Das Lyzeum Hosianum war ein Lyzeum in Braunsberg im exemtenFürstbistum Ermland. Als Teil des deutschen Konkordats war es eine akademische Ausbildungsstätte für katholische Theologen und die zweite ostpreußische Akademie nach der Albertus-Universität Königsberg. Es beherbergte im Laufe seiner Geschichte eine Philosophisch-Theologische und allgemeinwissenschaftliche Hochschule, ein Gymnasium, ein Jesuitenkolleg mit Kloster, ein bischöfliches Konvikt, ein Priesterseminar und ein Missionsseminar.
Stanislaus Hosius gründete 1565 das Lyceum Hosianum als ein Jesuitenkolleg in der Ordensburg Braunsberg. Diese Maßnahme ist im direkten Zusammenhang mit der Ausbreitung des Protestantismus im Ermland (situiert innerhalb des Herzogtums Preußen) zu sehen, der man damit begegnen wollte.[1][2] Anders als eine Universität verfügte das Lyceum Hosianum weder über Selbstverwaltungsrechte noch über akademische Freiheit. Für die Priesterausbildung bot es aber einen vollwertigen Ersatz des Universitätsstudiums und war deshalb vor allem für Priesteramtskandidaten aus ländlich geprägten Regionen des Ermlandes attraktiv. Die Jesuiten des Lyceum unterstützten nachhaltig den Orden der Regina Protmann.
Die Ordensburg Braunsberg wurde 1240 errichtet. 1296 wurde darin ein Franziskanerkloster begründet, das seit der Reformation leerstand. Ab 1564/1565 wurde das Lyceum durch ein Jesuitenkolleg und ab 1566/7 durch das Ermländische Priesterseminar ergänzt. Dies ist seit 1568 beurkundet. Eine weitere Ergänzung stellte das Missionsseminar für die nordischen Länder von 1578 bis 1798 dar. Eine private Buchdruckerei, die seit 1589 bestand, wurde 1697 von den Jesuiten aufgekauft. Bis ins 18. Jahrhundert hinein bemühte man sich darum, Braunsberg zur Universitätsstadt zu machen. Die Bibliothek des Jesuitenkollegs wurde im Dreißigjährigen Krieg von den Truppen Gustav Adolfs geraubt und befindet sich noch heute in der Carolina Rediviva, der Universitätsbibliothek Uppsala. Als die Jesuiten dann kaum den Bau des neuen Kollegsgebäudes von 1743 bis 1771 fertiggestellt hatten, traf sie die Aufhebung des Jesuitenordens von 1773.
In dem freigewordenen Gebäude brachte der ermländische Bischof Joseph von Hohenzollern-Hechingen ein Gymnasium unter, das er dem Lyceum ebenfalls anschloss. 1807 wurde das Collegium von den Truppen Napoleons zerstört und als Institution aufgehoben. 1811 wurde das reorganisierte humanistische Gymnasium eröffnet. Mit dem Neubau wurde es 1818 erweitert. 1821 wurde das Königliche Lyceum Hosianum mit seiner Akademie genannten philosophisch-theologischen Fakultät zu einer den Universitäten gleichgestellten Hochschule. 1828 hatte das Gymnasium 307 Schüler.[3]
Ab 1912 hieß es „Staatliche Akademie Lyceum Hosianum“. Die Namen des angeschlossenen Gymnasiums waren: Königliches Akademisches Gymnasium, dann Gymnasium Hosianum und ab 1936 schließlich die Hermann-von-Salza-Schule.
In der Zeit des Nationalsozialismus firmierte die Hochschule unter dem Namen „Staatliche Akademie Braunsberg“ und als Rektor fungierte der Kirchenrechtler Hans Barion.[4]Robert Samulski war zeitweise der Bibliothekar der Staatlichen Akademie Braunsberg.
Nur die Erdgeschossmauern und eines der barocken Portale vom vorherigen Gebäude sind erhalten geblieben. Der Rest stammt aus der Zeit des Wiederaufbaus von 1960 bis 1973. Auch wurde wieder ein Gymnasium untergebracht. Der rechteckige Eckturm des Gymnasiums ist der „Pfaffenturm“ (ein Überbleibsel der Ordensburg Braunsberg), so genannt, weil er den Eckpfeiler des ehemaligen Franziskanerklosters darstellt. Heute werden dort die Schulsammlungen des Gymnasiums gezeigt. Der in südlicher Richtung verlaufende Teil des Stadtgrabens hieß „Pflaumengrund“. In dessen nördlichem Teil hat man eine kleine kreisrunde Freilichtarena aufgebaut.
Collegium Hosianum mit Stadtgraben, Pflaumengrund und Freilichtarena
Augustinus Bludau (1862–1930), Bischof des Ermlandes, Präfekt am Knabenkonvikt im Lyceum Hosianum (und auch dessen Schüler)
Victor Röhrich (1862–1925), Professor für Geschichte, erforschte besonders die Geschichte des Ermlandes, war von 1876 bis 1882 Schüler des Lyceums Hosianum
Albert Michael Koeniger (1874–1950), Kirchenhistoriker, Professor für Kirchengeschichte 1918 und 1919
Ludwig Adolf Wiese: Das höhere Schulwesen in Preußen. Historisch-statistische Darstellung. Berlin 1864, S. 57–59 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek).
Joseph Bender: Geschichte des Königlichen Gymnasiums zu Braunsberg während seines dreihundertjährigen Bestehens. Heyne, Braunsberg 1865 (Digitalisat).
Joseph Bender (Hrsg.): Geschichte der philosophischen und theologischen Studien in Ermland. Festschrift des Königl. Lyceum Hosianum zu Braunsberg zu seiner fünfzigjährigen Jubelfeier, sowie zur Erinnerung an das dreihundertjährige Bestehen der Hosianischen Anstalten überhaupt. Braunsberg 1868 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek).
Bernhard Stasiewski: Die geistesgeschichtliche Stellung der Katholischen Akademie Braunsberg 1568–1945. In: Deutsche Hochschulen und Universitäten im Osten. Köln, Opladen 1964, S. 41–58.
Ernst Federau: Die Abiturienten des Braunsberger Gymnasiums von 1818 bis 1945. In: Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde Ermlands (ZGAE). Beiheft 8/1990.
Manfred Clauss: Die Theologische Hochschule Braunsberg. In: Udo Arnold (Hrsg.): Preussen als Hochschullandschaft im 19./20. Jahrhundert. Lüneburg 1992, S. 23–42.
Bertram Faensen: Das „Antik-Archäologische Kabinett“ am Lyceum Hosianum in Braunsberg (Braniewo). Aus der Geschichte der Altertumssammlung und des Lehrstuhls für Klassische Philologie einer Katholischen Hochschule im Ermland. In: Pegasus. Berliner Beiträge zum Nachleben der Antike 2, 2000, S. 61–87 (PDF; 9,23 MB).
Józef Trypućko, Michał Spandowski: The catalogue of the book collection of the Jesuit college in Braniewo held in the University Library in Uppsala, hrsg. von Michał Spandowski u. Sławomir Szyller, 3 Bände (= Acta bibliothecae r. universitatis Upsaliensis. Bd. 41). Biblioteka Narodowa, Warschau / Uppsala universitetsbibliotek, Uppsala 2007.
Jürgen Beyer: En luthersk prästson som jesuitelev i Braunsberg (1639–1641): Lars Andersen från Othem på Gotland [Ein lutherischer Pastorensohn als Jesuitenschüler in Braunsberg: Lars Andersen aus Othem, Gotland]. In: Arv och minne 34 (2011), S. 24–26 (schwedisch).
Philipp Funk: Staatliche Akademie Braunsberg, in: Michael Doeberl, Otto Scheel, Wilhelm Schlink, Hans Sperl, Eduard Spranger, Hans Bitter und Paul Frank (Hrsg.): Das akademische Deutschland. Band 1. Die deutschen Hochschulen in ihrer Geschichte. Berlin : Weller, 1930, S. 677–682
↑Heinrich Friedrich Jacobson: Geschichte der Quellen des Kirchenrechts des Preußischen Staats, mit Urkunden und Regesten. Teil I, Band 2, Königsberg 1839, S. 225–226 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
↑Ludwig von Baczko: Geschichte Preußens. Band 3, Königsberg 1794, S. 269–270 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
↑Leopold von Zedlitz-Neukirch: Die Staatskräfte der preußischen Monarchie unter Friedrich Wilhelm III., Bd. 2: Topographie, Teilband 2: Die Provinzen 4) Preußen, 5) Posen, 6) Sachsen, 7) Westphalen, 8) Rheinprovinz. Neufchatel und Valengin. Maurer, Berlin 1828, S. XXI.
↑Kalender der reichsdeutschen Universitäten und Hochschulen 1936/1937. Verlag J. A. Barth, Leipzig. S. 30.