Robert Seethaler wuchs in einer Arbeiterfamilie im zehnten Wiener GemeindebezirkFavoriten auf.[2] Die Mutter war Sekretärin, der Vater Schlosser und Holzschnitzer. Aufgrund eines angeborenen Augenfehlers (minus 18–19 Dioptrien[3]) wurde er mehrfach an den Augen operiert und besuchte eine Volksschule für Blinde und Sehbehinderte[4][5], ehe er auf ein Gymnasium wechselte, das er im Alter von fünfzehn Jahren wieder verließ.[6] Es folgten verschiedene Tätigkeiten und Aufenthaltsorte, so begann er eine Lehre als Verkäufer und war Botenjunge bei der österreichischen Tageszeitung Kurier , wo er auch kleinere Texte für den Sportteil schrieb. Hiernach ging er für einige Monate nach Israel, wo er auf einer Truthahnfarm arbeitete. Er war zeitweise als Physiotherapeut tätig und verkaufte Schallplatten.[3]
Später holte er nach eigenen Aussagen das Abitur nach und begann ein Studium der Psychologie, welches er jedoch abbrach.
Seethaler besuchte die Schauspielschule im Wiener Volkstheater und wirkte in einer Vielzahl von Produktionen für Kino und Fernsehen sowie an Theatern in Wien, Berlin, Stuttgart und Hamburg mit.[7] Dem Fernsehpublikum ist er als „Dr. Kneissler“ in der Serie Ein starkes Team bekannt. 2015 war Robert Seethaler neben Rachel Weisz, Michael Caine, Harvey Keitel, Jane Fonda und Paul Dano in der Rolle des Luca Moroder in Paolo Sorrentinos Kinofilm Ewige Jugend zu sehen, der im selben Jahr den Europäischen Filmpreis erhielt (bester Film, beste Regie)[8]. 2004 besuchte Robert Seethaler die Drehbuchwerkstatt München, wo sein dort entwickeltes Drehbuch-Debüt Heartbreakin’ mit dem Tankred-Dorst-Preis ausgezeichnet wurde. Im selben Jahr begann Seethalers literarisches Schaffen mit dem an Heartbreakin´ angelehnten Roman Die Biene und der Kurt. Es folgten die Romane Die weiteren Aussichten, Jetzt wirds ernst und Der Trafikant (Kein & Aber) sowie Ein ganzes Leben, Das Feld,Der letzte Satz(Hanser Verlag) und 2023 Das Café ohne Namen (claassen/Ullstein).
„Die Grundstimmung meines Lebens ist die Sehnsucht nach Stille“, sagt Seethaler in einem Interview mit der Zeitschrift Stern. „Das Schreiben ist für mich, als würde ich dem Schweigen Worte abringen.“[2] Seethalers Sprache ist eine besondere. Mit schnörkellosen Sätzen schält er alles Beiwerk ab, bis der Kern offenliegt. Das, was vom Leben übrig bleibt, wenn man mit Abstand daraufguckt, Liebe etwa, die Figuren bebend und wund zurücklassend, Arbeit, die verzehrt und zugleich erfüllt, Familie, Glück und vor allem: Tod.[5] Im Interview mit dem Spiegel betont er, es gehe ihm um Klang, Bild, Ton, Atem. Literatur entwickele sich aus der Sprache, nicht aus dem Schicksal.[5]
Im Frühjahr 2006 erschien Seethalers erster RomanDie Biene und der Kurt als literarische Adaption seines Drehbuches Heartbreakin’ . Der Roman erhielt im Jahr darauf den Debütpreis des Buddenbrookhauses in Lübeck. 2008 bis 2012 erschienen die Romane Die weiteren Aussichten, Jetzt wird's ernst sowie Der Trafikant im Verlag Kein & Aber (Zürich). Seit 2017 ist „Der Trafikant“ Schullektüre und Abiturstoff (Zentralabitur) in Baden-Württemberg sowie in Nordrhein-Westfalen.[14] Der Roman steht seit seinem Erscheinen fast ununterbrochen in den Bestsellerlisten von Buchreport undSpiegel und überschritt 2021 die Marke von einer Million verkauften Exemplaren. 2014 erschien der Roman Ein ganzes Leben über den Seilbahnarbeiter Andreas Egger bei Hanser Berlin. Das Buch wurde ein großer internationaler Erfolg mit Übersetzungen in über 40 Sprachen und stand auf der Shortlist für den International Booker Prize.[10] (Zusammen mit der Übersetzerin Charlotte Collins) Im 2018 erschienenen Roman Das Feld lässt Seethaler 29 Tote auf einem kleinstädtischen Friedhof ihre miteinander verwobenen Geschichten erzählen. 2020 erschien der Der letzte Satz, in dem der Komponist und Dirigent Gustav Mahler auf seiner Reise von Amerika nach Europa im April 1911 an Bord des Dampfers Amerika an sein Leben und Wirken zurückdenkt. Im 2023 erschienenen Roman Das Café ohne Namen erzählt Seethaler von einem Wiener Vorstadtcafé und seinen unterschiedlichen Gästen. Das Feld, Der letzte Satz und Das Café ohne Namen führten zusammen insgesamt sechzehn Wochen die Spiegel-Bestsellerliste Hardcover Belletristik an. Ein ganzes Leben hielt den ersten Platz in der Spiegel-Bestsellerliste Taschenbuch für zwei Wochen. Seit 2016 wurden Die Biene und der Kurt, Der Trafikant, Ein ganzes Leben sowie Das Feld für das Theater dramatisiert (Rowohlt Theater Verlag) und an verschiedenen Bühnen im deutschsprachigen Raum aufgeführt.
Am 20. Oktober 2016 erfolgte an der Württembergischen Landesbühne die Uraufführung einer Dramatisierung von Der Trafikant (Regie: Hans-Ulrich Becker). In den Jahren darauf folgten eine Reihe weiterer Aufführungen, unter anderem am Volkstheater Wien, dem Landestheater Salzburg, dem Theater Freiburg sowie an Theatern in Bonn, Bremen, Karlsruhe, Bremen, Münster, Krefeld, Aachen, Neuss und Stuttgart. Im November 2019 kam es am Staatstheater Wiesbaden zur Uraufführung einer Dramatisierung von Das Feld (Bühnenfassung und Regie: Marie Schwesinger), gefolgt von weiteren Inszenierungen am (Puppen)Theater Curioso Darmstadt und am Theater Laboratorium Oldenburg. Im selben Jahr hatte am Landestheater Schwaben die Dramatisierung von Ein ganzes Leben Premiere (Regie: Jana Milena Polasek) Im Oktober 2020 brachte die Württembergische Landesbühne eine Bühnenfassung von Die Biene und der Kurt zur Aufführung (Regie: Christine Gnann).
Der Film nach Seethalers Drehbuch zu Die zweite Frau wurde von Hans Steinbichler realisiert und hatte seine Premiere im Rahmen des Münchner Filmfestes. Er lief unter anderem am Toronto International Film Festival und erhielt 2009 drei Grimme-Preise sowie eine Nominierung für den Europäischen Medienpreis für Integration. In den Hauptrollen spielen Matthias Brandt und Monica Bleibtreu.[15] Der Film Der Trafikant nach dem gleichnamigen Roman wurde 2018 fertiggestellt und lief in deutschsprachigen und internationalen Kinos. Die Hauptrollen übernahmen Bruno Ganz (als Sigmund Freud) und Simon Morzé. Robert Seethaler wirkt in einem Cameo-Auftritt als Gestapo-Mann mit.[16] Der Film Ein Ganzes Leben nach dem gleichnamigen Roman wurde 2022 unter der Regie von Hans Steinbichler in der Marktgemeinde Matrei in Osttirol gedreht und hatte 2023 Premiere beim Filmfest Zürich.
Thea Caillieux: Der Trafikant. Arbeitsheft Klasse 10 – 12. Klett Verlag 2016. ISBN 978-3-12-352537-7
Klett Lektürehilfen (Hrsg.): Der Trafikant. Interpretationshilfe für Oberstufe und Abitur. Klett Verlag 2017. ISBN 978-3-12-923113-5
Anette Sosna: Der Trafikant. Einfach Deutsch Unterrichtsmodelle. Westermann Verlag 2017. ISBN 978-3-14-022770-4
Jonathan Hirtz: Die Ästhetik der Vernunft im (Anti-) Bildungsroman. Eine Analyse der Romane „Der Gehülfe“ von Robert Walser und „Der Trafikant“von Robert Seethaler im Vergleich. GRIN Verlag 2018.
Daniela Janke: Einfach Deutsch … verstehen. Robert Seethaler Der Trafikant. Westermann Verlag 2018. ISBN 978-3-14-022660-8
Jan Standke: Der Trafikant. Lektüreschlüssel mit Inhaltsangabe. Reclam Verlag 2018. ISBN 978-3-15-015475-5
Dr. Daniel Rothenbühler, Robert Seethaler: Ein ganzes Leben: Textanalyse und Interpretation mit ausführlicher Inhaltsangabe und Abituraufgaben mit Lösungen. C. Bange Verlag 2019. ISBN 978-3-8044-2047-2
Wilhelm Borcherding: Der Trafikant. Kopiervorlagen mit Downloadpaket Oberstufe. Klett Verlag 2020. ISBN 978-3-12-352626-8
Michael Dengler: Der Trafikant. STARK Interpretationen Deutsch. Stark Verlag 2020. ISBN 978-3-8490-4352-0
Arnd Nadolny: Der Trafikant. Textanalyse und Interpretation. C. Bange Verlag 2022. ISBN 978-3-8044-2083-0
Cedric Niebrügge: Der Trafikant von Robert Seethaler als Beispielwerk für die Gattung Epik im Zentralabitur NRW. GRIN Verlag 2022.
Georg Büchner, Robert Seethaler: Abitur Nordrhein-Westfalen 2024 Grundkurs Deutsch – Paket: Ein Bundle mit allen Lektürehilfen zur Abiturprüfung: Der Trafikant, Woyzeck, Reisen – … bis zur Gegenwart. C. Bange Verlag 2022. ISBN 978-3-8044-9847-1
Gotthold Ephraim Lessing, Robert Seethaler Rüdiger Bernhardt: Abitur Deutsch NRW 2022 – Paket: Nathan der Weise, Der Trafikant … C. Bange Verlag 2020. ISBN 978-3-8044-9839-6
2016: Shortlist des International Booker Prize für die englischsprachige Übersetzung von Ein ganzes Leben (gemeinsam mit Übersetzerin Charlotte Collins)
Andreas Platthaus: Von jetzt an geht es schnell. Rezension, FAZ, 13. Juni 2018
Elmar Krekeler: Die schönen Spuren der Schritte und der Worte. Rezension, Welt, 11. August 2014
Christoph Schröder: Ein jeder hinkt für sich allein. Rezension, TAZ, 2. August 2014
Stephan Lohr: Das Leben, vom Ende aus betrachtet. Rezension, Spiegel Kultur, 4. Juni 2018
Philipp Haibach: Hört doch den Stimmen der Toten zu. Rezension, Welt, 3. Juni 2018
Bettina Cosack: Es wird eine Kälte sein. Rezension, Frankfurter Rundschau, 29. September 2014
Thomas E. Schmidt: Die Würde des Geringsten. Rezension, Die Zeit, 1. Oktober 2014
Florence Noiville: Le romancier autrichien Robert Seethaler : « Il n’y a que le regard vers l’intérieur qui soit inspirant », Le Monde, 17. April 2022
Christine Ferniot: Robert Seethaler : “La personnalité fascinante de Gustav Mahler m’a donné envie d’écrire ce ‘Dernier Mouvement’”, Télérama, 24. Februar 2022
Florence Noiville: Robert Seethaler, lumières du malvoyant, Rezension, Le Monde, 1. Dezember 2014
Philippe Chevilley: Le Champ : le grand choeur des âmes, Rezension, Les Echos, 8. Januar 2020
Sébastien Lapaque: Le champ de Robert Seethaler: office des morts, Rezension. Le Figaro, 26. Februar 2020
Pierre Deshusses: Le Champ de Robert Seethaler: les morts parlent à qui sait les écouter. Rezension, Le Monde, 16. Januar 2020
Christian House: The Tobacconist by Robert Seethaler review – bittersweet follow-up to A Whole Life. Rezension, The Guardian, 20. November 2016
Adam Lively: A Whole Life by Robert Seethaler trans Charlotte Collins. Rezension, The Times, 26. Juli 2015
Stephen Heyman: Robert Seethaler Talks About His New Book, Writing and Acting. Interview, New York Times, 24. August 2016
Eileen Battersby: A Whole Life by Robert Seethaler: one man endures, one day at a time. Rezension, Irish Times, 17. Oktober 2015
Ingeborg Waldinger: Großes Kino, große Gefühle. Porträt, NZZ, 8. Januar 2014
Jan Drees: Mahnung an die Hybris. Rezension, Der Freitag, Ausgabe 36/2014
Björn Hayer: Gustav Mahlers Adieu: „Der letzte Satz“. Rezension. Wiener Zeitung, 4. September 2020
Andreas Platthaus: Freuds Freund. Rezension FAZ, 2. November 2012
Felix Stephan: Mahler fröstelte. Rezension. Süddeutsche Zeitung, 1. August 2020, S. 18
Annemarie Stoltenberg: Gustav Mahler auf seiner letzten Reise. Rezension. NDR, 4. August 2020
↑Österreichische Botschaft Berlin: Ordensverleihung an Schriftsteller Seethaler. Österreichische Botschaft, 3. März 2022, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 10. April 2023; abgerufen im Jahr 2023.Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bmeia.gv.at