Schienenverkehr in Großbritannien

Das britische Eisenbahnnetz ist das älteste der Welt. Es umfasst 16.536 km Normalspurstrecken (1435 mm). Davon sind 4928 km elektrifiziert und 12.591 km doppel- oder mehrgleisig. Nach der Eröffnung der ersten Strecke mit Personenverkehr im Jahr 1825 entstanden hunderte von Eisenbahngesellschaften (siehe Liste), die sich 1922 nach zahlreichen Fusionen zu vier Gesellschaften konsolidierten. 1948 wurden die Eisenbahnen verstaatlicht, anschließend das Streckennetz auf weniger als die Hälfte reduziert. Zwischen 1994 und 1997 erfolgte schrittweise die Privatisierung der Staatsbahn British Rail.

Die Bahninfrastruktur (insbesondere Schienen, Bahnhöfe, Betriebswerkstätten und Signale) ist im Besitz der nicht-gewinnorientierten Gesellschaft Network Rail. Der Personenverkehr wird von zahlreichen Bahngesellschaften durchgeführt. Die meisten erbringen nach dem Franchising-Prinzip bestimmte, von der Regierung festgelegte Leistungen und erhalten im Gegenzug finanzielle Unterstützung. Der Güterverkehr ist vollständig kommerzialisiert, die verschiedenen Betreiber erhalten keine staatlichen Zuwendungen.

Historischer Überblick

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Das britische Eisenbahnnetz entstand aus zahlreichen lokalen Bahnstrecken, die von hunderten kleinen privaten Bahngesellschaften errichtet wurden. Die weltweit erste Bahnstrecke mit Personenverkehr war die 1825 eröffnete Stockton and Darlington Railway, die 1830 eröffnete Liverpool and Manchester Railway war die erste Eisenbahnstrecke, die zwei Großstädte miteinander verband.

Im Verlaufe des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts fusionierten diese Gesellschaften miteinander oder wurden von Konkurrenten aufgekauft, bis nur noch einige wenige große Gesellschaften übrig blieben. Während des Ersten Weltkriegs übernahm der Staat die planerische Kontrolle über das Eisenbahnwesen, lehnte es aber vorerst ab, die Gesellschaften zu verstaatlichen. Stattdessen wurden fast alle noch bestehenden Gesellschaften am 1. Januar 1923 zu vier großen Unternehmen (Big Four – die großen Vier) zusammengefasst: Great Western Railway, London and North Eastern Railway, London, Midland and Scottish Railway und Southern Railway. Einige Eisenbahnstrecken wurden von zwei Gesellschaften gemeinsam betrieben.

Während des Zweiten Weltkriegs legten die vier Gesellschaften ihre Verwaltung zusammen, um Kosten zu sparen, so dass es effektiv nur noch ein einziges Bahnunternehmen gab. 1945 beschloss die Regierung (Kabinett Attlee I), aus praktischen und auch ideologischen Gründen die Big Four zu verstaatlichen. Am 1. Januar 1948 wurden die British Railways gegründet (später British Rail). Mitte der 1950er Jahre begann der langsame stetige Niedergang der britischen Eisenbahnen, als sich der Verkehr immer stärker auf die Straße verlagerte.

Unter der Leitung von Richard Beeching wurde das britische Eisenbahnwesen grundlegend neu organisiert. Der so genannten Beeching-Axt fiel in den 1960er und frühen 1970er Jahren rund die Hälfte aller Strecken zum Opfer, hauptsächlich schwach ausgelastete Nebenstrecken. Weitergehende Pläne Beechings, den Eisenbahnverkehr auf wenige Stammstrecken zu beschränken, wurden nicht umgesetzt. Zu Beginn der 1990er Jahre wurde British Rail grundlegend reorganisiert; an die Stelle der geographisch definierten Betriebsregionen traten nach Betriebsart organisierte Abteilungen.

1994 und 1995 wurde British Rail aufgeteilt in je eine Infrastruktur-, Unterhalts-, Rollmaterial-, Personenverkehrs- und Güterverkehrsgesellschaft; diese wurden 1996 und 1997 privatisiert. Die gesamten Bahnanlagen fielen in die Zuständigkeit von Railtrack, während der Personenverkehr in regionale Franchisen aufgeteilt und der Güterverkehr ganz abgestoßen wurde. Die Privatisierung erwies sich als teilweiser Erfolg, da die Passagierzahlen in der Folge stark anstiegen und heute über dem Niveau der späten 1950er Jahre liegen. Allerdings stiegen die Preise stark an und liegen heute über dem Niveau anderer europäischer Länder wie Deutschland, Spanien oder Frankreich. Auch entspricht der Trend zu steigenden Passagierzahlen einem weltweiten Trend, der sich auch in anderen Ländern mit weiterhin staatlichen Eisenbahnen beobachten lässt.

Nach einigen schweren Unfällen erlitten die britischen Eisenbahnen einen erheblichen Imageverlust. Am 17. Oktober 2000 starben vier Menschen bei einem Unfall in Hatfield (Hertfordshire) und 70 wurden verletzt.[1] Danach wurden mehr als 1200 Langsamfahrstellen auf dem gesamten Streckennetz eingerichtet. Railtrack, das aus Kostensenkungsgründen das Schienennetz nur spärlich sanierte, sah sich gezwungen, ein kostspieliges Gleiserneuerungsprogramm durchzuführen, das letztlich zur Insolvenz von Railtrack führte. An seine Stelle trat im Oktober 2002 das nicht-gewinnorientierte Unternehmen Network Rail.

Fünf von London aus radial verlaufende Hauptstrecken bilden das Gerüst des britischen Schienennetzes. Es sind dies die West Coast Main Line, die East Coast Main Line, die Midland Main Line, die Great Western Main Line und die Great Eastern Main Line. Wichtigste Querverbindung ist die Cross-Country Route von York nach Bristol. Diese Strecken werden ergänzt durch zahlreiche Regionallinien und dichte Vorortnetze in den Ballungszentren.

Die High Speed 1 ist die bisher einzige Schnellfahrstrecke und war nach fast 100 Jahren die erste Neubaustrecke überhaupt. Sie verbindet London mit dem Eurotunnel, ist vom übrigen Schienennetz abgesehen von einigen Übergangsstellen betrieblich getrennt und nach den gleichen Spezifikationen gebaut wie das TGV-Netz in Frankreich.

Personenverkehr

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Zugreisende in Großbritannien von 1829 bis 2019, unterteilt in die Anfangszeit der Einzelgesellschaften, die Vereinigung dieser zu den Big Four, die Zeit der staatlichen Eisenbahn British Rail und die der Privatisierung von heute.

Der Personenverkehr ist auf der Basis von regionalen Franchisen strukturiert, die vom Verkehrsministerium an privatwirtschaftliche Bahnbetriebsgesellschaften vergeben werden. Abweichungen bestehen bei Merseyrail, wo das Franchise von Merseyside Passenger Transport Executive vergeben wird sowie bei ScotRail, wo das Verkehrsministerium nach den Vorgaben der schottischen Regierung handelt. Ursprünglich gab es 25 Franchisen, doch die Anzahl der Bahnbetriebsgesellschaften ist geringer, da einige Unternehmen – darunter First Group, National Express Group und Stagecoach Group – im Besitz mehrerer Franchisen sind. Darüber hinaus sind einige Franchisen kombiniert worden. Einzelne Gesellschaften operieren außerhalb des Franchising-Systems ohne staatliche Unterstützung, wie z. B. Heathrow Express und Hull Trains.

Die aus der Zerschlagung von British Rail hervorgegangenen Eisenbahnverkehrsunternehmen nehmen ihre Interessen durch die Rail Delivery Group wahr. Unter der Markenbezeichnung National Rail und dem Logo der früheren British Rail organisiert dieser Verband eine gemeinsame Tarifstruktur mit einem einheitlichen Fahrscheinangebot.

Während der COVID-19-Pandemie 2020 sank die Zahl der Fahrgäste um etwa 70 Prozent und damit auch die Ticketeinnahmen. Damit der Verkehr aufrechterhalten werden konnte, übernahm das Department for Transport das wirtschaftliche Risiko für den Betrieb, womit das Franchise-System ausgesetzt wurde.[2][3] Im September 2020 wurde bekanntgegeben, das Franchise-System dauerhaft zu beenden und durch ein neues System zu ersetzen.[4]

Der Güterverkehr ist vollständig kommerzialisiert, die verschiedenen Betreiber erhalten keine Zuwendungen von der Regierung. Zurzeit gibt es sechs Betriebsgesellschaften, die Güterverkehr durchführen. Es sind dies DB Cargo UK, Direct Rail Services, Fastline, Freightliner, GB Railfreight und Mendip Rail.

Rollmaterial-Leasing

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Die meisten Bahngesellschaften besitzen kein eigenes Rollmaterial, sondern leihen dieses von Leasinggesellschaften. Dies trifft vor allem auf den Personenverkehr zu. Nach der Privatisierung von British Rail wurde das Rollmaterial entweder direkt an Betriebsgesellschaften (eher selten, fast ausschließlich im Güterverkehr) oder an Leasingunternehmen verkauft. Neben den drei großen Unternehmen Angel Trains (Royal Bank of Scotland RBS), HSBC Rail (HSBC) und Porterbrook (Abbey National Bank), die langfristige Vereinbarungen mit den Betriebsgesellschaften treffen, entstanden kleinere Leasinggesellschaften, die auf kurzfristiger Basis tätig sind.

Aufsichtsbehörden

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Da die britischen Eisenbahnen privatisiert sind, werden sie nicht direkt von der Regierung geführt. Allerdings unterliegen sie wirtschaftlichen und sicherheitstechnischen Bestimmungen, die von verschiedenen Regierungsstellen erlassen wurden.

2006 übernahm das Verkehrsministerium die meisten Aufgaben der mittlerweile aufgelösten Strategic Rail Authority. Die Schienenverkehrsabteilung des Ministeriums ist nun selbst verantwortlich für die Ausschreibung der Franchisen im Personenverkehr. Sobald diese vergeben sind, überwacht das Ministerium die Einhaltung der Verträge und greift bei Fehlverhalten ein. Die Franchisen legen die im Personenverkehr zu erbringenden Leistungen fest und die Qualitätsbestimmungen, welche die Betriebsgesellschaften erfüllen müssen (z. B. Sauberkeit, Ausstattung und Öffnungszeiten der Bahnhöfe, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Züge). Bei einigen Franchisen erhalten die Betriebsgesellschaften Subventionen.

Die zweite Aufsichtsbehörde ist das Office of Rail Regulation, welche die wirtschaftlichen und sicherheitstechnischen Belange überwacht. Das Rail Safety and Standards Board koordiniert die Bemühungen der einzelnen beteiligten Gruppen, die Sicherheit im Eisenbahnwesen zu verbessern.

Struktur des Eisenbahnwesens

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Aufsichtsbehörden

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Schienennetzinfrastruktur

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Sonstige nationale Organisationen

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Regionale Organisationen

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Commons: Eisenbahnen in Großbritannien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. siehe auch en:Hatfield rail crash
  2. Rail emergency measures during the COVID-19 pandemic . gov.uk, 23. März 2020, abgerufen am 22. September 2020.
  3. Covid-19: government suspends rail franchise agreements. The Guardian, 23. März 2020, abgerufen am 22. Juli 2020.
  4. Rail franchising reaches the terminus as a new railway takes shape . gov.uk, 21. September 2020, abgerufen am 22. September 2020.