Das Ratirahasya (Geheimnisse der Liebe), auch unter dem Titel Koka Shastra bekannt, wurde von Kokkoka (auch Koka, Koka Pundit und Kalyan Mali) verfasst. Das Ratirahasya ist einer der bedeutendsten mittelalterlichen Texte zur indischen Hindu-Erotik und Liebe. Die in Sanskrit verfassten Beschreibungen sind vermutlich im 11. oder 12. Jahrhundert n. Chr. entstanden.[1]
Im Gegensatz zum Kama Sutra ist das Ratirahasya an die Gepflogenheiten der mittelalterlichen indischen Gesellschaft angepasst. Während des Mittelalters war Indien konservativer geworden, die Freiheit der Frauen wurde eingeschränkt und vorehelicher und außerehelicher Sex wurden verpönt. Aus diesem Kontext heraus entstand der Bedarf für ein aktuelles Sex-Handbuch, das das mittelalterliche kulturelle Klima berücksichtigte, dem der alte, freizügigere Kama-Sutra-Text nicht mehr gerecht wurde.
Das Werk enthält in fünfzehn pachivedes (Kapiteln) ungefähr 800 Verse, die sich mit verschiedenen Themen beschäftigen: den Aspekten des Lunarkalenders, den Genitalien, erogenen Zonen, Charaktereigenschaften von Frauen verschiedenen Alters und verschiedenen Varianten der Umarmung, des Geschlechtsverkehrs, Sex-Stellungen, Kusstechniken etc.
Einige der Themen in diesem Werk werden nicht im Kama Sutra behandelt, wie die vier Kategorien von Frauen (Padmini, Chitrini, Shankini und Hastini) oder die Aufzählung der Tage und Stunden, an denen die Frauen der vier Kategorien jeweils am erregbarsten sind. Abhängig von der Größe der Genitalien empfiehlt der Text neun verschiedene Arten zum Vollzug des Geschlechtsverkehrs und benennt geeignete Aphrodisiaka.[2] Der Autor bemerkt, dass einige Ansichten aus den Lehren von Gonikaputra und Nandikeshwara stammen. Beide werden auch von Mallanaga Vatsyayana erwähnt, aber ihre Werke sind nicht erhalten.
Das Ratirahasya wurde sehr populär und in viele Sprachen übersetzt, neben den indischen Sprachen z. B. in Arabisch, Persisch, Türkisch, Englisch, Deutsch. Auf Hindi wurde der Autor Koka und sein Werk Koka Shastra (Lehren von Koka) genannt.
Alex Comfort, der Autor von The Joy of Sex, übersetzte Ratirahasya 1964 ins englische und veröffentlichte das Werk unter dem Titel The Koka Shashtra, Being the Ratirahasya of Kokkoka, and Other Medieval Indian Writings on Love (London: George Allen and Unwin).
Wie für das Kama Sutra wurden auch Kommentare für das Ratirahasya geschrieben. Das sind das Janavashya von Kallarasa (15. Jahrhundert n. Chr.), das Ananga Ranga von König Kalyanmalla (15. oder 16. Jahrhundert n. Chr.), Panchasayaka von Jyotirisha (13. oder 14. Jahrhundert n. Chr.), Ratiratnapradipika von Praudha Devaraja, Maharadscha von Vijayanagara (15. Jahrhundert n. Chr.).
Die Kapitel in der deutschen Übersetzung des Ratirahasya von S. Lienhard sind: