Nollendorfplatz „Nolle“, „Nolli“ | |
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Platz in Berlin | |
Luftaufnahme mit dem U-Bahnhof Nollendorfplatz in der Mitte | |
Basisdaten | |
Ort | Berlin |
Ortsteil | Schöneberg |
Angelegt | 1862–1864 |
Einmündende Straßen | Kleiststraße, Bülowstraße, Motzstraße, Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße, Maaßenstraße, Else-Lasker-Schüler-Straße |
Bauwerke | Metropol-Theater, Bahnhof Nollendorfplatz |
Nutzung | |
Nutzergruppen | Fußgänger, Radfahrer, Straßenverkehr, ÖPNV |
Platzgestaltung | Peter Joseph Lenné |
Der Nollendorfplatz liegt im Norden des Berliner Ortsteils Schöneberg im Bezirk Tempelhof-Schöneberg und ist mit einer weitläufigen Straßenkreuzung ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt der Hauptstadt. Der gleichnamige U-Bahnhof wird von vier Linien der Berliner U-Bahn bedient.
Auf der im Norden am Großen Stern mit der Siegessäule im Tiergarten beginnenden Straßenachse folgen Lützow- und Nollendorfplatz. Rund 200 Meter weiter südlich liegt der Winterfeldtplatz.
Ab 1864 trug das Areal den Namen der nordböhmischen Ortschaft Nollendorf (tschechisch: Nakléřov), Schauplatz der Schlacht bei Kulm und Nollendorf, und wurde 1880 als Platz auf der Grenze zwischen der damaligen Stadt Charlottenburg und der Gemeinde Schöneberg angelegt. Sein ursprünglicher Charakter als typischer Berliner Schmuckplatz des 19. Jahrhunderts und Teil des Generalszugs ist heute nicht mehr erkennbar.
Der Nollendorfplatz entstand als Teil des Generalszugs, einer Folge von Straßen und Plätzen, die im 19. Jahrhundert – bis etwa 1880 – in den heutigen Ortsteilen Schöneberg und Kreuzberg ausgebaut wurden. Die Arbeiten basierten auf älteren Planungen des königlich-preußischen Generalgartendirektors Peter Joseph Lenné (1789–1866) und auf dem Hobrecht-Plan von 1862, einem umfassenden Bebauungsplan, der unter anderem eine Gürtelstraße an der Peripherie des damaligen Berlin vorsah. Die Bezeichnungen der einzelnen Abschnitte beziehen sich auf Heerführer und Schauplätze aus den Befreiungskriegen 1813–1815 gegen Napoleon Bonaparte. Der Nollendorfplatz erhielt seinen Namen am 27. November 1864. Er erinnert an die für das Königreich Preußen siegreiche Schlacht bei Kulm und Nollendorf (heute in Tschechien) Ende August 1813. Kommandierender General war Friedrich von Kleist, der nach dem Sieg den Adelstitel Graf mit dem Beinamen ‚von Nollendorf‘ erhielt; er ist Namensgeber der Kleiststraße, die vom im Westen liegenden Wittenbergplatz zum Nollendorfplatz hin führt. Die nach Osten zum Dennewitzplatz weiterführende Bülowstraße ist nach General Friedrich Wilhelm von Bülow benannt.
Der Platz wurde 1880 nach den Vorstellungen von Peter Josef Lenné angelegt. In der Mitte des Platzes befand sich eine kleine, parkähnliche Anlage, charakteristisch für die städtischen Schmuckplätze der Zeit: Eine kreisrunde Rasenfläche, zum Teil mit Blumen bepflanzt und von Baumreihen umgeben.
Der südöstliche Teil des Platzes gehörte zu Schöneberg, der nordwestliche, etwas größere Teil zu Charlottenburg, beide seinerzeit noch selbstständige Gemeinden. Die Grenze der Stadt Berlin verlief etwa 200 Meter nördlich des Platzes. Die geteilten Zuständigkeiten führten wiederholt zu Differenzen in Angelegenheiten, die den Platz betrafen. Umstritten war beispielsweise die Frage, an welcher Stelle die von Osten herangeführte Hochbahn zur Untergrundbahn werden sollte; Anwohner hatten gegen Lärmbelästigung und ungünstigere Lichtverhältnisse protestiert.
Die Berliner Gebietsreform mit Wirkung zum 1. April 1938 hatte zahlreiche Begradigungen der Bezirksgrenzen sowie einige größere Gebietsänderungen zur Folge. So wurde auch das gesamte Areal des Nollendorfplatzes Schöneberger Gebiet.
Der Bau des U-Bahnhofs Nollendorfplatz mit dem Hochbahnviadukt um die Wende zum 20. Jahrhundert war ein erheblicher Eingriff in die Struktur des Platzes (→ Geschichte der Berliner U-Bahn). Nach Beendigung der umfangreichen Arbeiten wurden jedoch die Grünanlagen nach Plänen der Stadt Charlottenburg und auf Kosten der Hochbahngesellschaft aufwendig wiederhergestellt. Zeitgenössische Fotografien zeigen, dass die Anmutung des Platzes als Schmuckplatz im Wesentlichen erhalten geblieben war. Unterhalb der Hochbahnkonstruktion wurde 1904 der Nickelmannbrunnen des Bildhauers Ernst Westphal angebracht.[1]
Im Zweiten Weltkrieg erlitten der Nollendorfplatz und die umliegenden Bauten bei den Luftangriffen der Alliierten und der Schlacht um Berlin schwere Schäden. Die zerstörten Gebäude wurden ohne ersichtliches Gesamtkonzept durch Neubauten ersetzt. Der Platz selbst wurde nach 1971 verkehrsgerecht ausgebaut; das geschah vor allem zugunsten der Kleist- und der Bülowstraße, die als vielbefahrene Durchgangsstraßen Teil der schnellsten Verbindung zwischen den Ortsteilen Kreuzberg und Charlottenburg sind. Heute besteht der Platz hauptsächlich aus dem U-Bahn-Gebäude, zwei breiten Straßen beidseitig der Hochbahntrasse und einem ausgedehnten Kreuzungsbereich. Auf einer Restfläche wurde ein Parkplatz angelegt.
Auf der Schöneberger Seite hatten einst große Baugesellschaften und Banken die Erschließung und Bebauung des umliegenden Areals übernommen. Am Rand des Nollendorfplatzes entstanden repräsentative Gebäude, dagegen wurden die Grundstücke in der Bülowstraße kompakt bebaut mit Häusern, die man wegen ihrer beengten Wohnverhältnisse bald Mietskasernen nannte. Bis zum Gründerkrach von 1873 war diese Entwicklung im Wesentlichen beendet. Nördlich des Platzes entwickelte sich eine ganz andere Siedlungsstruktur. Der Gemüsegärtner und Landbesitzer Georg Friedrich Kielian (1806–1876) ließ zwischen 1867 und 1870 auf seinen nun parzellierten Äckern eine Villenkolonie ausschließlich für zahlungskräftige und vornehme Interessenten anlegen. Heute sind nur noch wenige der einst rund 60 Villen vorhanden. Die Bezeichnungen Kielgan-Viertel und Kielganstraße erinnern, wenn auch in falsch übernommener Schreibweise, an den Gründer des Stadtviertels.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden am Nollendorfplatz drei markante Bauwerke errichtet:
Die Biografien bekannter Persönlichkeiten, überwiegend aus künstlerischen Berufen, sind mit dem Nollendorfplatz und seiner näheren Umgebung verbunden. Eine Auswahl (alphabetisch):
Die Umgebung rund um den Nollendorfplatz ist Schauplatz des Kinderbuches Emil und die Detektive (1929) von Erich Kästner. Christopher Isherwoods Bücher Mr. Norris steigt um (1935) und Leb wohl, Berlin (1939) spielten teilweise in der nahe liegenden Nollendorfstraße und den traditionsreichen Schwulenkneipen wie dem Eldorado, das auch von Erika und Klaus Mann beschrieben wurde.
Der Nollendorfplatz gilt seit langem als das westliche Zentrum der Lesben- und Schwulenszene in Berlin. Für Besucher ist es einer der Höhepunkte des LGBT-Tourismus in der gesamten Stadt.[7] Ihr Bereich umfasst die traditionsreiche Kneipenszene und multikulturelle Restauration der umliegenden Straßen wie Motzstraße, Maaßenstraße, Eisenacher Straße und Nollendorfstraße bis hin zur Goltzstraße am nicht weit entfernten Winterfeldtplatz. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden die von Homosexuellen besuchten Lokale rund um den Nollendorfplatz geschlossen oder durch Razzien „zur Anlegung von ‚Rosa Listen‘ [Homosexuellen-Karteien] missbraucht“.
Heute befinden sich am Nollendorfplatz das schwule Beratungs- und Informationszentrum Mann-O-Meter, sowie der schwul-lesbische Buchladen Bruno’s. An der Einmündung der Motzstraße auf den Nollendorfplatz steht das Objekt Regenbogenstele des Künstlers Salomé, gestiftet von der Vereinigung der schwulen Wirte des Viertels. Seit 1993 findet alljährlich an zwei Sommertagen – im Regelfall am dritten Juniwochenende, eine Woche vor dem Christopher Street Day – in mehreren Straßen um den Nollendorfplatz das Lesbisch-schwule Stadtfest Berlin statt. 2007 hatte es 420.000 Besucher, es ist heute das größte homosexuelle Straßenfest in Europa.
Anlässlich einer Demonstration gegen den Besuch des damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan kam es am 11. Juli 1982 zu einer der schwersten Straßenschlachten der West-Berliner Geschichte. Trotz eines berlinweit geltenden Demonstrationsverbots, das der Senat verhängt hatte, versammelten sich zahlreiche Personen auf dem Nollendorfplatz. Die Berliner Polizei versuchte, die Anwesenden über Blockaden der Zufahrtsstraßen auf dem Platz einzukesseln. Daraufhin begannen Autonome, die Polizei mit Pflastersteinen zu bewerfen. Ihnen gelang es, über die Bülowstraße einen Fluchtweg freizukämpfen. Das Geschehen verlegte sich auf die Gegend um den Winterfeldtplatz, wo die Polizei Jagd auf flüchtende Demonstranten machte. Insgesamt kam es zu Verletzten auf beiden Seiten sowie hohen Sachschäden. Das Pressefoto eines ausgebrannten Polizeitransporters auf dem Nollendorfplatz gewann in der autonomen Szene als Poster Kultstatus.[8]
Koordinaten: 52° 29′ 57″ N, 13° 21′ 14″ O