte diskrete Untergruppe fast-nilpotent ist. Tatsächlich gilt das folgende auf Hans Zassenhaus zurückgehende elementare Lemma: Wenn zwei Matrizeneine diskrete Gruppe erzeugen undgilt, dann kommutieren A und B.
Die gruppentheoretische und differentialgeometrische Formulierung des Margulis-Lemmas sind äquivalent zueinander. Die Äquivalenz erhält man vermittels der Wirkung von auf der universellen Überlagerung. Für ein Urbild entspricht der Länge des kürzesten repräsentierenden geschlossenen Weges.
Im ersten Fall handelt es sich um sogenannte Spitzen (engl.: cusps). Im zweiten Fall handelt es sich um TubenumgebungengeschlossenerGeodäten (oder um geschlossene Geodäten der Länge ).
Für eine riemannsche Mannigfaltigkeit ist die Margulis-Zahl die größte reelle Zahl, so dass die Konklusion des Margulis-Lemmas für alle gilt.
Für hyperbolische 3-Mannigfaltigkeiten ist .[3]Peter Shalen bewies, dass für fast alle hyperbolischen 3-Mannigfaltigkeiten gilt. Aufgrund numerischer Berechnungen wird vermutet, dass immer gilt.[4]
Für hyperbolische Mannigfaltigkeiten der Dimension gilt
mit .[5]
Umgekehrt gibt es die auf Kapovich zurückgehende Ungleichung mit einer explizit bestimmbaren Konstante .[6]
Aus dem Lemma von Margulis lässt sich herleiten, dass sehr kurze geschlossene Geodäten eine Kragenumgebung großen hyperbolischen Volumens besitzen müssen. Eine quantitative Beschreibung dieses Zusammenhangs für Flächen liefert das Kragen-Lemma (engl.: collar lemma), dessen erste Version 1974 von Linda Keen bewiesen wurde.[7] Die bestmögliche Abschätzung geht auf Randol zurück: In einer hyperbolischen Fläche hat eine geschlossene Geodäte der Länge eine Kragenumgebung der Breite mit .[8] Man beachte, dass ist.
Každan, D. A.; Margulis, G. A.: A proof of Selberg's hypothesis. (Russian) Mat. Sb. (N.S.) 75 (117) 1968, 163–168.
Raghunathan, M. S.: Discrete subgroups of Lie groups. Ergebnisse der Mathematik und ihrer Grenzgebiete, Band 68. Springer-Verlag, New York-Heidelberg, 1972.
Buser, Peter; Karcher, Hermann: Gromov's almost flat manifolds. Astérisque, 81. Société Mathématique de France, Paris, 1981.
↑Robert Meyerhoff. A lower bound for the volume of hyperbolic 3-manifolds. Canad. J. Math., 39(5):1038–1056, 1987.
↑Peter Shalen. Topology and geometry in dimension three, 103–109, Contemp. Math., 560, Amer. Math. Soc., Providence, RI, 2011.
↑Ruth Kellerhals. On the structure of hyperbolic manifolds. Israel J. Math. 143 (2004), 361–379.
↑Michail Belolipetsky. Hyperbolic orbifolds of small volume. (Erscheint in den Proceedings des ICM 2014) pdf
↑Linda Keen: Collars on Riemann surfaces. Discontinuous groups and Riemann surfaces (Proc. Conf., Univ. Maryland, College Park, Md., 1973), pp. 263–268. Ann. of Math. Studies, No. 79, Princeton Univ. Press, Princeton, N.J., 1974