Paul Scheerbart begann 1885 das Studium der Philosophie und der Kunstgeschichte. Ab 1887 lebte er als Dichter in Berlin und versuchte, das Perpetuum mobile zu erfinden. 1892 gründete er den „Verlag deutscher Phantasten“. Zeitlebens war er in finanziellen Schwierigkeiten. Nach verschiedenen Veröffentlichungen, unter anderem in der Zeitschrift Kampf, verschaffte ihm sein RomanDie große Revolution, der 1902 im Insel Verlag erschien, Anerkennung in literarischen Kreisen, allerdings ohne nennenswerte Verkaufszahlen zu erreichen. Der junge Ernst Rowohlt verlegte 1909 Scheerbarts skurrile Gedichtsammlung Katerpoesie als eines der ersten Bücher des Rowohlt Verlags. Der Schlussvers des Gedichts Sei sanft und höhnisch lautet: „Charakter ist nur Eigensinn. Es lebe die Zigeunerin!“ Diesen Vers pflegte Rowohlt oft zu zitieren.[3][4][5]
Georg Hecht rechnete Paul Scheerbart „zu den ganz großen Könnern in der literarischen Kunst Deutschlands“:
„Hier aber ist die ganz gewöhnliche Sprache, hier sind die ganz gewöhnlichen Worte, keine schönen Bilder, kein Reichtum von seltenen Vergleichen. Es versteht sich von selbst, daß dieser scheerbartische Stil sehr viel Ruhe, sehr viel Andacht vom Leser verlangt, die Kunst des langsamen Lesens voraussetzt, wenn überhaupt gemerkt, gefühlt werden soll, daß die Sprache Scheerbarts nicht schlechthin die der Straße ist, sondern sich durchaus nicht und in keinem Punkte gehen läßt und eine plötzliche Treffsicherheit und Kürze hat, die sich kaum beschreiben ließe.“
Scheerbarts phantasievolle Aufsätze über Glasarchitektur beeinflussten die damaligen jungen Architekten wie Bruno Taut, aber auch Walter Benjamins Passagenwerk. Benjamin verfasste bereits 1917 einen bewundernden Essay über das Buch Lesabéndio, das, wie einige Werke Scheerbarts, auf fernen Planeten spielt.[7] Zu dem Berliner Freundes- und Trinkerkreis gehörte auch Erich Mühsam, der Scheerbart in seinen Unpolitischen Erinnerungen ein Kapitel widmete. Scheerbart war zudem eng mit Richard Dehmel befreundet. Seine Ideen zum Theater beeinflussten Alfred Jarry.
Scheerbart war verheiratet mit Anna Scheerbart, geborene Sommer, verwitwete Scherler, von der sich in seinen Gesammelten Werken (Band 10.2) drei kürzere Texte finden.
Paul Scheerbart starb am 15. Oktober 1915 infolge eines Gehirnschlags. Von Walter Mehring stammt die unbewiesene Behauptung, Scheerbart sei an Entkräftung gestorben: Er habe als überzeugter Pazifist aus Protest gegen den Ersten Weltkrieg jede Nahrungsaufnahme verweigert. Paul Scheerbart wurde auf dem Park-Friedhof Berlin-Lichterfelde (3 C Nr. 391) bestattet, das Grab ist nicht erhalten.
Nachlassverwalter wurde Hellmut Draws-Tychsen.
Gesammelte Werke. Thomas Bürk u. a. (Hrsg.). Linkenheim (Bd. 1–7); Bellheim (Bd. 8–10,2), Edition Phantasia Bd. 1,1986 – Bd. 10.2,1996. (10 in 11 Teilbänden), ISBN 978-3-924959-43-2
Dichterische Hauptwerke. (..., hrsg. und mit Anmerkungen versehen von Else Harke). Goverts, Stuttgart 1962. (Neue Bibliothek der Weltliteratur).
Jenseitsgalerie. Gesammelte Zeichnungen. Hrsg. von Mechthild Rausch. Renner, München 1981, ISBN 3-921499-20-8
Meine Tinte ist meine Tinte. Prosa aus Zeitschriften. Eulenspiegel-Verlag, Berlin 1986. Lizenzausgabe: Müller u. Kiepenheuer, Hanau, Main [1988 ?] ISBN 3-7833-6708-5
Der Kaiser von Utopia und Das graue Tuch und zehn Prozent Weiß. 2 utopische Romane. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 1988 (Phantastische Bibliothek Bd. 218), ISBN 3-518-38065-6
Du hast mich also totgeschossen? Unbekannte Texte und Materialien, herausgegeben von Detlef Thiel, 2021, ISBN 978-3-96824-005-3
Das Paradies. Die Heimat der Kunst. Commissions-Verlag von George u. Fiedler, Berlin 1889. Titelauflage: Verlag deutscher Phantasten, Berlin 1893.
Ja ... was ... möchten wir nicht Alles! Ein Wunderfabelbuch. Heft 1. Verlag deutscher Phantasten, Berlin 1893 (Heft 2–7 nie erschienen).
Tarub. Bagdads berühmte Köchin. Arabischer Kulturroman. Verein für Deutsches Schriftthum, Berlin [1897]. Dieselbe Ausgabe: Hugo Storm, Berlin [1897]. 2. Auflage: J. C. C. Bruns’ Verlag, Minden in Westf. [1900].
Ich liebe Dich! Ein Eisenbahn-Roman mit 66 Intermezzos. Schuster u. Loeffler, Berlin 1897.
Der Tod der Barmekiden. Arabischer Haremsroman. Verlag Kreisende Ringe (Max Spohr), Leipzig 1897.
Na Prost! Phantastischer Königsroman. Schuster u. Loeffler, Berlin und Leipzig 1898.
Rakkóx der Billionär. Ein Protzenroman.Die wilde Jagd. Ein Entwicklungsroman in acht anderen Geschichten. Inselverlag, Leipzig 1901. (In der Vorlage: Weihnachten MDCCCCI; S. 119: gedruckt im September 1900).
Die Seeschlange. Ein See-Roman. J. C. C. Bruns’s Verlag, Minden in Westf. [1901].
Liwûna und Kaidôh. Ein Seelenroman. Insel-Verlag, Leipzig 1902.
Die große Revolution. Ein Mondroman. Insel-Verlag, Leipzig 1902.
Immer mutig! Ein phantastischer Nilpferdroman mit dreiundachtzig merkwürdigen Geschichten. 2 Bände. J. C. C. Bruns, Minden in Westfalen 1902.
Das Perpetuum mobile. Die Geschichte einer Erfindung. Rowohlt, Leipzig 1910. (Enthält: Faltplan mit 26 technischen Zeichnungen).
Die neue Oberwelt. Venus-Novellette, aus: Die Aktion, Jg. 1911, Nr. 2, Sp. 53–57.[8]
Astrale Novelletten. Dreililien-Verlag, Karlsruhe/Leipzig 1912. (2. Titel-Auflage erschien mit zusätzlicher Angabe: Georg Müller, München/Leipzig 1912).
Das große Licht. Ein Münchhausen-Brevier. Rabinowitz, Leipzig 1912.
Von Zimmer zu Zimmer. 70 Schmoll- und Liebesbriefe des Dichters an seine Frau. Alfred Richard Meyer, Berlin-Wilmersdorf 1921.
Briefwechsel mit Max Bruns 1898 – 1903 und andere Dokumente. Leo Ikelaar (Hrsg.). Lang, Frankfurt am Main u. a. 1990, ISBN 3-631-41727-6 (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1, Bd. 1124).
70 Trillionen Weltgrüsse. Eine Biographie in Briefen 1889 – 1915. Hrsg. von Mechthild Rausch. Argon, Berlin [1991], ISBN 3-87024-802-5.
Paul Scheerbart, Bruno Taut: Zur Geschichte einer Bekanntschaft. Scheerbarts Briefe der Jahre 1913 – 1914 an Gottfried Heinersdorff, Bruno Taut und Herwarth Walden. Leo Ikelaar (Hrsg.) Igel-Verlag, Paderborn 1996, ISBN 3-89621-037-8.
Paul Scheerbart Ingo Kühl Glasarchitektur. Mit Siebdrucken von Ingo Kühl, Achat Druck 4 der Handpresse Gutsch, herausgegeben von Curt Grützmacher, Berlin 1988, ISBN 3-924993-52-1.
Hans Joachim Alpers, Werner Fuchs, Ronald M. Hahn, Wolfgang Jeschke: Lexikon der Science Fiction Literatur. Heyne, München 1991, ISBN 3-453-02453-2, S. 864 f.
Hubert Bär: Natur und Gesellschaft bei Scheerbart. Genese und Implikationen einer Kulturutopie. Heidelberg 1977
Clemens Brunn: Der Ausweg ins Unwirkliche. Fiktion und Weltmodell bei Paul Scheerbart und Alfred Kubin. Igel, Hamburg, 2. aktual. Auflage 2010, ISBN 978-3-86815-518-1.
Müzeyyen Ege: Das Phantastische im Spannungsfeld von Literatur und Naturwissenschaft im 20. Jahrhundert. Die Pluralität der Welten bei Paul Scheerbart, Carlos Castaneda und Robert Anton Wilson (Dissertation FU Berlin), Wissenschaftlicher Verlag Berlin 2004, Berlin, ISBN 3-86573-008-6.
Rosemarie Haag-Bletter: Paul Scheerbart.'s architectural fantasies. In: Journal of the Society of architectural historians. Jg. 34, May 1975, S. 83–97.
Rosemarie Haag-Bletter: The interpretation of the Glass Dream. Expressionist architecture and the history of the Crystal Metaphor. In: Journal of the Society of architectural historians. Jg. 40, March 1981, S. 20–43.
Robert Hodonyi: Paul Scheerbart und Herwarth Waldens „Verein für Kunst“. Zur Konstellation von Literatur und Architektur in der Berliner Moderne um 1900. In: Wissenschaften im Dialog. Studien aus dem Bereich der Germanistik. Hg. Noémi Kordics unter Mitarbeit v. Eszter Szabó, Band 2, Klausenburg, Großwardein 2008, S. 143–161.
Christoph Jeanjour: Sozialphänomenologie der Literatur. Untersuchungen am Beispiel und aus Anlaß von Paul Scheerbarts literarischem Werk. 2 Bände. Heidelberg 1981.
Paul Kaltefleiter, Berni Lörwald, Michael M. Schardt (Hrsg.): Über Paul Scheerbart. 100 Jahre Scheerbart-Rezeption. 3 Bände. Igel, Paderborn 1998, ISBN 3-927104-23-X (Band 1), ISBN 3-927104-88-4 (Band 2), ISBN 3-89621-055-6 (Band 3).
Uli Kohnle: Paul Scheerbart. Eine Bibliographie. Edition Phantasia, Bellheim 1994, ISBN 3-924959-92-7.
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Kurt Lubasch, Alfred Richard Meyer (Hrsg.): Paul Scheerbart-Bibliographie. Berlin 1930. (Enthält: Bibliophile Beschreibungen der Originalwerke von 1889 bis 1929).
Klaus Martens: Literaturvermittler um die Jahrhundertwende: J.C.C. Bruns‘ Verlag seine Autoren und Übersetzer. Röhrig Universitätsverlag, St. Ingbert 1996.
Mechthild Rausch: Von Danzig ins Weltall. Paul Scheerbarts Anfangsjahre 1863 – 1895. Mit einer Auswahl aus Paul Scheerbarts Lokalreportagen für den Danziger Courier. Edition text + kritik, München 1997, ISBN 3-88377-549-5.
Franz Rottensteiner: Der Dichter des „anderen“: Paul Scheerbart als Science-fiction-Autor. In: Ders. (Hrsg.): Polaris 5. Ein Science-fiction-Almanach, Suhrkamp, Frankfurt 1982, S. 226–241.
Franz Rottensteiner: Du hast mich also totgeschossen? Unbekannte Texte und Materialien In: Quarber Merkur. Franz Rottensteiners Literaturzeitschrift für Science Fiction und Phantastik, Bd. 124, S. 237–239., 2023, ISBN 978-3-934273-14-6
Beatrice Rolli: Paul Scheerbarts 'weltgestaltende Phantasiekraft' zwischen Utopie und Phantasmagorie. Eine Interpretation von 'Münchhausen und Clarissa. Ein Berliner Roman' als Einführung ins Gesamtwerk. Zürich 1983.
Christian Ruosch: Die phantastisch-surreale Welt im Werke Paul Scheerbarts. Bern 1970.
Jörg Weigand: Die Entwicklung des Luftkriegs und das Ende aller Kriege. Paul Scheerbart (1863–1915) – ein Visionär auf Abwegen. In: Pallasch. Zeitschrift für Militärgeschichte. Bd. 18 (2014), Heft 50, S. 190–196.
↑Georg Hecht: Über Scheerbart In: Josiah McElheny: The Light Club: On Paul Scheerbart's ‚The Light Club of Batavia‘. University of Chicago Press, Chicago 2010. DOI:10.7208/9780226514581 Seite 76
↑Walter Benjamin: Paul Scheerbart: Lesabéndio; in: derselbe: Gesammelte Schriften, Band II/2, Frankfurt am Main 1977, S. 618–620