Matthaeus Parisiensis (deutsch Matthäus Paris, auch Matthäus von Paris; englisch Matthew Paris; * um 1200 in England; † 1259 in St Albans) war ein englischer Geschichtsschreiber im Benediktinerkloster St Albans unweit von London. Er gilt als einer der bedeutendsten Chronisten, Historiographen und Kartenzeichner des 13. Jahrhunderts in England. Daneben war er auch als Goldschmied und Bildhauer tätig.
Trotz seines Namens war Matthäus Engländer, wie aus seinem Werk eindeutig hervorgeht. Parisiensis als Familienname war in England im 13. Jahrhundert nicht ungewöhnlich. Denkbar ist aber auch, dass er in seiner Jugend in Paris studierte: Das würde nicht nur den Namen erklären, sondern auch sein Interesse an allem, was Frankreich und insbesondere die Universität von Paris betraf, sowie die große Zahl seiner französischen Kontakte.[1] Das früheste Ereignis in seinem Leben, das er selbst in seinem Werk erwähnte, war allerdings der Eintritt ins Kloster St Albans im Jahr 1217. Ein weiteres wichtiges Jahr in seiner Biographie war 1248: Damals reformierte er das Benediktinerkloster auf der norwegischen Insel Munkholmen und schloss Freundschaft mit König Haakon IV. von Norwegen.[2]
Den größten Teil seines Lebens widmete Matthäus in St Albans der Geschichtsschreibung, für welche das Kloster berühmt war. Er überarbeitete zuerst die Chronik von John de Cella (Abt von St Albans 1195–1214) und diejenige seines direkten Vorgängers und Lehrers Roger von Wendover († 1236): Diese beiden Werke bildeten den Grundstock seines eigenen Hauptwerks Chronica maiora. Von 1235 an setzte er die Chronik selbst fort bis zu seinem Tod im Jahre 1259. Seine Informationen erhielt er hauptsächlich in Gesprächen mit Zeugen und Akteuren der Ereignisse sowie aus Briefen, die er manchmal in sein Werk einfügte. Er pflegte engen Kontakt mit König Heinrich III. und dessen Bruder Richard von Cornwall. Der König war interessiert daran, dass Matthäus in seinem Geschichtswerk die Geschehnisse so genau wie möglich festhielt. 1257 weilte er persönlich eine Woche lang in St Albans und widmete seine ganze Aufmerksamkeit der Arbeit des Chronisten. Erstaunlicherweise erscheint aber seine Politik in den Chronica maiora in ungünstigem Licht, obwohl Matthäus für Heinrich als Menschen eine gewisse Sympathie äußerte.[3]
Matthäus beeindruckt vor allem als Erzähler. Er interessierte sich sehr für die menschlichen Aspekte der Politik, doch beruht seine Einschätzung der Zeitgenossen eher auf seinen eigenen Vorurteilen als auf ihren tatsächlichen Zielen und Ideen. Immerhin würdigte er die Charakterstärke einer Persönlichkeit auch dann, wenn er ihre politischen Ziele missbilligte. Höflinge und ausländische Günstlinge des Königs verabscheute er. Bemerkenswert ist, mit welcher Schärfe er päpstliche Einflussnahme auf die englische Politik verurteilte.[3]
Die Datierungen von Matthäus sind für einen Zeitgenossen relativ ungenau. Es kommt vor, dass er dasselbe Ereignis zweimal in unterschiedlichem Zusammenhang erwähnt. Gelegentlich verfälschte er Dokumente, die er in seine Darstellung einfügte, beispielsweise den Text der Magna Carta. In seinem Werk finden sich auch frei erfundene Reden, die ein falsches Bild von der Haltung des Sprechers vermitteln. Die Angaben von Matthäus müssen also immer anhand anderer Quellen überprüft werden, wenn solche existieren. Wo seine Chronik die einzige Quelle ist, muss sie mit Vorsicht benützt werden. Sein großes Verdienst anderseits besteht darin, dass er ein lebendigeres Bild seiner Zeit vermittelt als jeder andere englische Chronist.[3]
Matthäus schrieb und illustrierte seine Manuskripte selbst. Die darin enthaltenen mehr als 100 Wappenschilde sind die früheste englische Quelle der Heraldik.[4]
Liber additamentorum („Buch der Beilagen“) nannte Matthäus eine Sammlung von Dokumenten, die er als Anhang zu seinen historischen Werken kopieren ließ.[2]
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Paul D. A. Harvey: Matthew Paris’s map of Palestine. In: Michael Prestwich, Richard Hugh Britnell, Robin Frame (Hrsg.): Thirteenth Century England VIII. Proceedings of the Durham Conference, 1999. Boydell Press, Woodbridge u. a. 2001, ISBN 0-85115-812-9, S. 165–177.
Hans-Eberhard Hilpert: Kaiser- und Papstbriefe in den Chronica majora des Matthaeus Paris (= Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London, Band 9). Klett-Cotta, Stuttgart 1981, ISBN 3-12-915510-4 (zugleich: Regensburg, Universität, Dissertation, 1979).
Claude Jenkins: Monastic chronicler and the early school of St. Albans. A lecture. Society for Promoting Christian Knowledge u. a., London u. a. 1922 (Mehrere Nachdrucke).
Suzanne Lewis: The Art of Matthew Paris in the Chronica majora (= California Studies in the History of Art. 21). University of California Press, Berkeley CA u. a. 1987, ISBN 0-520-04981-0.
Karl Schnith: England in einer sich wandelnden Welt. (1189–1259). Studien zu Roger Wendover und Matthäus Paris (= Monographien zur Geschichte des Mittelalters, Band 7). Hiersemann, Stuttgart 1974, ISBN 3-7772-7404-6 (zugleich: München, Universität, Habilitations-Schrift 1972).
Richard Vaughan: The Handwriting of Matthew Paris. In: Transactions of the Cambridge Bibliographical Society. Band 1, Nr. 5, 1953, ISSN0068-6611, S. 376–395, JSTOR:41337010.
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Richard Vaughan: Chronicles of Matthew Paris. Monastic Life in the Thirteenth Century. Edited, translated, and with an introduction. Sutton u. a., Gloucester u. a. 1984, ISBN 0-312-13452-5.
Richard Vaughan (Hrsg.): The illustrated Chronicles of Matthew Paris. Observation of Thirteenth-Century Life. Translated, edited and with an introduction. Illustrations selected by Nigel Wilkins. Photographs by Ian Cannell. Sutton, Stroud 1993, ISBN 0-7509-0276-0.
Björn Weiler: Matthew Paris in Norway. In: Revue Bénédictine, 122, 2012, S. 153–181.
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Johannes Weiss: Das kartographische Erbe von Matthaeus Parisiensis in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Wien 2010 (Wien, Universität, Dissertation, 2010, obvsg.at).
↑Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Bibliographisches Institut, Leipzig 1984.
↑Suzanne Lewis: The Art of Matthew Paris in the Chronica Majora. University of California Press, Berkeley CA u. a. 1987, S. 263–266, ISBN 0-520-04981-0 (online).