Klassifikation nach ICD-10 | |
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Q78.6 | Angeborene multiple Exostosen - Multiple kartilaginäre Exostosen |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Multiple kartilaginäre Exostosen ist die Bezeichnung für eine autosomal-dominant vererbte Erkrankung mit zahlreichen gutartigen knorpelbedeckten Knochentumoren. Da es sich um Osteochondrome handelt, die mit hyalinem Knorpel statt Faserknorpel bedeckt sind, ist die Bezeichnung „kartilaginäre“ Exostose eigentlich nicht korrekt.[1] Mit einer Inzidenz von etwa 1:50.000 zählt die Exostosenkrankheit zu den häufigsten Knochentumorerkrankungen,[2] Frauen und Männer sind gleich häufig betroffen. Bei etwa 70 % der Patienten liegt eine familiäre Form vor, etwa 30 % haben eine sporadische Form, also eine Neumutation.
Zum Zeitpunkt der Geburt sind Exostosen noch sehr selten, sie entstehen vor allem in der Kindheit und Jugend, bis zum Schluss der Wachstumsfugen. In dieser Zeit nehmen die Exostosen auch an Größe zu. Nach Ende des Wachstums bilden sich keine weiteren Exostosen, und eine spätere Größenzunahme ist dann ein Zeichen einer malignen Transformation (Entartung), d. h. Umwandlung in einen bösartigen Knochentumor. In etwa 3 – 5 % tritt ein sekundäres Chondrosarkom auf.
Die Exostosenkrankheit kann selten völlig asymptomatisch sein, die Ausprägung (Phänotyp) ist aber hochgradig variabel, selbst in einer Familie. Bei etwa 19 % finden sich maximal fünf Exostosen, bei etwa 19 % sind es mehr als zwanzig.
Ganz generell werden die klinischen Probleme durch Deformitäten und funktionelle Einschränkungen geprägt, woraus die klinische Einteilung der Ausprägung nach Pedrini in drei Klassen und jeweils zwei Untergruppen resultiert:[3]
Da die Exostosen metaphysär in Nähe der Wachstumsfugen ausgehen, finden sie sich oft in Gelenknähe und führen dort zu Bewegungseinschränkungen, achsabweichendes Wachstum mit Deformierungen und Hypoplasie (Minderwuchs) einzelner Knochen bis zum generellen Kleinwuchs. Typische Fehlstellungen sind:
Die Exostosen können aber auch in der direkten Nachbarschaft stören und Nerven, Gefäße oder Sehnen komprimieren und so Schmerzen und motorische Probleme auslösen.
Mitunter finden sich auch Foramina parietalia permagna.[5]
Der Exostosenkrankheit liegt fast immer eine Mutation eines der beiden Gene EXT1 (65 %) oder EXT2 (25 %) zugrunde. In der Regel führen die Mutationen zu verkürzten und komplett oder teilweise funktionslosen EXT-Proteinen. Die beiden EXT-Proteine sind ubiquitär vorkommende Transmembran-Glycoproteine, die an der Verlängerung von Heparan-Sulfat-Glykosaminoglykan-Ketten (HS-GAG) der Matrix-Proteoglykanen beteiligt sind, die wiederum im Rahmen des Zellwachstums und der Differenzierung von Knorpelzellen eine wichtige Rolle spielen.
Die Behandlung richtet sich nach den Störungen und umfasst Schmerztherapie, Physiotherapie und chirurgische Eingriffe zum Abtragen störender Exostosen und zur Deformitätenkorrektur. Jedoch sind die Ergebnisse nicht immer zufriedenstellend, insbesondere bei multiplen Operationen.