1993 schuf er seinen ersten Bühnenraum für Heiner Müllers Inszenierung „Duell-Traktor-Fatzer“ am Berliner Ensemble. In den darauffolgenden Jahren erhielt er Stipendien für Malerei der Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten, Berlin (1994), und der Stiftung Kunstfonds, Bonn (1996), dem er seit 1997 als Kuratoriumsmitglied verbunden war. 1997 folgte ein längerer Arbeitsaufenthalt in Lissabon. Im darauffolgenden Jahr, 1998, erhielt er den Grafikpreis der Kunstmesse Dresden und 1999 den Käthe-Kollwitz-Preis der Akademie der Künste. Er wurde 2000/2001 von der Académie Expérimentale des Théâtres nach Paris eingeladen und 2002 mit dem Eberhard-Roters-Stipendium für Malerei der Stiftung Preußische Seehandlung ausgezeichnet. 2003 verbrachte er als Artist in Residence des Couvent des Récollets, Paris, eine längere Zeit in Frankreich. Seit 2011 ist Lammert Professor für Malerei und Zeichnung an der Universität der Künste, Berlin, und seit 2015 Mitglied der Akademie der Künste.
Lammert trat schon früh gleichermaßen mit Malerei und Zeichnungen an die Öffentlichkeit und war in zahlreichen Ausstellungen zur deutschen Kunst (u. a. „Deutschlandbilder“, Martin-Gropius-Bau, Berlin, 1997, und „Art of Two Germanys“, Los Angeles County Museum of Art, 2009) vertreten. Seine Arbeit ist durch ein konzeptionelles Verfahren bestimmt, in denen die Grenzen des Bildnerischen befragt werden. Das betrifft die frühen Porträts (Stephan Hermlin, 1987), die als bildnerische Proteste gegen die Geschichtslosigkeit beschrieben worden sind, wie die Serien in Malerei, Zeichnung und Grafik: angefangen von den frühen Gruppenbildern der Wartenden (1983–88) über die gefrorenen weißen Akte und Schlachtenbilder bis hin zu der Grafikfolge „Kinne“ (1993), die das Klischee Heiner Müller außer Kraft setzen.
In seiner großformatigen Bilderserie „Alliiert“, 1994–1995, die er mit Rottönen auf Rückseiten von Landkarten palimpsestartig aufträgt, wird zunehmend sein Prinzip der Reduktion von Fragmenten menschlicher Figuren deutlich. Er beginnt mit unterschiedlichen Arbeitsgründen zu experimentieren, Buchkassetten zu bearbeiten und feine Liniennetze als Quadratur über Zeichnungen auf grobes Papier zu legen. Seit 1998 hat er sich bewusst den kleinen Bildformaten zugewandt, die er zu Tableaus erweitert. In der Verknappung wird die Balance zwischen Fleischlichem und Skelett, Gerüst und Materie, Linie und Farbe aber auch zwischen Bild und polyvalenten Zeichen gehalten. Die Reduktion erfasst hier nicht nur die figürlichen Spuren des Körperlichen, sondern auch die Farbe der Hintergründe, auf denen die Farbflecke wie Verletzungen aufscheinen. „Armbrust“ (1997–1999), „Hüllen“ (1998–1999), „Brust-korb“ (1998–2000) und „Weiß“ (2001–2003) sind auf weiße und „Passion“ (2001–2002) und „Schwarz“ (2002–2004) auf nuancierte dunkle Hintergründe gesetzt. Zunehmend öffnen sich die Farbstimmungen („Floaters“, 2005–2009), wobei die Relationen von Grund und Bildelement verändert werden und sich wie bei den Schreibarbeiten in ihrer Zusammenstellung ins Ornamentale wenden.
Daneben ist ein umfangreiches druckgrafisches Werk entstanden, bei dem z. T. alte lithografische Vorlagen collageartig in die Bildfindungen einbezogen werden. Seit den 80er-Jahren sammelt Lammert darüber hinaus sein Material in Arbeitsbüchern, die einen parallelen Arbeitsraum bilden und in der Medienreflexion den politischen Kontext vorführen, in dem sein Werk entsteht. Neben Collagen, Fotos und Zeichnungen, die oftmals Repräsentationstechniken des Gewaltsamen offenlegen, sind diese Bücher auch gefüllt mit schriftlichen Notaten und Exzerpten aus den unterschiedlichsten theoretischen Texten. Visuelles wird mit Verbalen verschränkt. In den „Risse“ betitelten Arbeiten (2004) wird das handschriftliche Kopierverfahren erstmals dazu verwendet, Bilder zu erschaffen, die gleichermaßen Text und Zeichnung sind und durch Aussparungen innerhalb der Textblöcke Formen und Figuren freigeben. Zunehmend werden diese Notate fragmentiert und kartographiert, so in den „Knochen“ (2006/07), in denen farbige, freischwimmende Felder in linearen Umrissen als Dokumente der farblich markierten Wachstumsstadien aus der tierkundlichen Sammlung des Musée Fragonard, Paris, mit Textauszügen konfrontiert werden.
Durch seine Zusammenarbeit mit Heiner Müller seit 1991 („Aus dem Totenhaus“, 1990; „Blockade“, 1991; Totenzeichnungen 1995) begann Lammert Bühnenräume zu schaffen, in denen er die Materialität seiner Malerei ins Räumliche überträgt. Die mitunter nur durch herunterfallende farbige Tücher (Germania 3, 1996) oder durch eine sich drehende Wand strukturierten Räume (Perser, 2006) werden zu Mitspielern und sind als Dramaturgiemaschinen bezeichnet worden.
Matthias Flügge, Bruno Duarte: Mark Lammert, Malerei 1997-2010 (dt./engl.), Richter Verlag, Düsseldorf 2011.
Juriaan Benschop: Mark Lammert. In: Artforum, März-Ausgabe, New York 2011.
Judith Elisabeth Weiss: Mark Lammerts Kinne und Haare. Zeichnerische Fragmente von Heiner Müller und Dimiter Gotscheff. In: Kunstforum international, Bd. 216, 2012.
Ulrike Haß (Hrsg.): Mark Lammert. Bühne, Räume, Spaces. Theater der Zeit, Berlin 2013, ISBN 978-3-943881-55-4.
Mark Lammert: Rot Gelb Blau. Texte zum Theater, Theater der Zeit, Berlin 2019, ISBN 978-3-95749-161-9.