Ministerium für Nachrichtenwesen — VAJA — | |
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Staatliche Ebene | Bund |
Bestehen | seit 18. August 1983 |
Hauptsitz | Teheran, Iran |
Behördenleitung | Minister: Esmaeil Khatib |
Mitarbeiter | Verschlusssache (geschätzt 30.000)[1] |
Website | [https://vaja.ir vaja.ir] |
Das Ministerium für Nachrichtenwesen (MOIS oder VAJA,[2] persisch وزارت اطلاعات جمهوری اسلامی ایران Wezārat-e Eṭṭelāʿāt-e Ǧomhūrī-ye Eslāmī-ye Īrān, ‚Ministerium für Nachrichtenwesen der Islamischen Republik Iran‘; vormals persisch وزارت اطلاعات و امنیت کشور Vezārat-e Eṭṭelāʿāt va Amniat-e Kešwar, ‚Ministerium für Nachrichtenwesen und Staatssicherheit‘; aus dem Englischen früher bekannt unter VEVAK) ist ein Geheimdienst der Islamischen Republik Iran.
Der Geheimdienst deckt das komplette Spektrum nachrichtendienstlicher Tätigkeiten ab, von Spionage über Staatsschutzaufgaben, Psychologische Kriegsführung bis hin zu verdeckten Operationen im In- und Ausland. Informationen über den Geheimdienst stammen meist von iranischen Oppositionsgruppen, westlichen Nachrichtendiensten oder iranischen Überläufern.[3] Dem Ministerium wurden in der Vergangenheit Staatsterrorismus nachgewiesen; gegen den ehemaligen Minister für Nachrichtendienste und Sicherheitsangelegenheiten Ali Fallahian bestehen Haftbefehle wegen mutmaßlichen Mordes in Deutschland, der Schweiz und Argentinien.
Neben friedlichen und gewaltfreien Oppositionsgruppen verfolgt der Geheimdienst auch Mitglieder der militanten Oppositionsgruppen und versucht Informanten in den Gruppen anzuwerben oder einzuschleusen. Dazu zählen Volksmudschahedin (MEK) und Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI).
Inoffizielle Mitarbeiter werden unter den Angestellten der Iran Air geworben oder sind z. B. Studenten, Händler oder Bankangestellte. Der Geheimdienst positioniert seine Mitarbeiter üblicherweise in den Auslandsniederlassungen der iranischen Banken als Agenten oder um Finanzoperationen zu steuern. In Deutschland ist die bekannteste Bank die Bank Melli, welche eine Niederlassung in Hamburg unterhält.[4]
Nach dem Sturz des Schahs im Zuge der islamischen Revolution wurde die Vorläuferorganisation SAVAMA als Nachfolger des Schah-Geheimdienstes SAVAK gegründet. Der erste Direktor des Dienstes war Generalmajor Hussein Fardust. Er wurde 1985 aufgrund des Verdachtes der Spionage für die UdSSR verhaftet.
Von 1983 bis 1984 wurde der Dienst durch Mohammadi Reyschahri und Said Hajjarian reorganisiert und als VEVAK im Rang eines Ministeriums am 18. August 1984 offiziell gegründet. Reyschahri war gleichzeitig Leiter des Revolutionstribunals. Die maßgeblichen religiösen Führer des Iran, u. a. Akbar Hāschemi Rafsandschāni, erkannten bald, dass sie professionelle Agenten benötigten und beschlossen, ehemalige SAVAK-Agenten zu reaktivieren, um die inneriranische Opposition zu bekämpfen. Andere SAVAK-Agenten waren wertvoll, weil sie tief in die Strukturen der irakischen Baath-Partei eingedrungen waren.[5][6]
Bisherige Leiter des Geheimdienstes:
Der Geheimdienst wurde in den 1980er und 1990er Jahren mit folgenden Attentaten meist im Zusammenwirken mit der libanesischen Hisbollah und großteils während der Amtszeit von Ali Fallahian in Verbindung gebracht:
Darüber hinaus wird eine ganze Reihe weiterer Morde an Exilanten dem iranischen Regime von Oppositionsgruppen angelastet.[19][20][21]
Der angebliche Ex-Geheimdienstmitarbeiter und Überläufer Abolghasem Mesbahi war der wichtige Belastungszeuge C im Mykonos-Prozess und belastete iranische Regierungsstellen auch bezüglich der Morde an Ahmed Moradi-Talebi, Abd el-Rahman Ghassemlou und Mohammed Hussein Naghdi sowie des Lockerbie-Anschlags.[9][10][11] Die iranische Regierung warf Mesbahi 1996 vor, ein Schwindler und Scheckbetrüger zu sein, der sich Anfang der 80er Jahre als westlicher Agent in die Pariser Botschaft habe einschleusen lassen, er sei nie iranischer Nachrichtendienstmitarbeiter gewesen und vor seinen Gläubigern aus dem Iran geflohen.[22] Über Interpol wird er seit 1997 mit internationalem Haftbefehl wegen Betruges gesucht.[23] Das Berliner Kammergericht stellte 1997 im Urteil zum Mykonos-Attentat rechtskräftig fest, dass der VEVAK und weitere iranische Regierungsmitglieder Auftraggeber und Drahtzieher des Mordanschlags waren.[24] Im Verlauf der Beweisaufnahme wurde 1996 deshalb vom Bundesgerichtshof ein Haftbefehl für den damaligen VEVAK-Chef Fallahian ausgestellt. Im Jahre 2006 folgten zwei weitere Haftbefehle für ihn, ausgestellt einmal durch einen Schweizer Untersuchungsrichter wegen des Mordes an Kazem Radschawi 1990[13] und der zweite durch die Staatsanwaltschaft in Buenos Aires, welche hochrangige Vertreter des Iran für den Bombenanschlag von 1994 auf das jüdische Kulturzentrum AMIA verantwortlich macht, wobei die Hisbollah für die Ausführung zuständig gewesen sei. Weitere internationale Haftbefehle wurden gegen den ehemaligen Staatspräsidenten Rafsandschāni beantragt und gegen weitere sieben mutmaßlich Beteiligte ausgestellt.[16][25] Die Glaubwürdigkeit der zugrunde liegenden Zeugenaussagen wurde wiederum von ehemaligen argentinischen Parlamentsabgeordneten in Zweifel gezogen.[26]
Nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) beschafft der Geheimdienst Informationen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Den Schwerpunkt bildet jedoch die Ausspähung und Bekämpfung von iranischen Oppositionsgruppen im Ausland, darunter auch der 100.000 Personen zählenden iranischen Diaspora in Deutschland.[2][27]
Nachgewiesen ist Ausbildungs- und Ausrüstungshilfe des Bundesnachrichtendienstes (BND) für den VEVAK im Jahre 1991.[28][29]
Die Villa Parkstraße 5 in Köln (Iran-Haus) wurde nach der Islamischen Revolution bis in die 1990er Jahre intensiv vom iranischen Geheimdienst genutzt. Deutsche Nachrichtendienste spielten im Juli 2000 dem SPIEGEL Informationen zu, wonach der VEVAK hinter den Tumulten vom April 2000 stecke, welche zum Abbruch der Iran-Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin führten. Außerdem sei beabsichtigt gewesen, den Besuch des damaligen Staatspräsidenten Mohammad Chātami in Berlin zu stören, um ihn im Iran zu diskreditieren.[30][31]
2016 verhängte das Berliner Kammergericht eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren und vier Monaten gegen einen 32-jährigen Iraner, der in Berlin und Köln Erkenntnisse über Mitglieder der Volksmudschahedin gesammelt und an die iranische Regierung weitergegeben hatte.[32]
2017 verurteilte das Berliner Kammergericht einen aus Pakistan stammenden Studenten wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten. Er hatte den französisch-israelischen Wirtschaftsprofessor David Rouach und den früheren Wehrbeauftragten des Bundestags und Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Reinhold Robbe ausgespäht. Der Student soll im Auftrag der al-Quds-Einheit operiert und für den Kriegsfall leicht zu treffende Anschlagsziele ausgekundschaftet haben.[33][34][35]
Am 15. Januar 2019 wurde Abdul-Hamid S. festgenommen, der als Sprachmittler bei der Bundeswehr gearbeitet hat. Er soll hochsensible Informationen an den iranischen Geheimdienst verraten haben.[36]
Koordinaten: 35° 45′ 4″ N, 51° 27′ 25″ O