Merlin (vom walisischen Myrddin [ ]) ist der Name eines bekannten Barden, Sehers und Zauberers aus dem Artuszyklus.
Der latinisierte Name Merlinus erscheint erstmals bei Geoffrey von Monmouth (Historia Regum Britanniae, um 1135). Zugrunde liegt ein Myrddin oder Merddin, der ebenfalls um das 12. Jahrhundert in walisischen Legenden auftaucht. Geoffrey identifiziert Merlinus mit Ambrosius Aurelianus, der bei Nennius (9. Jh.) erwähnt wird.
Der walisische Name lautet Merddin, Myrddin (das Llyfr Du Caerfyrddin, um 1250, hat die Schreibung Myrtin[1]). Die bretonische Form Marzin ist sehr unsicher.[2] Die Herkunft des Namens ist unsicher, vermutet wurde ein Reflex des lateinischen Martinus. Damit läge der Ursprung der Figur des Myrddin in Legenden über Martin von Tours, dem Ninian kurz nach dessen Tod (397) eine Kirche in Whithorn gewidmet haben soll.[3] Anwyl (1916) argumentiert, dass die walisische Entsprechung zu Martinus zunächst Merthin gelautet hätte, möglicherweise aber mit einem lautgesetzlichen Übergang von -rth- zu -rdd- zu Merddin geworden wäre. Die sprachliche Realität der Form Merddin sei ersichtlich aus einem Gedicht des Dafydd ap Gwilym.[4]
Die Latinisierung als Merlinus erklärte Gaston Paris durch den Umstand, dass Geoffrey von Monmouth von der Form *Merdinus zurückgeschreckt sei, um einen Anklang an merda „Fäkalien“ zu vermeiden.[5]
Die volksetymologische Verbindung zum Ortsnamen Carmarthen, walisisch Caer Fyrddin, hat die Form Myrddin (anstelle von Merddin oder Merthin) begünstigt; fyrddin ist die lenierte Form von myrddin, von einem mori-dunon „Festung am Meer“. Dieser Name der Stadt ist seit der Antike bekannt, als Moridunum. Mit der volksetymologischen Umdeutung wurde der Name dann aber auch als „Festung des Merlin“ interpretiert.[4] A.O.H. Jarman vertrat die Ansicht, dass umgekehrt der Name Myrddin selbst eine volksetymologische Ableitung aus dem Ortsnamen Caer Fyrddin sei.[6]
Es gab andere Vorschläge, die den Namen Myrddin aus dem Keltischen herleiten unter anderem von *mer- „verrückt, ungesund, sinnlos“ und (go)donios (walisisch: dyn) „Person, Mann“, also als Bezeichnung für einen „verrückten Menschen“.[7] La Villemarqué (1861) wollte den Namen von einem bretonischen Marthin, Marzin herleiten, das er mit dem Wort für „Wunder“ (marz, von urkeltisch *marto- „Tod“[8]) in Verbindung brachte. Die Vermischung mit dem Heiligen Martin von Tours hätte nach La Villemarqué damit bereits sehr früh in Gallien stattgefunden. Weiter verband Villemarqué die martes, Wesen in der französischen Folklore.[9]
Literarisch erstmals erwähnt wird Ambrosius Aurelianus bei Nennius in seinem Werk Historia Britonum aus dem 8. bis 9. Jahrhundert. Er beschreibt, wie Ambrosius als „Kind ohne Vater“ vor den britischen König Vortigern gebracht wird, um als Menschenopfer den sicheren Bau seiner Burg zu gewährleisten. Hierbei allerdings beeindruckt der Knabe die Anwesenden durch eine Prophezeiung über den Boden, auf den die Burg gebaut werden soll, dass er nicht geopfert wird. Er prophezeit einen Kampf zwischen einem weißen und einem roten Drachen, der unter der Erde stattfindet, so dass die Burg nicht gebaut werden könne. Es handelt sich hierbei um eine Metapher über den bevorstehenden Krieg zwischen Britanniern und Sachsen. Nennius' Ambrosius Aurelianus wird bei Geoffrey of Monmouth zu Merlinus Ambrosius.
Das Llyfr Du Caerfyrddin, ein Manuskript aus dem mittleren 13. Jahrhundert, enthält eine der ältesten Überlieferungen in walisischer Sprache, das Gedicht Ymddiddan Myrddin a Thaliesin („Gespräch zwischen Merlin und Taliesin“), das möglicherweise aus dem 11. Jahrhundert stammen könnte.
Bei Giraldus Cambrensis (um 1188) ist Merlinus Celidonius ein Seher, der in der Schlacht von Arfderydd den Verstand verloren haben soll. Er kämpfte für König Gwenddoleu fab Ceidiaw gegen Rhydderch Hael, vor dem er schließlich nach Schottland floh.[10] Dort erhält er in der Einsamkeit der Wälder die Gabe der Weissagung. Von Lloyd (1894) stammt der Vorschlag, dass die mittelalterliche walisische Tradition um Myrddin zwei Figuren vermischt, einen Myrddin Emrys, ursprünglich Ambrosius Aurelianus, und den Merlinus Celidonius oder Merlin Sylvestris aus Giraldus Cambrensis. Mit dem letzteren sei außerdem später (im 15. Jahrhundert) die Figur des Laleocen aus der Vita Sancti Kentigerni (12. Jahrhundert) vermischt worden zu Figur des Wilden Mannes Myrddin Lailoken oder Myrddin Wyllt.[11][12]
Eine der Walisischen Triaden von Iolo Morganwg (Edward Williams) (1801) nennt „Die drei besten Barden der Insel Britannien“: Merddin Emrys (Ambrosius), Merddin mab Morfryn („Merddin, Sohn des Morvyn“) und Thaliesin benn Beirdd („Taliesin, Haupt der Barden“).[13] Hersart de la Villemarqué veröffentlichte 1839 mit Barzaz-Breiz: Chants populaires de la Bretagne (erweiterte Ausgaben 1845 und 1867) eine Sammlung bretonischer Volkslieder, ähnlich wie bei Williams eine Vermischung aus authentischer Folklore des frühen 19. Jh. und eigener Dichtung. Darin finden sich vier Texte über Merlin (Marzin), darunter die Ballade Marzin-Barz (Merlin der Barde)[14] Laurent (1974) kam nach Studium der Notizbücher Villemarqués zur Ansicht, dass die Ballade authentische Elemente enthalte.[15]
Um 1135 übernimmt Geoffrey von Monmouth in seiner Historia Regum Britanniae Merlin als vaterlosen Knaben und die Sage um Vortigerns Burg, bezeichnet ihn aber als Sohn eines Inkubus und einer Nonne königlicher Abstammung.[17] Hier scheint es sich um die Gestalt des Merlin Ambrosius zu handeln, der den jugendlichen Merlin widerspiegelt. In der um 1150 entstandenen Vita Merlini wird die Figur weiter ausgestaltet und dabei erstmals an die Artussage angebunden.
Durch die Übertragung der Historia regum Britanniae durch Wace im Roman de Brut 1155 gelangte der Sagenstoff in die französische Literatur, wo er unter anderem von Chrétien de Troyes aufgenommen wurde. Merlin erscheint jetzt als Zauberer und Ratgeber Artus’, der sich an seinem Lebensende aus der Welt zurückzieht. Robert de Boron baut 1210 im Versroman Histoire de Merlin die Erzählung aus. Er macht Merlin zu Artus’ Erzieher und führt sowohl die Tafelrunde als auch die Suche nach dem Gral auf Merlin zurück. Um 1225 entstand der Sagenzyklus Prose Lancelot, in der die Rolle Merlins als Berater des Artus und dessen Vater Uther Pendragon weiter ausgebaut wird. Im ersten Teil der Prose Lancelot, der Estoire del Saint Grail, wird der prophetische Merlin noch als dämonischer Charakter gezeichnet, während er in den späteren Teilen ab der Estoire de Merlin vor allem in Verbindung mit der Gralssuche erscheint. Auch hier geht sowohl die Tafelrunde als auch die Gralssuche auf ihn zurück, ebenfalls ist die Regelung für Uthers Nachfolge enthalten, nach der derjenige der neue König wird, der das Schwert Excalibur aus dem Stein ziehen kann. Thomas Malory stellte im 15. Jahrhundert verschiedene französische und englische Artuserzählungen in Le Morte d’Arthur zusammen, das 1485 von William Caxton publiziert wurde und als Vorlage für die meisten späteren Bearbeitungen des Stoffes diente.
Im Rahmen der Artussage wird ein weibliches Prinzip Merlin gegenübergestellt. Hierbei handelt es sich entweder um eine helfende Hand, welche als „Dame des Sees“, oft als Vivianne bezeichnet, auftritt und Merlin und seinen Schützling Artus unterstützt. Eine etwas verstärkte Variante bildet die Figur der Nimuë, die häufiger als Geliebte Merlins verstanden wird. Es wird auch erzählt, dass Merlin ihr verfalle und sie ihn töte oder auch einsperre. Ein drittes Prinzip ist oftmals in Morgana oder Morgue abgebildet, welche als Gegenspielerin und Feindin Merlins auftritt. Die Namen werden allerdings oft vertauscht und die Charaktergrenzen sind nicht immer klar abgegrenzt.[18]
Erstmals in der deutschsprachigen Literatur erscheint Merlin um 1480 im Versroman Merlin von Ulrich Füetrer. Hier begegnet und verfällt er der Fee Viviane im Wald von Brocéliande, wo er in ewigen Schlaf fällt.
Die Figur des Merlin wird von der Romantik aufgegriffen, zunächst in der Bewegung der „keltischen Renaissance“ um Owen Jones und Edward Williams (um 1800). Im deutschsprachigen Raum zuerst bei Dorothea Schlegel, Geschichte des Zauberers Merlin (1804). Danach erscheint die Figur Merlins in Gedichten von Ludwig Uhland, Karl Immermann, Alfred Friedmann und anderen. Merlin l'enchanteur ist ein Roman von Edgar Quinet (1860). Merlin ist eine Oper von Karl Goldmark (1886), mit Libretto von Siegfried Lipiner. Isaac Albéniz schrieb ebenfalls eine Oper Merlin (1905) mit Libretto von Francis Burdett Money-Coutts. Paul Heyses Roman Merlin (1892) befasst sich nicht mit dem Artusstoff.
Clive Staples Lewis lässt Merlin im dritten Teil seiner Perelandra-Trilogie (That Hideous Strength [1945], dt. Die böse Macht) auftreten. Als England von einer satanischen Verschwörung mit Weltherrschafts-Ambitionen bedroht wird, wird Merlin zum Leben erweckt und hilft beim Niederringen des Geheimbundes. Es wurde zudem vermutet, dass die Geschichten um Merlin J.R.R. Tolkien bei der Schaffung seiner Romanfigur Gandalf aus Der Hobbit (1937) beeinflusst haben könnten.[19]
Eine einflussreiche moderne Adaptation des Artus-Stoffes ist The Once and Future King von T. H. White (1958).
Mary Stewart beschreibt das Leben des Merlin in Flammender Kristall (The Crystal Cave 1970); Der Erbe (The Hollow Hills 1973); Merlins Abschied (The Last Enchantment 1979); Tag des Unheils (The Wicked Day 1983). Sie erzählt und interpretiert aus der Sicht des Merlin, der als ungewöhnlich begabter und gebildeter Mensch geschildert wird, die Ereignisse der Arthus-Saga, wobei sie sich durchaus an Chrétien de Troyes orientiert, aber am Ende jedes Buches die Fassung von Geoffrey von Monmouth zitiert.
Marion Zimmer Bradley beschreibt in ihrem Roman Die Nebel von Avalon (1982) Merlin nicht als Person, sondern als Titel des höchsten Druiden Britanniens. Während des Untergangs Avalons, in dessen Zeitraum der Roman spielt, wird der Titel von einer Person namens Taliesin getragen.[20] Eine Verbindung zwischen Myrddin und Taliesin besteht in den Four Ancient Books of Wales, in denen Myrddin als Autor des Schwarzen Buch von Caermarthen angenommen wird und Taliesin das Buch von Taliesin verfasst hat. Es ist möglich, dass Zimmer Bradley diese Verbindung bewusst herangezogen hat, die Verwendung des Namens Merlin als Titel jedoch ist wissenschaftlich nicht zu belegen.
Die Romanreihe Merlin-Saga von T. A. Barron (1999–2002) behandelt Merlins Kindheit. Dabei wird in fünf Büchern eine Geschichte um den jungen Merlin erzählt, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er nach Camelot aufbricht, um zum legendären Ratgeber König Artus’ zu werden.
Außerhalb der Belletristik beziehen sich gelegentlich Autoren esoterischer Sachbücher auf Merlin, oftmals im Kontext eines Mentors; ein Beispiel ist Douglas Monroe (1996).[21]
Weiterhin findet die Figur des Merlins in vielen weiteren Romanen und Geschichten Verwendung, nicht zuletzt im Fantasy-Rollenspiel.
Eine bedeutende Rolle spielt Merlin auch im von Rob MacGregor verfassten, 1991 veröffentlichten Roman Indiana Jones und der Tanz der Giganten. Dort begibt sich der Protagonist auf die Suche nach dem Grab des Zauberers, Merlin ist hier auch der Erbauer von Stonehenge und erscheint am Ende dem namensgebenden Protagonisten sogar in einer Vision. Die nachfolgenden Bände der Indiana-Jones-Reihe aus der Feder von MacGregor spielen zwar an anderen Schauplätzen und haben ein anderes Thema zum Inhalt, doch taucht auch hier Merlin wiederholt auf. So stellt Merlin Jones in Indiana Jones und die Herren der toten Stadt (1991) nach einem Flugzeugabsturz vor die Wahl zwischen dem Tod und weiterzuleben, in Indiana Jones und das Geheimnis der Arche (1992) erfährt Jones schließlich, dass Merlin mit dem biblischen Noah identisch gewesen ist.
Merlin wurde seit dem späten 19. Jahrhundert auch als männlicher Vorname vergeben. In der US-amerikanischen Vornamenstatistik erscheint der Vorname ab 1885. Er erreicht 1927 seine maximale Popularität (auf Rang 290 der in diesem Jahr vergebenen männlichen Vornamen). Danach nimmt seine Popularität stetig ab und der Name verschwindet in den 1970er Jahren aus der Liste der tausend beliebtesten Vornamen. In Frankreich erreichte der Name in der Periode zwischen 2002 und 2011 eine begrenzte Beliebtheit.[22]
Vor allem im Keltischen Neopaganismus ist es außerdem verbreitet, sich mit dem Beinamen Merlin zu schmücken. Dies scheint vor allem in England beliebt zu sein.[23]