Als Noctilien werden die Nachtbuslinien im Großraum Île-de-France bezeichnet. Organisiert wird der Nachtbusverkehr vom für den ÖPNV zuständigen Aufgabenträger, dem Syndicat des transports d’Île-de-France, betrieben werden sie von der RATP und der SNCF und nehmen meist ihren Ursprung in Paris. Sie verkehren nach Betriebsschluss der Métro und der normalen Buslinien, etwa zwischen 0:30 und 5:30 Uhr.
Die ersten beiden Nachtbusse waren bereits 1910 unterwegs. Sie verkehrten zwischen den Pariser Markthallen im Quartier des Halles mit dem Rathaus des 18. Arrondissements im Norden der Stadt bzw. mit der Avenue de Clichy im Nordwesten. Aber bereits 1914 wurden die Linien wieder eingestellt.
1921 entstand dann das erste echte Netz mit 5 Linien, die von den großen Einfallsstraßen nach Paris wieder in das Quartier des Halles führten, wo viele Arbeiter bereits am frühen Morgen, noch vor Betriebsanfang der Busse und Metrolinien an der Arbeitsstelle sein mussten. Während des Zweiten Weltkriegs wurde radikal vereinfacht: es gab nur noch spezielle Verbindungsfahrten zu den Markthallen; die ersten Fahrten fanden ab 5 Uhr morgens statt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden zwei verschiedene Nachtbusnetze: Zum einen das Netz für Fahrgäste und zum andern für den Transport der Betriebsangehörigen: Ab Juli 1947 wurde das H-Netz (Service des Halles, die Busse waren mit dem Buchstaben „H“ gekennzeichnet) geschaffen: Es war insbesondere für die zahlreichen Beschäftigten der Markthallen bestimmt, welche in der Regel um 5 Uhr ihre Arbeit aufnahmen. Die ersten Busse fuhren zwischen 3:55 Uhr und 4:30 Uhr an den Endstationen der Regionalzüge ab. Die seit 1949 existierende RATP, welche auch den Busverkehr verwaltete, verringerte im Jahr 1955 dieses Bus-Netz beträchtlich. Es blieben 13 Linien, auf welchen die Busse aus den umgebenden Gemeinden, bzw. von den Haupteinfallstoren in das Quartier des Halles fuhren. Die Betriebszeiten gingen von 1 Uhr bis 6 Uhr. Die Fahrten erfolgten im Stundentakt. Nach dem Umzug des Großmarkts nach Rungis wurde 1969 eine Buslinie dorthin eingerichtet.
Ab 1948 gab es zusätzliche Fahrten, auf denen die RATP-Angestellten nach Arbeitsende nach Hause, bzw. vor Betriebsaufnahme an ihre Arbeitsstätte befördert wurden. Dies waren die sog. Transports du personnel (TP). Diese Busse befuhren nur die wichtigsten Strecken. Die Streckenführung konnte je nach Bedarf (=Wohnort der Fahrgäste) auch leicht variiert werden. Später durften auf den TP-Bussen auch andere Fahrgäste – nach Erwerb einer Fahrkarte – mitfahren. Mitte der 1990er Jahre waren ca. 40 % der Fahrgäste nicht bei der RATP beschäftigt.
1997/98 wurden die beiden Nachtbusnetze Noctambus und Transport du Personnel trotz Widerstands der Gewerkschaften vereinigt.[1]
Mit der Bezeichnung busdenuit wurden zwei Linien geführt:
Die Busse ab Roissy fuhren von 0:00 Uhr bis 4:30 Uhr im Halb-Stunden-Takt und bedienten abwechselnd die eine und dann die andere Strecke. Ein Fahrschein Paris – Roissy kostete 8 Euro. Für die Gesamtstrecke Roissy – Corbeil-Essonnes wurden 13 Euro berechnet.[2]
Das 1987 ins Leben gerufene Noctambus-Netz wurde 1997 neu geordnet und bestand schließlich aus 18 Linien. Es waren (fast) alles Radiallinien, die vom Châtelet als zentralen Ausgangspunkt bis zu ca. 15 km weit in die nähere Umgebung von Paris führten. Drei Linien waren als Zweiglinien anderer Strecken zu sehen und begannen erst weiter außen. Die Linien waren mit Großbuchstaben A, B, C, ..., S, T, V bezeichnet, wobei nicht alle Buchstaben vergeben waren.
Die Liste der Noctambus-Linien nach der Restrukturierung von 1997:
Linie | Verbindung | Neue Streckennummer im Noctilien-Netz |
---|---|---|
A | Paris Châtelet ↔ Bezons – Grand Cerf | N24 |
B | Paris Châtelet ↔ Gare d’Argenteuil RER | N52 |
C | Paris Châtelet ↔ Epinay-sur-Seine Lacépède | N51 |
D | Paris Châtelet ↔ Pierrefitte-Stains | N44 |
E | Paris Châtelet ↔ Aulnay-sous-Bois Garonor | N42 |
F | Paris Châtelet ↔ Gare de Chelles-Gournay RER | N23 |
G | Paris Châtelet ↔ Noisy-le-Grand Mont d’Est RER | N34 |
H | Paris Châtelet ↔ Nogent-Le-Perreux RER | N33 und N35 |
I | Paris Porte d’Italie ↔ Athis-Mons ↔ Pyramide de Juvisy | N31 |
J | Paris Châtelet ↔ Massy-Palaiseau RER | 21 |
K | Paris Châtelet ↔ Clamart – Georges Pompidou | N53 und N61 |
L | Paris Châtelet ↔ Sous-Préfecture – Église de l’Haÿ-les-Roses | N21 und N62 |
M | Paris Châtelet ↔ Sucy-Bonneuil RER | N32 |
P | Paris Châtelet ↔ Garges-Sarcelles RER | N43 |
R | Paris Châtelet ↔ Chevilly-Larue – Marché international de Rungis | N22 |
S | Paris Porte d’Orléans ↔ Clamart – Georges Pompidou | N62 und N63 |
T | Nanterre – Boulevard de la Seine ↔ Pont de Neuilly | N53 |
V | Pantin – Mairie RER ↔ Sevran-Livry RER | N41 |
Zum Schluss kostete eine Noctambus-Fahrkarte 2,70 Euro und berechtigte zu einer Fahrt mit einmaligem Umsteigen. Die Betriebszeiten gingen jede Nacht von 1 Uhr bis 5:35 Uhr.
Das Nachtbusnetz mit Namen Noctilien nahm in der Nacht vom 20. zum 21. September 2005 seinen Dienst auf. Die bisherigen Nachtbusnetze der RATP (Noctambus) und der SNCF (Bus de Nuit) wurde zu einem Netz zusammengefasst, wobei alle Noctambus-Linien – teilweise abgeändert – übernommen wurden. Dies ermöglichte die Schaffung neuer Linien mit einer verbesserten Linienführung, was den Erwartungen des Publikums besser entgegenkam.
Insgesamt wurde das Streckenangebot in etwa verdoppelt, vor allem durch Linien, die weit ins Umland von Paris hinausfahren.
War das bisherige Nachtbusnetz allein auf die Station Châtelet zentriert, so hat das neue Netz innerhalb von Paris fünf zentrale Busbahnhöfe (nämlich Gare de Lyon, Gare de l’Est, Gare St-Lazare, Gare Montparnasse und Châtelet) von denen die Busse aus ihre Fahrten starten.
Vom Publikum wurde das neue Angebot von Anfang an gut angenommen: Innerhalb weniger Monate stieg die Zahl der Benützer um fast 50 %. Im Mai 2006 waren es mit 560 000 Reisenden sogar um 65 % mehr als im gleichen Monat des Vorjahres (d. h. vor Einführung des Noctilien). Innerhalb der ersten 6 Monate beförderten die Noctilien-Busse 2,6 Millionen Fahrgäste. Neben den Zeitkarten (Tages-, Wochen-, Monats bzw. Jahresgarten) waren nun auch die Einzelfahrkarten (das sog. Ticket t, bzw. sein Nachfolger das Ticket t+), welche auch für die Metro benützt werden können, gültig. Beim vorhergehenden Nachtbussystem Noctambus waren hingegen besondere Fahrkarten vorgeschrieben.
Angetrieben durch den Erfolg der Neuordnung des Nachtbusverkehrs, wurde bereits im Sommer 2006 Erweiterungen des Streckennetzes beschlossen, welche zum Fahrplanwechsel im Dezember 2006 in Kraft traten: Die RATP bot 5 neue Linien an, 2 davon wurden aus technischen Gründen an Subunternehmen vergeben. Die SNCF fügte 3 weitere Strecken hinzu. Eine bereits bestehende Strecke wurde verlängert.
Ohne neue Linien einzuführen, kam es Ende Juni 2009 zu einigen Änderungen im Streckennetz: auf manchen Strecken wurden zusätzliche Fahrten eingeschoben; die Linienführung wurde teilweise geändert, insbesondere auf Streckenabschnitten, welche von 2 Linien angefahren werden: hier wurde die eine Linie in bisher nicht bediente Stadtteile verlegt. Besonders lange Linien bzw. Linien mit komplexer Streckenführung wurden in 2 Linien aufgespalten. Andererseits kam es auch auf manchen Linien zu einer Verringerung der Zahl der Fahrten, bzw. zur Schließung einzelner Haltestellen.[3]
Bei Einführung des Noctilien-Netzes waren es 35 Linien; seit 2009 sind es 47 Linien:
Es werden mehr als 200 Gemeinden der Ile de France bedient und pro Jahr werden mehr als 7 Millionen Buskilometer zurückgelegt.[5][6]
Die Bezeichnung der insgesamt 48 Linien folgt klaren und eindeutigen Nomenklaturregeln. Die Liniennummern sind zwei- oder dreistellig. Die dreistelligen Liniennummern beginnen mit einer 1: Dies zeigt an, dass der Bus auch in die weiter entfernten Vororte fährt. Diese Busse werden – bis auf zwei Ausnahmen – von der SNCF betrieben. Die Zehnerstelle der Liniennummer gibt Aufschluss über den Startpunkt der Linie in Paris.[7] Hier die Linien im Einzelnen (Stand: November 2023):
Angaben in Millionen Fahrgästen.[8]
Jahr | 2000 | 2001 | 2002 | 2003 | 2004 | 2005 | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012 | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Noctambus | 2,9 | 3,1 | 3,3 | 3,5 | 3,8 | Noctilien(RATP) | 4,3 | 6,5 | 7,0 | 7,2 | 7,6 | ? | ? | ? |
Bus de Nuit | – | 0.08 | 0,11 | 0,13 | 0,14 | Noctilien(SNCF) | 0,29 | 0,55 | 0,74 | 0,85 | 0,87 | ? | ? | ? |
Gesamt | 2,9 | 3,2 | 3,4 | 3,6 | 3,9 | Noctilien(insgesamt) | 4,6 | 4,5 | 7,0 | 7,2 | 7,6 | 8,0 | 8,4 | 8,4 |
Angaben in Millionen Fahrgästen.
Aus der Statistik für das Jahr 2009 ergibt sich außerdem, dass an den Wochentagen im Durchschnitt jede Nacht 19 000 Fahrgäste die Noctilien-Busse benutzen, an den Nächten vor dem Wochenende bzw. an den Wochenenden und Feiertagen wurden im Schnitt 31 000 Benützer gezählt. An besonderen Tagen (z. B. Sylvester bzw. Fête de la Musique) sind mit dem Noctilien 40 000 Fahrgäste unterwegs. Während der Woche sind 157 Fahrzeuge im Einsatz, am Wochenende sind es 224.[5]
Im Jahr 2012 bestand das Noctilien-Netz aus 47 Linien. Die Linien mit zweistelliger Nummer und die Linien N122 und N153 – insgesamt sind es 31 Linien – werden von der RATP verwaltet. 16 Linien – alle dreistelligen Linien, mit Ausnahme von N122 und N153 – werden von der SNCF betrieben.[9]
Die RATP-Strecken haben eine Gesamtlänge von 630 km, dort gibt es 1043 Haltestellen. Die SNCF-Strecken sind 720 km lang, an denen 208 Haltestellen liegen.