Mary Bauermeister kam als Tochter des Professors für Anthropologie und Genetik, Wolf Bauermeister, und der Sängerin Laura Bauermeister zur Welt. Den Schulbesuch am Gymnasium in Köln-Kalk brach sie ein halbes Jahr vor dem Abitur ab und bewarb sich 1954 an der Hochschule für Gestaltung in Ulm, wo sie Grundkurse bei Max Bill und Helene Nonné-Schmidt, einer ehemaligen Schülerin Paul Klees, besuchte. 1955 schrieb Bauermeister sich an der Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken bei Otto Steinert (Fotografik) ein. 1956 ließ sie sich in Köln als freie Künstlerin nieder, wo sie vom Verkauf ihrer bisher entstandenen Pastelle lebte.[3] Zwischen 1954 und 1960 bereiste sie jährlich Paris und lernte die dortige Kunstszene kennen.[4]
1960 mietete Bauermeister in der Lintgasse 28 in Köln eine Wohnung im Dachgeschoss, wo zwischen März 1960 und Oktober 1961 mehrere Konzerte, Ausstellungen und intermediale Veranstaltungen stattfanden. Die kulturellen Veranstaltungen im Atelier Bauermeister gehörten zu den ersten „Prä-Fluxus-Veranstaltungen“ und hatten auf die Künstler der späteren Fluxus-Bewegung einen großen Einfluss.[3] Avantgardistische Dichter, Komponisten und bildende Künstler wie George Maciunas, Wolf Vostell, Hans G Helms, David Tudor, John Cage, Christo, George Brecht und Nam June Paik veranstalteten damals auf ihre Einladung hin unkonventionelle Konzerte „neuester Musik“, Lesungen, Ausstellungen und Aktionen. Mary Bauermeisters „Prä-Fluxus“-Aktivitäten trugen erheblich zur Entwicklung der Kölner Kunstszene bei.
1961 nahm Mary Bauermeister am Kompositionskurs von Karlheinz Stockhausen an den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik in Darmstadt teil,[3] bald darauf lebte sie einige Jahre in einer Ménage à trois mit ihm und seiner Ehefrau Doris Stockhausen zusammen.[5] Als sich Stockhausen und seine Frau trennten, heiratete sie ihn 1967 und gebar zwei Kinder: eine Tochter (* 1966) und Simon (* 1967). In dieser Zeit lautete ihr Familienname Mary Bauermeister-Stockhausen, 1973 ließ sich das Paar scheiden.[6] 1972 wurde ihre nächste Tochter geboren (Kind mit dem Komponisten David Johnson), 1974 ihre letzte Tochter (Kind mit dem israelischen bildenden Künstler Josef Halevi, 1923–2009).
1962 hatte Bauermeister ihre erste Einzelausstellung im Amsterdamer Stedelijk Museum mit Arbeiten der Jahre 1958 bis 1962 und gleichzeitiger, ganztägiger Aufführung elektronischer Musikstücke unter der Leitung des Komponisten Karlheinz Stockhausen und anderer Komponisten, zu denen gleichzeitig Stockhausens Partituren in Vitrinen in unmittelbarer Nähe zu den Werken Bauermeisters gezeigt wurden.[7] Im Oktober 1962 reiste sie, angezogen durch die vitale Pop Art, nach New York. Im Künstlerkreis von Pop Art, Nouveau Réalisme und Fluxus pflegte sie Freundschaften mit Robert Rauschenberg, Jasper Johns, Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely. In New York feierte Bauermeister beachtliche künstlerische Erfolge. In den 1960er Jahren stellte sie regelmäßig in der Galeria Bonino in der 57. Straße aus.
In den 1970er Jahren kehrte Mary Bauermeister nach Deutschland zurück und begann sich mit Grenzwissenschaften wie Geomantie zu beschäftigen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse nutzte sie für die Planung von Gärten, die sie für öffentliche und private Auftraggeber weltweit ausführte. Die Künstlerin lebte zuletzt in Rösrath bei Köln.
In einer Radiosendung sprach sie 2016 über ihre Erinnerungen an mehrere frühere Leben.[8]
Von der zweidimensionalen Zeichnung entwickelte sich das Werk Bauermeisters zunehmend in den Raum hinein – über Relief- und Materialbilder gelangte sie schließlich zu den „Linsenkästen“, der wohl geheimnisvollsten Werkgruppe der Künstlerin, mit der ihr 1964 der Durchbruch auf dem New Yorker Kunstmarkt gelang. In zum Betrachter hin offenen, weißen Holzkisten schuf Bauermeister kleine Welten aus glänzendem Glas, Lupen, Linsen und Prismen, hinterlegt von feinen Tuschezeichnungen und aufgetragenen Texten. Diese Kästen bieten mit ihren zwei oder drei gläsernen Bildebenen Raum für die Gedanken und Ideen der Künstlerin und sollen den Betrachter zur genauen Beobachtung anregen.
Anlässlich ihres 70. Geburtstags erwarb das Kölner Museum Ludwig ihre 1963 entstandene Wandinstallation Needless needles und richtete eine Werkschau aus (bis zum 23. Januar 2005). Im Jahr 2007 erwarb das Schweriner Museum Arbeiten der Künstlerin und installierte einen permanenten Kunstraum mit diesen Werken neben den Ausstellungsräumen ihres verehrten Vorbildes Marcel Duchamp. Diese Werke bestehen u. a. aus der Musicbox (1968), Rotes Magnetbild (1959), Studiofetisch (1970) und Fünf Totenhemden (1963) aus der Serie Ready Trouvées als Hommage an Marcel Duchamps Ready-mades.
Mary Bauermeisters Werke don’t defend your freedom with poisoned mushrooms or hommage à John Cage (1964), No fighting on christmas (1967), 50 Jahre Fluxus 1962–2012; Edition Zopf ab (2012), Repro (1964) und Auflösung (2013/2014) sind in der Fluxus-Dokumentation im museum FLUXUS+ in Potsdam ausgestellt.
Karlheinz Stockhausen, electronische muziek & Mary Bauermeister, schilderijen. Stedelijk Museum, Amsterdam 1962. (Wanderausstellungskatalog: 2. bis 25. Juni 1962 Stedelijk Museum; Stedelijk Van Abbemuseum, Eindhoven; Groninger Museum). 24 ungezählte S.
Bauermeister: paintings and constructions. Galeria Bonino, New York [1967]. (Ausstellungskatalog: 17. März bis 18. April 1964, Galeria Bonino). 28 ungezählte S.
Historisches Archiv der Stadt Köln (Hrsg.): Das Atelier Mary Bauermeister in Köln 1960–62 : intermedial, kontrovers, experimentell, Emons, Köln 1993, ISBN 3-924491-43-7, 215 S.
Lara Mallien: Musik sehen, Bilder hören. Ein Portrait über Mary Bauermeister. In Oya 09/2011. (Onlineversion).
Christel Schüppenhauer (Hrsg.): Mary Bauermeister: „all things involved in all other things“. Galerie Schüppenhauer, Köln 2004, ISBN 3-926226-57-9, 96 S. und 1 Interview-CD von Gregor Zootzky
Kerstin Skrobanek: Die Jacke Kunst weiter dehnen. Mary Bauermeisters Aufbruch in den Raum. Dissertation Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Frankfurt am Main 2009 publikationen.ub.uni-frankfurt.de
Kerstin Skrobanek, Reinhard Spieler (Hrsg.): Welten in der Schachtel. Mary Bauermeister und die experimentelle Kunst der 1960er Jahre. Kerber Art, Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen, 2. Oktober 2010 bis 16. Januar 2011, Bielefeld/Leipzig/Berlin 2010
Marianne Pitzen, Gamma Thesa Terheyden (Hrsg.): Mary Bauermeister. Kulturgewächs – Spektrum über 60 Jahre. Das Buch zur gleichnamigen Ausstellung im Frauenmuseum Bonn. Bonn 2012, ISBN 978-3-940482-53-2
Kerstin Skrobanek: Stone Towers and Magnifying Glasses – Mary Bauermeister’s Years in New York, in: Muehlig Linda (Hrsg.): Mary Bauermeister. The New York Decade, Smith College Museum of Art, Northampton, MA, 2015.
Mary Bauermeister: Ich hänge im Triolengitter: Mein Leben mit Karlheinz Stockhausen. Edition Elke Heidenreich bei C. Bertelsmann, 2011, ISBN 978-3-570-58024-0.
↑ abcReinhard Spieler: Welten in der Schachtel. Mary Bauermeister und die experimentelle Kunst der 1960er Jahre. Kerber Art, Bielefeld/Leipzig/Berlin 2010, S. 151
↑Vita auf Frauen an der hfg ulm; abgerufen am 28. Dezember 2010.
↑Andreas Fasel: Der Komponist und die Frauen. In: DIE WELT. 18. September 2011 (welt.de [abgerufen am 1. September 2021]).
↑Verdienstkreuz für Mary Bauermeister – Auszeichnung würdigt das Lebenswerk der bildenden Künstlerin. In: Kölner Stadt-Anzeiger. 16. Juni 2020, S.19 (ksta.de [abgerufen am 21. Juni 2020]).