Rainer Karlsch (* 3. April 1957 in Stendal[1]) ist ein deutscher Wirtschaftshistoriker, der insbesondere durch eine umstrittene Studie zur Entwicklung einer deutschen Atombombe im Zweiten Weltkrieg bekannt wurde.
Rainer Karlsch studierte Wirtschaftsgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin und wurde 1986 zum Dr. oec. promoviert. Anschließend war er Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin, der Historischen Kommission zu Berlin und der Freien Universität Berlin.
Bekannt wurde Karlsch mit seinen Forschungen zur Geschichte der Reparationen der SBZ/DDR. Für sein 1993 erschienenes Buch Allein bezahlt? Die Reparationsleistungen der SBZ/DDR 1945–53 erhielt er den Ersten Preis der Leonhard-Stinnes-Stiftung für Unternehmensgeschichte.
Anschließend widmete er sich der Geschichte des Uranbergbaus der Wismut AG bzw. SDAG Wismut in Sachsen und Thüringen. Sein Buch Uran für Moskau gilt bis heute als Standardwerk. Gemeinsam mit Rudolf Boch gab er im Jahr 2011 zwei Bände Uranbergbau im Kalten Krieg heraus, die auf Recherchen in russischen und deutschen Archiven beruhen.
Weitere von ihm verfasste bzw. herausgegebene Bücher sind: Strahlende Vergangenheit. Studien zur Geschichte des Uranbergbaus der Wismut (1996), Urangeheimnisse. Das Erzgebirge im Brennpunkt der Weltpolitik (2002, zusammen mit Zbyněk Zeman), Sowjetische Demontagen in Deutschland 1944–1949 (2002, zusammen mit Jochen Laufer) und Faktor Öl. Die Mineralölwirtschaft in Deutschland 1859–1974 (2003, zusammen mit Raymond Stokes).
In seinem im Jahr 2005 erschienenen Buch Hitlers Bombe. Die Geheime Geschichte der deutschen Kernwaffenversuche deutet Karlsch die deutsche Rüstungsforschung während der letzten zwei Jahre des NS-Regimes neu. Lange Zeit hatte das Uranprojekt um Werner Heisenberg und Carl Friedrich von Weizsäcker im Mittelpunkt des Interesses gestanden (für eine Zusammenfassung der Arbeit des Uranprojekts siehe die Studie von Mark Walker). Karlsch zeigt, dass noch andere Gruppen die Nukleartechnik erforschten und dabei ihr Augenmerk nicht nur auf einen funktionsfähigen Reaktor richteten, sondern bewusst und zielstrebig an der Entwicklung von Waffen arbeiteten.
Karlsch machte neue Quellen ausfindig, die seine Thesen stützen sollen, darunter mehrere Berichte des sowjetischen Armee-Geheimdienstes, die Stalin samt einer wissenschaftlichen Beurteilung über einen angeblich durchgeführten „Atomtest“ in Thüringen zur Kenntnis gebracht wurden. Es habe erfolgreiche Tests kleiner atomarer Versuchsanordnungen gegeben, obschon es den Wissenschaftlern im „Dritten Reich“ nur gelungen sei, kleine Mengen von angereichertem Material herzustellen.
Karlsch postuliert (neben der Verwendung von Uran-235 oder Plutonium) eine dritte Möglichkeit, eine atomare Waffe herzustellen: durch die Fusion leichter Elemente, welche durch eine nukleare Hohlladung zustande kommen. So sei es deutschen Forschern gelungen, eine Atomwaffe herzustellen und im März 1945 zu testen. Diese habe mit einem Wirkungsradius von 500 Metern nur die Auswirkung einer taktischen Kernwaffe gehabt.
In einer Rezension dieses Buches schrieben im Dezember 2005 zwei Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts, die von Karlsch behauptete Bombe „gab es schlichtweg nicht“: „Entgegen der Verlagsankündigung muss die Geschichte der Uranforschung im Dritten Reich nicht neu geschrieben werden – aber unter dem Eindruck von Karlschs Forschungsergebnissen sehr wohl präzisiert und fortgeschrieben“.[2]
Von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig wurden 2005 im Auftrag des ZDF stichprobenhaft oberflächennah entnommene Bodenproben aus Ohrdruf auf Radionuklide untersucht, die nach einer von Karlsch behaupteten Kernexplosion aufgetreten wären. Im Februar 2006 gab die PTB bekannt, die Messwerte hätten keinerlei Hinweise darauf ergeben, „dass andere Quellen als der Fallout oberirdischer Atombomben-Tests in den 1950er/1960er Jahren und der Reaktorunfall in Tschernobyl im Jahr 1986 für die Bodenkontaminationen verantwortlich“ seien; für eine vermutete Kernexplosion gebe es „keinen Befund“. Zugleich sei durch derartige Stichproben-Analysen ein wissenschaftlicher Gegenbeweis nicht zu erbringen: „Eine endgültige Bewertung der historischen Zusammenhänge ist damit weiterhin offen.“[3]
Personendaten | |
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NAME | Karlsch, Rainer |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Wirtschaftshistoriker, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Humboldt-Universität |
GEBURTSDATUM | 3. April 1957 |
GEBURTSORT | Stendal |