Pastiche

Ein Pastiche (IPA: [pasˈtiːʃ][1], anhören/?; von französisch pastiche = Nachahmung, italienisch pasticcio = Paste) ist ein Kunstwerk literarischer, musikalischer, filmischer oder architektonischer Art, welches offen das Werk eines vorangegangenen Künstlers imitiert.

Der Pastiche ist ein intertextuelles Werk, insofern es ein Original imitiert. Die Art der Imitation kann dabei entweder von Hochachtung oder von Satire geprägt sein. Im Fall von Hochachtung liegt eine Hommage vor, bei Satire spricht man von einer Parodie. Von der Fälschung unterscheidet es sich dadurch, dass es seine Epigonalität offen deklariert.[2]

Das Motiv für die enge Anlehnung an den Stil des imitierten Textes kann einerseits im Mangel an Persönlichkeitsbewusstsein des Autors liegen, der sich keine eigenen Stilentscheidungen zutraut, oder in parodistischer Absicht.[3] Auch eine Hommage kommt als Motiv in Betracht.[4]

Pastiches waren seit dem 17. Jahrhundert insbesondere in der französischen Literatur beliebt. Sie finden sich unter anderem in den Werken von Jean de La Bruyère, Nicolas Boileau, Denis Diderot, Honoré de Balzac, Gustave Flaubert und Paul Verlaine. 1919 legte Marcel Proust seine Pastiches et mélanges vor. Beispiele aus der deutschsprachigen Literatur lieferten Clemens Brentano, der in seinen Chronika eines fahrenden Schülers 1805 den Stil einer spätmittelalterlichen Chronik imitierte, sowie 1843 Wilhelm Meinhold mit Maria Schweidler, die Bernsteinhexe, ein Pastiche des barocken Chronikstils. Literarisch besonders bedeutsam ist Thomas Manns Roman Der Erwählte von 1950, in dem er unter anderem mittelalterlichen Legendenstil imitiert.[5]

Pastiches stellen ein häufiges Stilmittel der postmodernen Literatur dar: So imitiert John Barth in seinem Tabakhändler 1960 Sprache und literarische Konventionen des 18. Jahrhunderts, namentlich von Henry Fielding und Laurence Sterne.[6] Patrick Süskinds Roman Das Parfum aus dem Jahr 1986 enthält mehrere Pastiches von Werken der deutschen Literatur, darunter Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausens Simplicissimus, Manns Zauberberg und Günter GrassBlechtrommel.[7] Thomas Pynchon baute in seinen Roman Gegen den Tag von 2008 Pastiches mehrerer Genres der Populärliteratur um 1900 ein, etwa des Wildwestromans, des Spionagethrillers und des Jugendbuchs.[8]

Fantasie-Vedute von Francesco Guardi

Die Begriffe Pasticcio, Pastiche und Capriccio sind in der bildenden Kunst seit dem 17. Jahrhundert gebräuchlich. Gemeint sind damit Kunstwerke, bei deren Herstellung die Arbeiten mehrerer Künstler als Vorbild dienten, bzw. Landschaftsbilder oder Veduten, deren Elemente willkürlich zusammengestellt und nicht nach realen Vorbildern gemalt wurden.

In der klassischen Musik spricht man von einem Pasticcio, im Hip-Hop von einem Type Beat.[9]

Das deutsche Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes vom Mai 2021 spricht von Pastiches, Parodien und Zitaten, um Memes zu beschreiben, die auch künftig erlaubt bleiben sollen.[10] Der dazugehörige § 51a ist seit dem 7. Juni 2021 in Kraft. Bis der Begriff durch die Rechtsprechung präzisiert wird, ist der Anwendungsbereich und damit der Eintritt der mit der Einführung beabsichtigten Wirkungen offen.[11]

Sekundärliteratur

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Wiktionary: Pastiche – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Pastiche, der. In: duden.de. Abgerufen am 30. Juni 2021.
  2. Jan Erik Antonsen: Pasticcio, Pastiche. In: Klaus Weimar et al. (Hrsg.): Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2007, Bd. 3, ISBN 978-3-11-091467-2, S. 34 (abgerufen über De Gruyter Online)
  3. Gero von Wilpert: Pastiche. In: Sachwörterbuch der Literatur (= Kröners Taschenausgabe. Band 231). 4., verbesserte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 1964, DNB 455687854, S. 499.
  4. Jan Erik Antonsen: Pasticcio, Pastiche. In: Klaus Weimar et al. (Hrsg.): Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2007, Bd. 3, ISBN 978-3-11-091467-2, S. 34 (abgerufen über De Gruyter Online)
  5. Jan Erik Antonsen: Pasticcio, Pastiche. In: Klaus Weimar et al. (Hrsg.): Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2007, Bd. 3, ISBN 978-3-11-091467-2, S. 35 (abgerufen über De Gruyter Online)
  6. Buell Wisner: Textual Relics and Metaphysical Flux: Anti-Historicism in John Barth’s The Sot-Weed Factor. In: CEA Critic76, Heft 1 (2014), S. 37–51, hier S. 38 f.; academia.edu abgerufen am 21. Oktober 2018.
  7. Ingeborg Hoesterey: Pastiche. Cultural Memory in Art, Film, Literature. Indiana University Press, Bloomington 2001, S. 100.
  8. David Seed: Thomas Pynchon. In: Timothy Parrish (Hrsg.): The Cambridge Companion to American Novelists. Cambridge University Press, New York 2013, S. 268.
  9. Was sind Type Beats? In: tune-battle.de. Abgerufen am 16. Dezember 2021.
  10. Felix Reda: Urheberrecht: Die Geister, die die Musikindustrie rief. sueddeutsche.de, 17. Dezember 2020.
  11. Till Kreuzer: Der Pastiche im Urheberrecht. Gutachten im Auftrag der Gesellschaft für Freiheitsrechte, September 2022