Motte-and-Bailey-Argument

Das Motte-and-Bailey-Argument ist ein von Nicholas Shackel beschriebener argumentativer Fehlschluss, bei dem ein Vertreter einer Theorie versucht, eine Position gegen Kritik aufrechtzuerhalten, indem er diese Position mit einer abgeschwächten oder möglicherweise nur bedeutungsähnlichen Version davon gleichsetzt, was dann in aller Regel als Richtig- oder Klarstellung deklariert wird.

Die ursprünglich getätigte Aussage ist dabei oft absichtlich kontrovers oder provozierend. Wird diese Position angegriffen, wechselt der Vertreter zu einer schwächeren Version, die nicht die gleiche Aussagekraft hat, aber einfacher zu verteidigen ist.[1] Der Argumentierende kann so behaupten, seine ursprüngliche Position habe weiterhin Gültigkeit, wenn es den Kritikern nicht gelang, die abgeschwächte Aussage zu widerlegen.[2]

Symbolzeichnung einer Turmhügelburg mit Burghof.

Die Metapher ist an den Aufbau bestimmter mittelalterlicher Burgen angelehnt, die aus einem Burghof (englisch „Bailey“) und einer Turmhügelburg (auch „Motte“ genannt) bestehen. Die Burgbewohner halten sich die meiste Zeit im Burghof auf, doch sobald sie angegriffen werden, ziehen sie sich in die besser befestigte Turmhügelburg zurück.[2] Der Burghof steht dabei für die gewagtere, ursprünglich getätigte Aussage, während die Motte für die abgeschwächte Version der Aussage steht, auf die zurückgegriffen wird, sobald die ursprüngliche Position Widerspruch bekommt.[1]

Begriffsgeschichte und verwandte Konzepte

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Der Begriff wurde 2005 durch den Philosophen Nicholas Shackel von der Universität Cardiff geprägt. Shackel sprach ursprünglich von der „Motte-and-Bailey-Doktrin“. Popularität erreichte der Begriff durch eine Erwähnung im vielbeachteten Blog Slate Star Codex im Jahre 2014.[3]

Andrew Aberdein stellt eine Verbindung zu dem von Leonard Nelson beschriebenen Konzept der „begrifflichen Erschleichung“ her. Nelson beschrieb damit einen Austausch von Begriffsinhalten, ohne die Bezeichnung dafür zu ändern.[4] Jens Kjeldgaard-Christiansen sieht die „truistische/radikale Vermischung“, beschrieben durch den Literaturwissenschaftler Joseph Carroll, als ein verwandtes Konzept an. Carroll definierte dieses als[5]

„die Vermischung oder das Hin- und Herwechseln zwischen Aussagen, die einerseits radikal absurd und andererseits schlicht und einfach wahr sind. Indem sie eine Ebene der Allgemeinheit finden, auf der die beiden Arten von Aussagen ineinander übergehen, können Rhetoriker die radikale Absurdität nutzen, um der Binsenweisheit den trügerischen Anschein eines stichhaltigen Arguments zu verleihen, und sie können die Binsenweisheit nutzen, um der radikalen Absurdität den Anschein von Überzeugungskraft zu verleihen.“

Joseph Carroll, 1995: Übersetzt aus dem Englischen

Ein Beispiel für diesen Fehlschluss findet sich in der Diskussion mit Kreationisten, die zunächst behaupten, biologische Systeme hätten eine nichtreduzierbare Komplexität, was bedeutet, durch das Entfernen irgendeines Teiles höre das System auf zu funktionieren. Dadurch, so das Argument, könne Leben nur schlagartig durch intelligentes Design und nicht durch evolutionäre Entwicklung entstanden sein. Wenn es Widerspruch für diese Position gibt, fallen Kreationisten oft auf eine andere Version des Argumentes zurück und führen an, es sei doch erwiesen, dass manche biologische Systeme aufhören zu funktionieren, wenn man ein oder mehrere Teile daraus entfernt. Dies wiederum ist eine triviale Beobachtung, die aber nicht die ursprüngliche Behauptung stützt und nicht die Evolutionstheorie invalidiert.[1]

Eine weitere Anwendung der Motte-and-Bailey-Argumentation kann laut Ben Burgis und Kollegen bei vielen konservativen Politikern beobachtet werden, die zunächst eine aufhetzerische Behauptung, z. B. gegen Geflüchtete, tätigen, und diese später durch eine schwächere Aussage relativieren.[6]

Einzelnachweise

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  1. a b c Maarten Boudry, Johan Braeckman: Immunizing Strategies and Epistemic Defense Mechanisms. In: Philosophia. Band 39, Nr. 1, März 2011, ISSN 0048-3893, S. 145–161, doi:10.1007/s11406-010-9254-9.
  2. a b Lawrence Patihis, Henry Otgaar, Steven Jay Lynn, Elizabeth F. Loftus, Richard J. McNally: The Recovered Memory Debate: Wins, Losses, and Creating Future Open-Minded Skeptics. In: Cory L. Cobb, Steven Jay Lynn, William O’Donohue (Hrsg.): Toward a Science of Clinical Psychology: A Tribute to the Life and Works of Scott O. Lilienfeld. Springer International Publishing, Cham 2022, ISBN 978-3-03114331-1, S. 384 f., doi:10.1007/978-3-031-14332-8.
  3. John Murawski: The 'Motte & Bailey': Political Jousting's Deceptive New Medieval Weapon | RealClearInvestigations. 19. Juni 2020, abgerufen am 9. Juni 2023 (englisch).
  4. Andrew Aberdein: Leonard Nelson: A Theory of Philosophical Fallacies: Translated by Fernando Leal and David Carus (Argumentation Library, Vol. 26) Springer, Cham, Switzerland, 2016, vi + 211 pp. In: Argumentation. Band 31, Nr. 2, Juni 2017, ISSN 0920-427X, S. 455–461, doi:10.1007/s10503-016-9398-2.
  5. Jens Kjeldgaard-Christiansen: Obscurantism in Academic Writing: What It Is and Why It Is Bad. In: Leviathan: Interdisciplinary Journal in English. Nr. 9, 23. März 2023, ISSN 2446-3981, S. 3, doi:10.7146/lev92023136279.
  6. Ben Burgis, Conrad Bongard Hamilton, Matthew McManus, Marion Trejo: Myth and Mayhem: A Leftist Critique of Jordan Peterson. John Hunt Publishing, 2020, ISBN 978-1-78904-554-3 (google.de [abgerufen am 5. Juni 2023]).