Riek Machar

Riek Machar

Riek Machar Teny Dhurgon (* 1952 in Leer) ist ein südsudanesischer Politiker. Er war von 2005 bis zum 23. Juli 2013 Vizepräsident des Südsudan und war es erneut vom 26. April 2016 bis zu seiner Absetzung durch Präsident Salva Kiir Mayardit am 25. Juli 2016.[1] Davor war er Kriegsherr im Sezessionskrieg. Er gehört dem Volk der Dok-Nuer an.

Riek Machar wurde als 26. Sohn eines Stammesführers in Leer im Bundesstaat Unity geboren. Machar ist Presbyterianer. Er studierte Ingenieurwissenschaft an der Universität Khartum und erzielte 1984 einen Ph.D.-Abschluss an der Universität von Bradford, England.[2]

Nach Sudan zurückgekehrt gehörte Machar zu den frühesten Mitgliedern der SPLA unter John Garang, die 1983 mit dem Aufstand in Bur den zweiten Bürgerkrieg gegen die sudanesische Regierung begann. Machar war zunächst Kommandant seiner Heimatprovinz und wurde dann Vize-Kommandant der SPLA. Im August 1991 spaltete er zusammen mit Lam Akol und Peter Par Jiek die Fraktion SPLA-Nasir (benannt nach dem Hauptsitz der Gruppe in der Stadt Nasir, auch SPLA-United) von der SPLA ab und wollte Garang entmachten. Garangs Kampftruppe wurde zur Unterscheidung nun SPLA-Torit nach dem Ort Torit genannt. Angeblicher Grund für die Spaltung war der gegen den autoritären Garang gerichtete Anspruch zu demokratischen Reformen. Der Unterschied zwischen beiden in der politischen Zielsetzung: Garang wollte Sudan unter einer neuen Regierung vereint sehen, während Machar eine Autonomie für den Süden forderte. Für ihren Machtkampf nutzen beide Führer alte ethnische Konflikte zwischen den jeweiligen Volksgruppen Dinka und Nuer aus. Riek Machar stilisierte sich zum religiösen Heilsbringer, indem er einen Volksglauben über den Nuer-Propheten Ngundeng missbrauchte, und rechtfertigte den Diebstahl von Rindern aus dem Besitz von Dinka als gerechten Ausgleich für frühere Viehdiebstähle der Dinka an den Nuer. An Nuer-Land angrenzende Dinka-Gebiete wurden verwüstet, Menschen umgebracht, Frauen und Kinder entführt. Machar nahm seinen Leuten die Skrupel und die Angst vor Verfolgung bei Straftaten mit der Behauptung, es gäbe zweierlei Arten von Kriegen: Hier gehe es um einen „Regierungskrieg“, bei dem die gegnerischen Verletzten und Toten kein rechtliches Problem und soziales Risiko bedeuten würden. Im Gegensatz dazu müssen bei einem „Krieg um die Heimat“ traditionsgemäß verletzte oder getötete Feinde mit Blutgeld bezahlt werden. Er sprach alle Nuer von der persönlichen Verantwortung ihrer Taten frei.

Viele Nuer liefen zur Nasir-Fraktion nicht wegen deren Grundsatzprogramm über, sondern allein, weil sie Nuer waren. Die Glaubwürdigkeit bei der eigenen Bevölkerung verlor Machar, als im Kampf auf persönlicher Ebene zwischen ihm und Garang immer mehr Zivilisten das Leben ließen. Bis zu einem von außen vermittelten Friedensschluss 1998 waren die Kämpfe zwischen verschiedenen SPLA-Fraktionen häufig grausamer und verlustreicher als die Angriffe der nordsudanesischen Armee. Riek Machar wird für das „Bor-Massaker“ an 2000 Dinka-Zivilisten in Bor 1991 verantwortlich gemacht, bei dem seine Truppe von Khartum mit Waffen ausgerüstet worden war. Tausende Dinka flohen anschließend in die Provinz Ost-Äquatoria.[3]

1992 trennte sich Machar von Akol. Letzterer behielt den Namen SPLA-Nasir für seine Fraktion. Machar gründete eine weitere Splittergruppe, die South Sudan Independence Movement/Army (SSIM/A). Mit ihr war Riek Machar zum direkten Verbündeten der sudanesischen Regierung geworden. In einer weiteren Spaltung verließen Mitglieder der SSIM aus dem südlichen Äquatoria Machar, um die Organisation Equatoria Defence Force (EDF) zu gründen. In einer gemeinsamen Absichtserklärung fanden sich SLA-Nasir, SSIM und EDF auf Seiten Khartums zusammen. 1997 unterzeichnete Machar ebenso wie die genannten Gruppen ein Friedensabkommen (Khartoum Peace Agreement, KPA) mit der Regierung in Khartum und formalisierte damit seine Beziehungen. Das Abkommen enthielt Regelungen zur Machtverteilung und die Verpflichtung, ein Referendum über die Selbstregierung Südsudans durchzuführen. Garang erklärte die KPA für illegitim und sich selbst zum alleinigen Repräsentanten des Südens. Danach führte Riek Machar die mit der Regierung, der National Islamic Front (NIF), verbündete South Sudan Defense Force (SSDF), die sich vor allem im Bundesstaat al-Wahda 1997/1998 Kämpfe mit dem ebenfalls von der Regierung unterstützten Nuer-Kriegsherrn Paulino Matiep, früherer Vize-Kommandant der SPLA, lieferte. Die Kampfhandlungen und Übergriffe dieser Gruppen trugen wesentlich zu Hunger unter der Zivilbevölkerung der Region bei. Nachdem sich Riek Machar nach Nairobi abgesetzt und dort eine weitere bewaffnete Oppositionsgruppe namens Sudan People's Democratic Front gegründet hatte, fanden sich seine Gruppen 2002 wieder auf der Seite der ursprünglichen SPLA und im Kampf gegen die Nordsudanesen zusammen.[4][5]

Machars erste Frau war Angelina Mang, eine Nuer. In seinem Hauptquartier im Dorf Ketbek, fünf Kilometer von Nasir nahe der äthiopischen Grenze, heiratete Machar im Juni 1991 die britische humanitäre Helferin Emma McCune, und lebte somit in Vielehe. McCune war für das kanadische Projekt Street Kids International im Rahmen der Operation Lifeline Sudan nach Sudan gekommen, wurde aber infolge ihrer Heirat entlassen.

Nach dem Sturz der damaligen äthiopischen Regierung mussten 100.000 sudanesische Flüchtlinge überraschend die Region Gambela in Äthiopien verlassen und wurden in das sudanesische Kriegsgebiet getrieben, was dort zu einer Hungersnot führte. Durch seine Beziehung mit McCune erlangte Machar Zugang zu Informationen der Hilfswerke, was ihm Vorteile verschaffte. Zudem erklärte er seine Heirat mit McCune als Erfüllung einer Vorhersage des Propheten Ngundeng. Ein ungenannter linkshändischer Nuer würde eine weiße Frau heiraten, soll der Prophet gesagt haben, so Machar.[6]

Im November 1993 starb die zu diesem Zeitpunkt schwangere McCune im Alter von 29 Jahren bei einem Autounfall in Nairobi. Angelina Mang wurde beim Friedensschluss 2005 Staatsministerin für Energie.[7]

Seit 2006 vermittelte Riek Machar als südsudanesischer Vizepräsident bei Friedensgesprächen in Juba wenig erfolgreich zwischen der Regierung Ugandas und den Rebellen der Lord’s Resistance Army.[8] Am 23. Juli 2013 wurde er von Präsident Salva Kiir Mayardit entlassen.[9]

Im Dezember 2013 misslang Machar ein Putsch gegen Salva Kiir Mayardit, womit der Bürgerkrieg im Südsudan begann. Am 12. Februar 2016 wurde Machar wieder zum ersten Vizepräsidenten ernannt[10] und am 25. August 2016 durch Taban Deng Gai ersetzt.

Das Sentry-Projekt, finanziert von George Clooney und dem Menschenrechtsaktivisten John Prendergast, wies über anonyme Quellen 2016 nach, dass sich Machar und andere Würdenträger des Landes an den Bodenschätzen bereicherten, während sie ihren Wohnsitz z. B. nach Nairobi verlagert hatten, um nicht von den Auswirkungen des Bürgerkrieges beeinträchtigt zu werden.[11][12] Außerdem bemängelt The Sentry, dass im vergangenen Jahr verabschiedete Sanktionen ausgerechnet die Elite des Landes nicht treffen würden.[13]

  • Johan Brosche, Kristine Höglund: Riek Machar: warlord-doctor in South Sudan. In: Anders Themner (Hrsg.): Warlord Democrats in Africa: Ex-Military Leaders and Electoral Politics. Zed, London 2017, ISBN 978-1-78360-249-0. S. 199–221.

Einzelnachweise

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  1. SPLM-IO says Machar’s illegal dismissal a conspiracy to destroy peace. Sudan Tribune, 26. Juli 2016
  2. Sudan SPLM leadership Bio-data and profiled. Sudan Tribune, 26. Dezember 2005 (Memento vom 29. Januar 2006 im Internet Archive)
  3. Naglaa Elhag: A Tale of two Wars: The Militarization of Dinka and Nuer. Identities in South Sudan. In: John Abbink und André van Dokkum (Hrsg.): Dilemmas of development: conflicts of interest and their resolutions in modernizing Africa. African Studies Centre 2008, S. 164–188 (Memento vom 22. Dezember 2009 im Internet Archive)
  4. John Young: Emerging North–South Tensions and Prospects for a Return to War. Small Arms Survey, Graduate Institute of International Studies, Genf 2007, S. 16f
  5. ASAP: The South Sudan Defence Force (SSDF): A challenge to the Sudan Peace Process. (Memento vom 20. Juli 2011 im Internet Archive) Institute for Security Studies, 8. April 2004 (PDF; 96 kB)
  6. Deborah Scroggins: Emma's War. Random House, New York 2004, S. 294. Der Buchtitel spielt auf die Verwicklung von McCune in den zwischen Machar und Garang entfesselten Bürgerkrieg an. Deutsch: Die weiße Kriegerin. Ein Schicksal in Afrika. Aufbau Verlag, Berlin 2006
  7. Machar’s wife escapes assassination attempt in South Sudan. Sudan Tribune, 31. Dezember 2008
  8. LRA dissatisfied with Southern Sudanese Vice-President Riek Machar. African Press International, 28. Januar 2007
  9. Riek Machar Teny | Riak Machar Teny. (Memento des Originals vom 19. Juli 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.sudantribune.com Sudan Tribune, Juli 2013
  10. Südsudan: Sudans Präsident Kiir ernennt Erzrivalen Machar zum Stellvertreter. In: Die Zeit. 12. Februar 2016, archiviert vom Original am 30. Juni 2016;.
  11. The Sentry: War Crimes Shouldn’t Pay. (PDF) Stopping the looting and destruction in South Sudan. In: The Sentry.org. 15. September 2016, abgerufen am 16. September 2016 (englisch).
  12. Christoph Titz: Die Villen der Warlords. In: Spiegel Online. 15. September 2016, abgerufen am 16. September 2016.
  13. Rick Gladstone: South Sudan Leaders Amass Great Wealth as Nation Suffers, Report Says. In: New York Times. 16. September 2016, abgerufen am 16. September 2016 (englisch).