Radical Orthodoxy

Radical Orthodoxy ist eine christlich-theologische Bewegung, der Theologen aus verschiedenen Konfessionen zugerechnet werden. Sie wurde von John Milbank gegründet. Ihr Anfangspunkt ist in seinem Buch Theology and Social Theory (1990) zu sehen. Der Name der Bewegung geht zurück auf den Titel des folgenden Buches: Radical Orthodoxy, A New Theology, hg. v. John Milbank, Catherine Pickstock und Graham Ward (Routledge 1999).

Der Name betont die enge Beziehung der Bewegung mit der traditionellen kirchlichen Lehre. „Radical“ (lat. radix, „Wurzel“), „Orthodoxy“ (gr. ορθός orthós „richtig, geradlinig“ und δόξα dóxa „Lehre“, „(Gottes-)Verehrung“, also Rechtgläubigkeit).

Radical Orthodoxy ist eine Kritik des Säkularismus und der kantischen Metaphysik. Sie wendet sich gegen eine Resignation des Christentums in Bezug auf die Wahrheitsfähigkeit von Sprache und bringt Politik, Ethik, Kulturwissenschaft, Kunst, Naturwissenschaft und Philosophie in ein Gespräch mit der Theologie.

Wichtige moderne Einflüsse sind Henri de Lubacs Ontologie, Hans Urs von Balthasars theologische Ästhetik und Karl Barths Kritik des Liberalismus, sowie die enge Beziehung der Oxford-Bewegung mit der Katholischen Kirche und die platonische Philosophie der Cambridger Platoniker. Wichtige klassische Quellen sind Augustinus, Thomas von Aquin, Nikolaus von Kues und Meister Eckhart.

Theorie des Modernismus und Johannes Duns Scotus

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Radical Orthodoxy behauptet, dass Johannes Duns Scotus der Vater des Modernismus ist.

Scotus wandte sich gegen die begriffliche Analogie des Seinsbegriffs analogia entis, wie sie Thomas von Aquin lehrte. Er betonte die absolute Freiheit des göttlichen Willens gegenüber dem endlichen Geschaffenen und löste die Paradoxie von Sagbarkeit und Unsagbarkeit Gottes zugunsten der letzteren auf. In der Konsequenz, so Radical Orthodoxy, wurde damit jedes gesprochene Wort zu einem wahrheitslosen Willensakt.

Radical Orthodoxy sieht diese Entwicklung, die im 13. Jh. in Paris bei Scotus aufkam und gegen analogia entis und für Univozität argumentierte, als den Anfang der modernen Tendenz, die Welt ohne Bezug zu Gott und Gott ohne Bezug zur Welt zu sehen.

Rezeption im deutschsprachigen Raum

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Die Radical Orthodoxy fand bisher im deutschsprachigen Europa nicht denselben Anklang[1] wie im englischen Sprachraum, besonders in Großbritannien und Teilen der USA. Jedoch veranstaltete die STH Basel im Jahr 2014 eine Fachtagung[2] mit John Milbank zu dem Thema. Daraus ging ein Tagungsband hervor. Eine detailreiche und tiefgreifende Diskursanalyse der Radical Orthodoxy hat der österreichische Theologe Andreas G. Weiß in seiner Dissertation Der politische Raum der Theologie vorgelegt. Seine Bearbeitung der theologischen Grundpositionen von John Milbank und Catherine Pickstock hat positives Echo erhalten und gilt als eine der umfassendsten Darstellungen der Radical Orthodoxy im deutschsprachigen Raum.[3]

  • John Milbank: The Word Made Strange. Blackwell, Oxford 1997, ISBN 0-631-20336-2.
  • Catherine Pickstock: After Writing. Blackwell, Oxford 1997, ISBN 0-631-20672-8.
  • John Milbank, Catherine Pickstock, Graham Ward (Hrsg.): Radical Orthodoxy: A New Theology. Routledge, London 1999, ISBN 0-415-19699-X.
  • John Milbank, Catherine Pickstock: Truth in Aquinas. Routledge, London 2000, ISBN 0-415-23335-6.
  • John Milbank: Being Reconciled. Routledge, London 2003, ISBN 0-415-30525-X.
  • John Milbank: Theology and Social Theory. 2. Auflage. Blackwell, Oxford 2006, ISBN 1-4051-3684-7.
  • Steven Shakespeare: Radical Orthodoxy: A Critical Introduction. SPCK, London 2007, ISBN 978-0-281-05837-2.
  • Graham Ward: True Religion. Blackwell, Oxford 2003, ISBN 0-631-22173-5 (deutsch: Auf der Suche nach der wahren Religion [ReligionsKulturen 4], Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-17-020069-2).
  • Sven Grosse / Harald Seubert (Hrsg.): Radical Orthodoxy. Eine Herausforderung für Christentum und Theologie nach der Säkularisierung, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2017, ISBN 978-3-374-04859-5.
  • Andreas G. Weiß: Der politische Raum der Theologie. Entwurf einer inkarnationstheologischen Ereignistheologie als Antwort auf Radical Orthodoxy, Aschendorff, Münster 2019, ISBN 978-3-402-13425-2.

Erscheinungen in der Reihe „Radical Orthodoxy“

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  • John Milbank, Catherine Pickstock, Graham Ward (Hrsg.): Radical Orthodoxy: A New Theology. Routledge, London 1999, ISBN 0-415-19699-X.
  • John Milbank, Catherine Pickstock: Truth in Aquinas. Routledge, London 2000, ISBN 0-415-23335-6.
  • D. Stephen Long: Divine Economy: Theology and the Market. Routledge, London 2000, ISBN 0-415-22673-2.
  • Graham Ward: Cities of God. Routledge, London 2000, ISBN 0-415-20256-6.
  • Daniel M. Bell: Liberation Theology After the End of History: The Refusal to Cease Suffering. Routledge, London 2001, ISBN 0-415-24304-1.
  • Conor Cunningham: Genealogy of Nihilism: Philosophies of Nothing & the Difference of Theology. Routledge, London 2002, ISBN 0-415-27694-2.
  • James K. A. Smith: Speech and Theology: Language and the Logic of Incarnation. Routledge, London 2002, ISBN 0-415-27696-9.
  • Michael Hanby: Augustine and Modernity. Routledge, London 2003, ISBN 0-415-28469-4.
  • John Milban: Being Reconciled: Ontology and Pardon. Routledge, London 2003, ISBN 0-415-30525-X.
  • Tracey Rowland: Culture and the Thomist Tradition: After Vatican II. Routledge, London 2003, ISBN 0-415-30527-6.
  • Robert Miner: Truth in the Making: Knowledge and Creation in Modern Philosophy and Theology. Routledge, London 2003, ISBN 0-415-27698-5.
  • Simon Oliver: Philosophy, God and Motion. Routledge, London 2005, ISBN 0-415-36045-5.

Einzelnachweise

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  1. Patrick Becker: Jenseits von Fundamentalismus und Beliebigkeit: Zu einem christlichen Wahrheitsverständnis in der (post-)modernen Gesellschaft. Herder, 2017, ISBN 978-3-451-81659-8, S. 265.
  2. STH Basel: Radical Orthodoxy. Abgerufen am 24. Juli 2018.
  3. Patrick Becker: Weiß, Andreas G.: Der politische Raum der Theologie. Entwurf einer inkarnationstheologischen Ereignistheologie als Antwort auf Radical Orthodoxy. In: Theologische Revue. Band 116, 20. Juli 2020, ISSN 2699-5433, doi:10.17879/thrv-2020-2839 (uni-muenster.de [abgerufen am 19. Oktober 2020]).