Im Folgenden sei die Primzahlfunktion, die für beliebige reelle Zahlen definiert ist als die Anzahl der Primzahlen, die nicht größer als sind. Formal kann man schreiben:
Darüber hinaus ist er, wie Edmund Landau in den Jahren 1899 und 1911 – und zwar ohne Verwendung funktionentheoretischer Hilfsmittel! – zeigte, auch gleichwertig mit einer Reihenkonvergenzaussage, welche die Möbiusfunktion einbezieht:[1]
Es gibt eine Anzahl unterschiedlicher Beweise. Ein „einfacher Beweis“, der die Abschätzung der Zetafunktion im Unendlichen nach Hadamard und La Vallée Poussin vermeidet, wurde von Donald Newman gegeben.[2][A 5] Weiter gibt es Beweise, die ohne Verwendung komplexer Funktionentheorie auskommen, sogenannte „elementare“ Beweise, wie zuerst 1948/49 von Paul Erdős und Atle Selberg gezeigt wurde.[3][4] Ein dritter Beweisansatz innerhalb der analytischen Zahlentheorie benutzt die Taubersätze von Wiener-Ikehara, vermeidet auch die Abschätzung im Unendlichen, benutzt aber tieferliegende Ergebnisse aus der Theorie der Fourier-Transformation.
mit einer positiven Konstanten . Dabei ist ein Landau-Symbol, d. h., es gibt eine Konstante , sodass
für alle gilt. Die Verbesserung des Fehlerterms hängt davon ab zu zeigen, dass die Zetafunktion in immer größeren Bereichen im kritischen Streifen nullstellenfrei ist. Unter Annahme der riemannschen Vermutung (nach der alle nicht-trivialen Nullstellen auf der Geraden liegen), und nur unter dieser, kann man die Fehlerabschätzung zu
verbessern (Helge von Koch 1901). Unter Annahme der riemannschen Vermutung (!) gab im Jahre 1976 Lowell Schoenfeld eine nicht-asymptotische Schranke:[6]
Adrien-Marie Legendre veröffentlichte 1798 als erster in seiner Théorie des nombres (Abhandlung über Zahlentheorie) unabhängig von Gauß[A 6] den vermuteten Zusammenhang zwischen Primzahlen und Logarithmen. In der zweiten Auflage dieses Werks 1808 verbesserte er die Abschätzung von zu ungefähr gleich[9]
(wo dieser Wert 1,08366 verantwortlich für das Problem der Existenz der Legendre-Konstanten ist). Ein erster Schritt hin zu einem Beweis gelang Pafnuti Lwowitsch Tschebyschow, der 1851 die folgende schwächere Form des Primzahlsatzes zeigte:[10][A 7]
für alle hinreichend großen . Das heißt, dass die Anzahl der Primzahlen unter einer gegebenen Größe um nicht mehr als ungefähr 10 % nach oben oder unten von der logarithmischen Funktion abweicht.
Der englische Mathematiker James Joseph Sylvester, damals Professor an der amerikanischen Johns Hopkins University in Baltimore, verfeinerte 1892 Tschebyschows Methode und zeigte, dass für die Ungleichung bei hinreichend großem die untere Grenze 0,95695 und die obere Grenze 1,04423 genügt,[11] die Abweichung also maximal nur mehr ungefähr 5 % beträgt.
Lange Jahre galt ein elementarer[A 8] Beweis des Primzahlsatzes als sehr unwahrscheinlich. Diese Auffassung wurde insbesondere von Godfrey Harold Hardy vertreten.[A 9] Sie wurde indes im Jahre 1949 durch die von Atle Selberg und Paul Erdős vorgelegten Beweise widerlegt.[17][18][A 10] Später wurden noch zahlreiche Varianten und Vereinfachungen dieser Beweise gefunden.
Die folgende Tabelle zeigt konkrete Werte der Primzahlfunktion im Vergleich mit den Logarithmen, Legendres Formel und dem Integrallogarithmus.[19][20][21]
Vergleicht man mit den Werten von in der Tabelle, scheint es so, als ob stets gelten würde. Tatsächlich wechselt die Differenz bei größer werdendem das Vorzeichen unendlich oft, wie J. E. Littlewood 1914 zeigen konnte.[22] Die gaußsche Formel unterschätzt also die Anzahl der Primzahlen in einem hinreichend großen Zahlenbereich, den Stanley Skewes 1933 mit der nach ihm benannten Skewes-Zahl nach oben abschätzen konnte.[23] Russell Sherman Lehman stellte 1966 einen wichtigen Satz über die obere Grenze auf und konnte sie auf eine „handhabbare“ Größe von 1,165·101165 drücken.[24] Unter Verwendung des Lehmanschen Satzes gelang es dem niederländischen Mathematiker Herman te Riele 1986 zu zeigen, dass es zwischen 6,627·10370 und 6,687·10370 mehr als 10180 aufeinanderfolgende Zahlen gibt, für die gilt.[25] Den derzeit besten untersten Wert, ebenfalls ausgehend von den Ergebnissen Lehmans, ermittelten im Jahr 2000 die beiden Mathematiker Carter Bays und Richard Hudson, die zeigten, dass ein solcher von Littlewood bewiesener Wechsel vor 1,398244·10316 auftritt.[26] Obwohl sie nicht beweisen konnten, damit tatsächlich den ersten Vorzeichenwechsel gefunden zu haben, legen ihre Berechnungen dies nahe. Genauer vermuten sie, dass die Ungleichung für immer gilt.
Formeln für Primzahlfunktionen gibt es in zwei Arten: arithmetische Formeln und analytische Formeln. Analytische Formeln für die Primzahlenzählung waren die ersten, die verwendet wurden, um den Primzahlsatz zu beweisen. Sie stammen aus der Arbeit von Bernhard Riemann und Hans von Mangoldt und sind allgemein als explizite Formeln bekannt.[27]
Wir haben folgenden Ausdruck für :
wobei
und der zweiten Tschebyschow-Funktion. Hier sind die Nullstellen der Riemannschen Zetafunktion im kritischen Streifen, bei dem der Realteil von zwischen 0 und 1 liegt. Die Formel gilt für Werte von größer als 1, d. h. die Region von Interesse. Die Summe über den Wurzeln ist bedingt konvergent und sollte in der Reihenfolge zunehmender Absolutwerte des Imaginärteils genommen werden. Zu beachten ist, dass die gleiche Summe über die trivialen Wurzeln den letzten Subtrahenden in der Formel ergibt.
Ähnlich wie für kann auch für die von Riemann eingeführte Primzahlen abzählende Funktion [28] eine Mittelung an den Sprungstellen eingeführt werden. Für haben wir die kompliziertere Formel
Auch hier gilt die Formel wieder für , während die nicht-trivialen Nullstellen der Riemannschen Zetafunktion nach ihrem Absolutwert geordnet sind, und letzteres Integral wiederum mit Minuszeichen genommen ist genau die gleiche Summe, aber über den trivialen Nullstellen. Der erste Ausdruck ist die übliche logarithmische Integralfunktion; der Ausdruck im zweiten Term sollte als betrachtet werden, wobei die analytische Fortsetzung der exponentiellen Integralfunktion von der positiven reellen Achse auf die komplexe Ebene mit entlang der negativen reellen Achse aufgeschnittenem Ast ist.
Somit ergibt sich, wenn man wie oben eine an den Sprungstellen mittelnde Funktion einführt, mit der Möbius-Inversionsformel[29]
gültig für , wobei
die sogenannte Riemannsche R-Funktion ist.[30] Die letztgenannte Reihe dafür ist bekannt als Gram-Reihe[31] und konvergiert für alle positiven . ist die Möbius-Funktion und die riemannsche Zetafunktion.
Die Summe über nichttriviale Nullstellen der Zetafunktion in der Formel für beschreibt die Schwankungen von , während die restlichen Terme den „glatten“ Teil der Primzahlfunktion ausmachen.[32]
Somit kann man
als den besten Fit der für bezeichnen.
Die Amplitude des „verrauschten“ Teils liegt heuristisch bei ca. , womit die Schwankungen der Primzahlenverteilung mit der -Funktion dargestellt werden können:
Eine umfangreiche Tabelle mit den Werten von steht zur Verfügung.[33]
Als Beispiel kann man das auf die Verteilung der Primzahlen auf ihre Endziffern im Dezimalsystem anwenden (analog gilt das für jede Basis). Es kommen nur die Ziffern 1, 3, 7, 9 in Betracht (außer für die Primzahlen 5 und 2 selbst) und aus dem Primzahlsatz für arithmetische Progressionen folgt, dass die Primzahlen unter ihren Endziffern gleich verteilt sind. Es gibt allerdings einige Ungleichgewichte, die Gegenstand der Forschung sind. So gibt es numerisch meist mehr Primzahlen der Form als unterhalb einer bestimmten Grenze, obwohl die Primzahlen asymptotisch auf beide Klassen gleich verteilt sind (Chebyshev’s Bias,[36] auch Primzahl-Rennen, nach Pafnuti Lwowitsch Tschebyschow). Nach John Edensor Littlewood wechselt auch unendlich oft das Vorzeichen. Ähnliche Phänomene gibt es bei Betrachtung anderer Kongruenzen als solchen mod . Wie K. Soundararajan und Oliver 2016 fanden, gibt es auch Abweichungen von der Gleichverteilung, wenn man die Verteilung der Endziffern bei aufeinanderfolgenden Primzahlen betrachtet.
Genauer wurde die Verteilung in arithmetischen Progressionen durch Arnold Walfisz[37][38] untersucht im Satz von Siegel und Walfisz (er basiert auf einem Resultat von Carl Ludwig Siegel[39]). Der Satz liefert einen asymptotischen Fehlerterm für die obige Formel. Dabei ist eine Konstante und eine beliebige Zahl mit .
Ursprünglich ist der Satz von Siegel und Walfisz für die Funktion
formuliert mit der Mangoldt-Funktion. Mit den bereits eingeführten Bezeichnungen (sowie wie oben , ) besagt der Satz dann, dass es für jedes eine Konstante gibt, sodass:
Karl Prachar: Primzahlverteilung. Reprint of the 1957 original (= Grundlehren der Mathematischen Wissenschaften. Band91). Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 1978, ISBN 3-540-08558-0.
Wacław Sierpiński: Elementary Theory of Numbers (= North-Holland Mathematical Library. Band31). 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. North-Holland (u. a.), Amsterdam (u. a.) 1988, ISBN 0-444-86662-0.
↑Karl Prachar: Primzahlverteilung. (Grundlehren der Mathematischen Wissenschaften, Bd. 91), 1978, S. 73, S. 410
↑Donald J. Newman: Analytic Number Theory. Springer, 1998. Newman: Simple Analytic Proof of the Prime Number Theorem. In: American Mathematical Monthly, Band 87, 1980, S. 693–696.
↑G. J. O. Jameson: The Prime Number Theorem. 2004, S. 206–222
↑Norman Levinson: A motivated account of an elementary proof of the prime number theorem. In: American Mathematical Monthly. Band76, 1969, S.225–245 (MR0241372).
↑Arnold Walfisz: Weylsche Exponentialsummen in der neueren Zahlentheorie. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften 1963, S. 187. Der Beweis bei Walfisz stammt von Hans-Egon Richert. Derbyshire, Prime Obsession, Joseph Henry Press 2003, S. 244, bezeichnet das als die beste ihm bekannte Abschätzung des Fehlerterms.
↑L. Schoenfeld: Sharper Bounds for the Chebyshev Functions θ(x) and ψ(x). II. Mathematics of Computation, Band 30, 1976, S. 337–360.
↑J. B. Rosser, L. Schoenfeld: Approximate formulas for some functions of prime numbers. Illinois J. Math., Band 6, 1962, S. 64–94.
↑Wacław Sierpiński: Elementary Theory of Numbers., S. 163.
↑Adrien-Marie Legendre: D’une loi très-remarquable observée dans l’énumération des nombres premiers. In: Théorie des nombres. 3. Auflage. Didot, Paris 1830, Band 2, S. 65–70, Textarchiv – Internet Archive.
↑Pafnuti Lwowitsch Tschebyschew: Sur la fonction qui détermine la totalité des nombres premiers inférieurs à une limite donnée. In: Mémoires présentés à l’Académie Impériale des sciences de St.-Pétersbourg par divers savants, 6, 1851, S. 141–157. Auch in: Journal de mathématiques pures et appliquées, 1. F., 17, 1852, S. 341–365. Nachdruck in Andrej Andrejewitsch Markoff, Nikolai Jakowlewitsch Sonin (Hrsg.): Œuvres de P. L. Tchebychef. Band 1. Akademie, St. Petersburg 1898, S. 27–48, Textarchiv – Internet Archive.
↑James Joseph Sylvester: On arithmetical series. In: Messenger of Mathematics, 21, 1892, S. 1–19, 87–120. Nachdruck in Henry Frederick Baker (Hrsg.): The Collected Mathematical Papers of James Joseph Sylvester. 4 Bände. University Press, Cambridge 1904–1912, Band 4. 1912, S. 687–731, archive.org.
↑Charles de La Vallée Poussin: Recherches analytiques de la théorie des nombres premiers. In: Annales de la Société Scientifique de Bruxelles 20 B (1896), S. 183–256, 281–352, 363–397; 21 B (1897), S. 351–368.
↑Kürzere Versionen der Beweise von Hadamard, De la Vallée-Poussin sind in E. C. Titchmarsh: The Theory of the Riemann Zeta-Function. Clarendon Press, 1951, 1986, Kapitel 3.
↑John E. Littlewood: Sur la distribution des nombres premiers. In: Comptes Rendus de l’Académie des Sciences 158 (1914), S. 1869–1872.
↑Stanley Skewes: On the difference . In: Journal of the London Mathematical Society 8 (1933), S. 277–283; On the difference (II). In: Proceedings of the London Mathematical Society 5 (1955), S. 48–70.
↑Zu Newmans Beweis siehe auch: J. Korevaar: On Newman’s quick way to the prime number theorem. In: Mathematical Intelligencer, Band 4, 1982, Nr. 3. Don Zagier: Newman’s Short Proof of the Prime Number Theorem. In: American Mathematical Monthly, Band 104, 1997, S. 705–708. Der Beweis ist auch dargestellt in Bundschuh: Einführung in die Zahlentheorie. Springer, 2008. Newman: Analytic Number Theory. Springer, 1998.
↑Dieser hatte sich 1792 oder 1793 mit dem Thema beschäftigt. Siehe dazu den Brief aus dem Jahr 1849 an Johann Franz Encke (Textarchiv – Internet Archive). Dort diskutiert er auch die Konstante von Legendre und den Integrallogarithmus.
↑Einen deutlich vereinfachten Beweis für eine schwächere Abschätzung gibt Don Zagier, Die ersten 50 Millionen Primzahlen, Elemente der Mathematik (Beihefte zur Zeitschrift), Band 15 (1977), S. 15 f., doi:10.5169/seals-10209 (frei zugänglich).
↑Manche Autoren – etwa G. J. O. Jameson in seiner Monographie The Prime Number Theorem (Cambridge University Press, Cambridge 2004, S. 206) – betonen an dieser Stelle, dass „elementar“ keinesfalls im Sinne von „einfach“ verstanden werden sollte.
↑Von Hardy gibt es eine entsprechende Bemerkung aus dem Jahre 1921: „No elementary proof of the prime number theorem is known, and one may ask whether it is reasonable to expect one. Now we know that the theorem is roughly equivalent to a theorem about an analytic function, the theorem that Riemann’s zeta function has no roots on a certain line. A proof of such a theorem, not fundamentally dependent upon the ideas of the theory of functions, seems to me extraordinarily unlikely.“ (Melvyn B. Nathanson: Elementary Methods in Number Theory. Springer-Verlag, New York / Berlin / Heidelberg 2000, S. 320).
↑Der elementare Beweis nach Erdös und Selberg, der auf einer 1948 von Selberg gefundenen Formel beruht, wird in modifizierter Form auch in Hardy&Wright, Introduction to the Theory of Numbers, Oxford 1975, und auch bei Jameson, The Prime Number Theorem, Cambridge 2004, S. 206 ff., präsentiert.