PostFinance AG | |
---|---|
Staat | Schweiz |
Sitz | Bern |
Rechtsform | Aktiengesellschaft[1] |
IID | 9000[2] |
BIC | POFICHBEXXX[2] |
Gründung | 1998 / 2008 als AG |
Website | www.postfinance.ch |
Geschäftsdaten 2023[4] | |
Bilanzsumme | 102 Mrd. CHF |
Mitarbeiter | 3340 VZÄ |
Geschäftsstellen | 34 (2022)[3] |
Leitung | |
Verwaltungsrat | Marcel Bührer (Präsident des Verwaltungsrats) |
Unternehmensleitung | Kurt Fuchs (ad interim Vorsitzender der Geschäftsleitung)[5] |
Postfinance (Eigenschreibweise PostFinance) ist eine Tochtergesellschaft der staatlichen Schweizerischen Post, welche im Privatkundengeschäft und Geschäftskundengeschäft tätig ist und als solches zu den grössten Schweizer Finanzinstituten gehört.[6] Das Haupttätigkeitsgebiet liegt im nationalen und internationalen Zahlungsverkehr. Daneben bietet sie auch Produkte und Dienstleistungen in den Bereichen Sparen, Anlegen, Vorsorgen und Finanzieren an. Seit Ende Juni 2013 ist Postfinance im Besitz einer Banklizenz und unter Aufsicht der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA). 2015 wurde Postfinance von der Schweizerischen Nationalbank im Inland als systemrelevant eingestuft und muss besondere Regeln bei Eigenmitteln und Liquidität einhalten und einen Notfallplan vorlegen.[7] Letztgenannten stuft die FINMA mit Stand vom 26. März 2024 nach wie vor als nicht umsetzbar ein.[8]
Als der Staatsbetrieb PTT Ende 1997 aufgelöst wurde, entstand aus der ehemaligen Abteilung für Zahlungsverkehr die Post-Tochtergesellschaft Postfinance. 2008 erfolgte die Gründung der Postfinance AG, welche seit Juni 2013 als eine privatrechtliche Aktiengesellschaft geführt wird. Im gleichen Jahr wurde der neue Hauptsitz an der Mingerstrasse 20 in Bern eingeweiht.
Die Postfinance AG gehört zu 100 % der Schweizerischen Post.[6] Innerhalb des Post-Konzerns nimmt Postfinance eine wichtige Stellung ein und steuert einen wichtigen Beitrag zum gesamten Betriebsertrags der Post bei. Die Bilanzsumme lag per Ende 2023 bei 102 Milliarden Schweizer Franken, der Nettogewinn (EBIT) für das Gesamtjahr 2023 bei 164 Millionen Franken. Postfinance betreut rund 2,5 Millionen Kunden und weist einen Personalbestand von umgerechnet 3340 Vollzeitstellen auf.
Postfinance, bzw. Die Schweizerische Post, ist mit 26.666 % an Twint beteiligt, ist Aktionärin von tilbago und seit 2018 Aktionärin von SIX.[9][10][11] Im Jahr 2021 lancierte Postfinance im Joint Venture mit Swissquote die Neobank Yuh.[12][13]
Die rechtliche Grundlage für die Tätigkeit der Post und von Postfinance bilden das Schweizer Postgesetz[14] und die Postverordnung.[15]
Die Grundversorgung mit Dienstleistungen des Zahlungsverkehrs muss im ganzen Land gewährleistet sein. Demnach müssen alle Bevölkerungsgruppen in allen Regionen in angemessener Weise Zugang zu Einzahlungen, Auszahlungen und Überweisungen haben. Das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) muss dafür sorgen, dass diese Grundversorgung erbracht wird. Zu diesem Zweck legt die Post dem BAKOM jährlich einen Bericht über die Erfüllung ihres Auftrags vor.[16]
Als Folge einer Revision des Postorganisationsgesetzes im Jahr 2012, welche auch zur Umwandlung von Postfinance in eine Aktiengesellschaft führte, wurde die Staatsgarantie des Bundes per Ende September 2017 aufgehoben. Diese Staatsgarantie war in den vergangenen Jahren ein wesentlicher Grund für die Zunahme der Kundengelder. In den Jahren von 2012 bis 2017 verdoppelten sich die Kundengelder von 50 Mrd. CHF auf über 100 Mrd. CHF.[17]
Seit dem 1. Oktober 2017 gilt bei der Postfinance eine Einlagensicherung für Spargelder, welche jedoch nur ein sehr beschränkter Ersatz der bisherigen umfassenden Staatsgarantie darstellt. Es gibt nicht nur eine Obergrenze von 100'000 CHF pro Kunde, sondern die Garantie des Vereins Esisuisse gilt nur bis zu einer Gesamtsumme von 6 Mrd. CHF für alle beteiligten Institute.[18] Nach einer Schätzung würde bei einem Ausfall von Postfinance ohne weitere Leistungen an andere Institute durchschnittlich pro Kunde nur ein Garantiebetrag von 12'000 CHF zur Verfügung stehen, weil die 6 Mrd. des Garantiefonds die etwa 50 Mia. betroffenen Kundengelder[17] bei weitem nicht zu decken vermögen.
Das Haupttätigkeitsgebiet von Postfinance ist der nationale und internationale Zahlungsverkehr. Die weiteren Tätigkeitsgebiete liegen in den Bereichen Sparen, Anlegen, Vorsorgen und Finanzieren. Postfinance ist mit einem Marktanteil von rund 60 Prozent die Marktführerin im schweizerischen Zahlungsverkehr und mit E-Finance, dem Online-Portal von Postfinance, welches 1998 unter dem Namen Yellownet eingeführt wurde, führend im Electronic Banking. Zum Bereich Zahlen gehört das Privatkonto-Sortiment (seit Juli 2021 bestehend aus den Bankpaketen Smart und SmartPlus[19][20]) und die verschiedenen damit verbundenen Dienstleistungen. Zwar hat Postfinance Ende 2013 108 Mrd. Franken Kundengelder, doch davon sind nur 38 Mrd. Franken in Depositen- und Anlageform, während der weitaus grösste Teil in Form von Guthaben auf Privat- und Sparkonti liegt.
Seit Ende Juni 2013 besitzt Postfinance eine Banklizenz und wird von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) überwacht.[21] Sie wurde zu diesem Zweck in eine privatrechtliche Aktiengesellschaft im Besitz der Schweizerischen Post überführt.[22]
Der Bereich Anlegen umfasst eigene Anlageprodukte und solche, die in Zusammenarbeit mit anderen Banken angeboten werden. Zu den eigenen Anlageprodukten gehören Kassenobligationen und Anlagefonds. Daneben bietet Postfinance in Zusammenarbeit mit UBS weitere Anlagefonds an. Ebenso bietet Postfinance in Zusammenarbeit mit Swissquote eine Onlineplattform für den Wertschriftenhandel (E-Trading) an. Swissquote ist für Postfinance als Tradingplattform tätig und wickelt die von ihren Kunden im E-Trading aufgegebenen Börsenaufträge ab. Basierend auf der Effektenhändlerbewilligung, die Postfinance zusammen mit der Bankenbewilligung erhalten hat, ist sie Kundenhändlerin und Depotstelle für ihre rund 60'000 E-Trading-Kunden. 2020 baute Postfinance ihr Angebot im Anlagebereich weiter aus und lancierte vier neue digitale Anlageprodukte. Damit bietet sie ihren Kunden eine Auswahl von attraktiven Anlageprodukten.
Im Bereich Vorsorgen bietet Postfinance ein Freizügigkeitskonto 2. Säule, ein Vorsorgekonto im Rahmen der Säule 3a sowie in Zusammenarbeit mit AXA Winterthur Leben verschiedene Lebensversicherungs-Möglichkeiten an. Im Jahr 2022 kündigte Postfinance an, nur noch aktiv verwaltete 3a-Vorsorge-Fonds anzubieten. Für Kunden resultiert daraus eine Erhöhung der Gebühren.[23]
Der Bereich Finanzieren ist das jüngste der vier Tätigkeitsgebiete von Postfinance. Seit Mai 2003 bietet Postfinance in Kooperation mit verschiedenen Partnern auch Hypotheken an. Da es ihr gemäss Postorganisationsgesetz untersagt ist, eigenständig Hypotheken und Kredite an Dritte zu vergeben, kooperiert Postfinance im Bereich Finanzieren mit der Münchener Hypothekenbank und Valiant Bank. Dabei werden die Kredite und Hypotheken nicht durch Postfinance selbst, sondern durch die beiden Partner gewährt, die diese auch in ihren Bilanzen führen und das Kreditrisiko tragen. Dafür bezahlt Postfinance ihren Partnern eine Risikoprämie. Im Bereich Crowdlending ist Postfinance 2018, mit dem Tochterunternehmen Lendico, eine Partnerschaft mit der Cembra Money Bank eingegangen.[24] Im Mai 2019 wurde Lendico an LEND veräussert und Postfinance beteiligte sich im Gegenzug am Unternehmen.[25]
2018 wurde bekannt, dass Postfinance die FINMA vor das Bundesgericht ziehen wird.[26]
Die Rechte an Valuu, eine im Jahr 2019 lancierte Hypothekenvermittlungsplattform, wurden 2023 an die Credit Exchange (Credex) verkauft, diese verkaufte die Rechte wiederum 2024 an die Thurgauer Kantonalbank.[27]
Im Mai 2021 gab das Unternehmen bekannt, in Kooperation mit Bob Finance den «Postfinance Privatkredit» anzubieten. Bob Finance ist eine Tochter des Handelsunternehmens Valora. Der Privatkredit wird ausschliesslich online an Privatpersonen mit festem Anstellungsverhältnis, Schweizer Wohnsitz und einem Konto bei einer Schweizer Bank vermittelt. Der Privatkredit ist für Beträge von 1'000 bis 80'000 Schweizer Franken und mit einer maximalen Laufzeit von sieben Jahren verfügbar. Kunden zwischen 18 und 64 Jahren können den Kredit laut Mitteilung beantragen.[28][29]
Seit April 2022 wird die Postfinance Card nur noch in Kombination mit der Debit Mastercard herausgegeben.[30] Im gleichen Jahr wurden die Geldeinzahlungsautomaten abgeschafft.[31][32] Auch die klassischen Geldautomaten, welche ab 1978 unter dem Namen Postomat eingeführt wurden, wurden bereits reduziert. Betrieb Postfinance Ende 2019 noch 975 Geldautomaten, sank dieser Wert bis Ende September 2021 auf 892.[33] Noch im Jahr 2003 gehörten allerdings nur 670 Postomaten zum Bestand der Postfinance.[34]
2003 | 2004 | 2005 | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012 | 2013 | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Bilanzsumme (in Mrd. CHF) | 43,1 | 44,2 | 47,3 | 52,1 | 56,2 | 67,2 | 80,3 | 89,3 | 104 | 115 | 115 | 114,5 | 119,5 | 120,8 | 118,2 | 125,7 | 117,2 | 121,7 | 114,4 | 102,3 |
Kundengelder/-vermögen (in Mrd. CHF) | 32,8 | 35,7 | 38,2 | 40,6 | 43,7 | 58 | 75 | 84 | 95 | 103 | 108 | 114,9 | 119,4 | 119,8 | 118,9 | 119,7 | 123,7 | 110,7 | 104,6 | 104,1 |
davon in Depositen- und Anlageform (in Mrd. CHF) | 7,6 | 9,7 | 11,2 | 13,1 | 14,7 | 17,7 | 23,9 | 29,3 | 33 | 37 | 38 | k. A. | k. A. | k. A. | k. A. | k. A. | k. A. | k. A. | 15,9 | 17,7 |
Nettogewinn (EBIT, in Mio. CHF) | 243 | 278 | 312 | 246 | 318 | 229 | 441 | 571 | 591 | 625 | 719 | 575 | 575 | 543 | 229 | 246 | 129 | 223 | 190 | 164 |
Personalbestand (Vollzeitstellen; Jahresdurchschnitt) | 2'148 | 2'246 | 2'390 | 2'526 | 2'709 | 2'889 | 3'042 | 3'265 | 3'425 | 3'473 | 3'432 | 3'571 | 3'599 | 3'474 | 3'325 | 3'243 | 3'260 | 3'237 | 3'250 | 3'340 |
Anzahl Kundenkonten (in Tausend) | 2'746 | 2'879 | 3'008 | 3'154 | 3'335 | 3'646 | 3'881 | 4'079 | 4'211 | 4'520 | 4'628 | 4'835 | 4'845 | 4'809 | 4'503 | 4'401 | 4'286 | 4'037 | 3'918 | 3'877 |
Postfinance stellte über das Osterwochenende 2018 auf das Kernbankensystem der indischen Anbieterin Tata Consultancy Services um. Für Firmenkunden bedeutete die Umstellung eine Anpassung des Zahlungsverkehrs auf ein neues Datenformat für den Austausch von Zahlungsdaten nach dem Standard ISO 20022.[42]
Am 20. Januar 2021 teilte der Bundesrat mit, er strebe die Privatisierung der Postfinance an, um ihr den Eintritt in den Kredit- und Hypothekarmarkt zu vereinfachen.[43] Verschiedene Kommissionen haben jedoch den Gesetzesentwurf des Bundesrates verworfen.[44] Ständerat und Nationalrat sind nicht auf die Vorlage eingetreten, womit die Privatisierung vorderhand nicht stattfinden wird.[45]
Postfinance ist Mitglied beim Swiss Payments Council.[46] 2001 wurde Postfinance an das Inland-Zahlungssystem Swiss Interbank Clearing (SIC) der Banken angeschlossen.[47] Im November 2017 lancierte Postfinance einen von ELCA Informatik entwickelten Chatbot in deutscher Sprache auf ihrer Website, die französische Sprache folgte im Oktober 2018.[48][49] Die Hotline der Postfinance nutzt seit Dezember 2018 eine Sprecherauthentifizierung, um die Kunden zu erkennen.[50] Diesbezüglich wurde Postfinance bei den Big Brother Awards 2019 mit einem Negativpreis ausgezeichnet.[51]
Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Depeschen US-amerikanischer Botschaften durch WikiLeaks schloss Postfinance am 6. Dezember 2010 ein Konto von Julian Assange mit der Begründung, er habe einen falschen Wohnort in der Schweiz angegeben und habe kein Domizil in der Schweiz, was für ausländische Kunden ausserhalb der angrenzenden Länder eine Voraussetzung für eine Geschäftsbeziehung sei.[52][53] Daraufhin wurde die Website postfinance.ch durch einen Denial-of-Service-Angriff zeitweise im Rahmen der Operation Payback lahmgelegt.[54][55] Von politischer Seite wurde Postfinance wegen Datenschutzbedenken kritisiert. Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation als Überwachungsbehörde der Post untersuchte, wie die Post über die Schliessung informierte und kam zum Schluss, dass das Postgeheimnis nicht verletzt wurde.[56]
Im April 2011 wurde die Schweizerische Post wegen Geldwäscherei zu einer Busse von 250'000 Franken verurteilt. Das Gericht warf der Postfinance vor, bei einer hohen Bargeldauszahlung von über 4,6 Millionen Franken an eine Anlagegesellschaft keine Abklärungen vorgenommen zu haben. Die Post verfüge über keine entsprechenden Reglemente, was ein Organisationsmangel sei. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass das Geld unsauberer Herkunft war. Die Post bestreitet, dass sie keine Reglemente hätte und ihre Mitarbeitenden wären richtig vorgegangen. Sie kündigte Berufung an.[57] In 2. Instanz kam es zu einem Freispruch, der vom Bundesgericht bestätigt wurde.[58]
Im Februar 2023 wurde bekannt, dass Postfinance ihre Kunden zeitlich gestaffelt per Brief auffordert, persönliche Daten wie ihren Beruf, den Bruttolohn und den Arbeitgeber anzugeben, und Kunden, die dies verweigern, die Kündigung ihres Kontos in Aussicht stellte. Nach einem Artikel in der Konsumentenschutz-Zeitschrift K-Tipp wäre eine solche Kündigung aber rechtlich unzulässig, da Postfinance aufgrund ihres Auftrags der Grundversorgung jeder in der Schweiz wohnhaften Person ein Zahlungskonto zur Verfügung stellen muss, und es für das Vorgehen der Postfinance keine Grundlage in einem Gesetz oder einer Verordnung gebe. Während Postfinance das Geldwäschereigesetz als Grundlage für die angeforderten Daten nannte, zitierte der K-Tipp den Wirtschaftsrechtler Peter V. Kunz mit der Aussage, dass es keine Rechtsgrundlage dafür gebe, «ohne besonderen Anlass von Kunden den Namen des Arbeitgebers, den Beruf und den Lohn zu verlangen».[59] Ende Februar reagierte Postfinance auf die Kritik an ihrem Vorgehen damit, diese Angaben neu nur noch auf freiwilliger Basis zu erbitten.[60]
Koordinaten: 46° 57′ 25,4″ N, 7° 28′ 4,5″ O; CH1903: 602229 / 200664