Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).
Molybdän(IV)-sulfid, auch Molybdändisulfid genannt, mit der Formel MoS2, ist ein grauschwarzes, kristallines Sulfid des chemischen Elements Molybdän. Es ist in Wasser und in verdünnten Säuren unlöslich. Neben Molybdändisulfid sind auch noch weitere Molybdänsulfide bekannt.
In der Natur findet sich Molybdän(IV)-sulfid in Form zweier Minerale, die als Molybdänit (Molybdänglanz) und Jordisit bekannt sind, wobei letzteres zu den wenigen amorphen Mineralen gehört.[2]
Die Struktur von Molybdän(IV)-sulfid ist graphitartig, d. h. es besteht aus raumparallelen Schichten. Wie bei Graphit sind die Atome innerhalb einer Schicht in regelmäßigen Sechsecken angeordnet. Allerdings befinden sich an den Ecken der Sechsecke abwechselnd ein Molybdänatom und ein Schwefelatompaar, wobei je ein Schwefelatom über bzw. unter der Molybdänebene liegt. Von der Seite gesehen enthält jede Kristallschicht eine Molybdänlage, die ähnlich einem Sandwich zwischen zwei Schwefellagen liegt. Aufgrund der raumparallelen Anordnung sind die Kristallschichten leicht gegeneinander verschiebbar, was zu einem schmierenden Effekt führt. Die Schichtstruktur erlaubt es, quasi zweidimensionale Kristalle (ähnlich denen des Graphens) herzustellen.[4] Wie Graphit ist hexagonales Molybdän(IV)-sulfid ein Halbleiter und diamagnetisch.[5] Seine Bandabstandsenergie beträgt 1,2 eV, bei atomar dünnen Schichten (Monolagen) erhöht sich dieser Wert auf 1,8 eV.[6][7][8] Die Verbindung liegt in einer von zwei Modifikationen (2H und 3R) oder einer Mischung aus beiden vor, wobei die 2H-Form dominant ist.[9] Die Kristallstruktur der 2H-Form ist hexagonal mit der RaumgruppeP63/mmc (Raumgruppen-Nr. 194)Vorlage:Raumgruppe/194 und zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle.[10] Die 3R-Form besitzt die RaumgruppeR3m (Raumgruppen-Nr. 160)Vorlage:Raumgruppe/160.[11] Molybdän(IV)-sulfid ist ein Elektronenleiter, dessen Leitfähigkeit bei Belichtung zunimmt.[3] Molybdändisulfid ist in Wasser und verdünnten Säuren nicht löslich.
Molybdän(IV)-sulfid ist in Luft stabil; es wird aber oberhalb von 315 °C durch den Luftsauerstoff zu Molybdäntrioxid oxidiert:
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Unter Luftabschluss ist MoS2 bis etwa 930 °C stabil, wobei in der Literatur unterschiedliche Werte angegeben werden.[12] Der in der Literatur häufig angegebene Wert für die Schmelztemperatur von 1185 °C ist falsch, worauf 1959 schon Peter Cannon hinwies.[13] Er ermittelte eine Schmelztemperatur von mindestens 1800 °C und schätzte eine Schmelztemperatur von 2375 °C ab, falls sich Molybdän(IV)-sulfid nach der Tammann-Regel für Sintertemperaturen verhält.[14] Neuere Untersuchungen gehen von einem Schmelzpunkt von etwa 1600 °C unter Helium bei 1 bar für massives Molybdän(IV)-sulfid aus. Dabei hängt der tatsächliche Wert von der Bedingungen ab (z. B. Erhitzungsgeschwindigkeit, vorliegende Kristallform, …) und ist wegen der schon vorher beginnenden Zersetzung nicht einfach zu bestimmen. Für einlagige Molybdän(IV)-sulfid-Schichten geht man von einer Schmelztemperatur von 3700 K durch Dimerisation und weitere Bildung kleiner Polymere aus.[15]
Durch Wasserstoff wird es bei etwa 1100 °C zum dreiwertigen Sulfid Mo2S3 (Dimolybdäntrisulfid) reduziert.
Auch durch Butyllithium erfolgt eine Reduktion zur dreiwertigen Stufe, wobei sich Lithium zwischen die Schwefelschichten des MoS2 schiebt, es bildet sich die Interkalationsverbindung LiMoS2:
Fein pulverisiertes Molybdän(IV)-sulfid mit Teilchengrößen zwischen 0,1 und 40 µm ist ein trockenes technisches Schmiermittel.[17] Es wurde in den 1940er Jahren zuerst von der Firma Dow Corning unter dem Handelsnamen „Molykote“ vermarktet, der auch heute noch synonym für Molybdän(IV)-sulfid steht. Bei Dow Corning (heute DuPont[18]) werden jedoch heute auch andere Spezialschmierstoffe so genannt.[19] An der Luft wird es schon ab 85 °C sehr langsam oxidiert, wobei ein Einsatz als Schmierstoff bis etwa 370 °C möglich ist. Unter Ausschluss von Sauerstoff und Wasserdampf ist die Anwendung bis 1300–1400 °C möglich.[20] Bei verhältnismäßig geringem Luftzutritt, wie dies z. B. in der Praxis an Schrauben und Bolzenverbindungen gegeben ist, behält es bis zu 580 °C und darüber seine Schmierwirkung.[21]
Es wird häufig verschiedenen Schmierölen beigemengt, was zu einer Verbesserung der Gleitfähigkeit führt.[21] Dies führt neben einer längeren Lebensdauer von Maschinenbauteilen auch zur Schadensvorbeugung bei plötzlichen totalen Ölverlusten. Dabei kann die Schmierwirkung aufgrund der Haftwirkung des Öls eine Zeit lang aufrechterhalten werden, was z. B. bei Flugzeugtriebwerken, Ultrazentrifugen (z. B. der Firma Beckman Coulter unter der Bezeichnung Spinkote) und sonstigen lange nachlaufenden Triebwerken und Turbinen wichtig ist (siehe auch Notlaufeigenschaft).[22][23]
Ebenso finden mit Molybdän(IV)-sulfid angereicherte Fette Verwendung an Bauteilen, die schwer zugänglich sind, sodass die Wartungsintervalle sehr groß werden (wartungsfreie Verbindungen, Gelenkkonstruktionen etc.).[23]
Auch wird es bei der Massivumformung und generell bei Umformverfahren (Kalt-, Halbwarm- und Warmumformung) eingesetzt.[24] Es wird oft beim Bondern aufgebracht. Dies geschieht meistens mit einer Trägerschicht, auf der dann das Molybdän(IV)-sulfid aufgebracht wird.[25] Oft passiert das auch durch „Trommeln“. Dabei kommen die Teile in eine Art Waschmaschinentrommel und tauchen in das Bad ein, die Trommel verbleibt einige Zeit im Medium und dreht sich dabei. Die Teile drehen sich mit und benetzen sich mit Molybdän(IV)-sulfid.[26] Der Vorteil in der Massivumformung gegenüber normaler Seife ist die höhere Temperaturbeständigkeit des Festschmierstoffes. Ebenfalls zum Einsatz kommt es bei hohen Umformtemperaturen ≥ 200 °C (vor allem bei der Kaltmassivumformung), bedingt durch sehr hohe Umformung und somit hoher Reibung im Werkzeug.[23]
Es wird als schmierender Zusatz in speziellen Kunststoffen verwendet, vornehmlich bei Nylon oder Polyamide.[27]
Molybdän(IV)-sulfid wird zur Beschichtung von Geschossen von Feuerwaffen kleineren Kalibers verwendet.[28] Die Beschichtung führt zu einer geringeren Reibung zwischen Geschossmantel und Lauf. Hierdurch wird zum einen die Verschmutzung des Laufs durch Blei- oder Tombakreste verringert, zum anderen die Geschossgeschwindigkeit erhöht und in Summe die ballistischen Eigenschaften verbessert.[29]
Am Oak Ridge National Laboratory wurden selbstschmierende zusammengesetzte Schichten für Hochtemperaturanwendungen entwickelt. Dabei wird durch Kondensation des chemischen Dampfes von Molybdän(IV)-sulfid und Titannitrid eine Schmierschicht auf der Bauteiloberfläche erzeugt.[30]
Die kanadische Firma Moli Energy Limited stellte in den 1980er Jahren wiederaufladbare Zellen und Batterien mit MoS2 als Lithiumspeichermaterial her.[32][33][34] Sie lieferten eine Spannung unter 2 V. Nachdem sie aufgrund ihrer Lithiummetallanode wegen Sicherheitsbedenken 1989 vom Markt genommen worden waren, was zum Bankrott von Moli Energy führte, wurden sie von den heutigen Lithium-Ionen-Akkumulatoren abgelöst, die Spannungen von 3,5–4 V halten.
Im Jahr 2016 gelang Wissenschaftlern vom Berkeley National Laboratory die Herstellung eines Transistors mittels Molybdän(IV)-sulfid, bestehend aus Nickelelektroden sowie Nanoröhrchen aus Kohlenstoff als Steuerelektrode. Dieses ergab die Perspektive, kleinere Transistoren herzustellen als mit der damals verfügbaren fünf-Nanometer-Technologie für Silizium-Transistoren.[35] Untersuchungen des IMEC zeigen, dass MoS2 als 2D-Material die extreme Skalierung der Strukturen von Integrierten Schaltungen ermöglichen könnte.[36]
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