Klassifikation nach ICD-10 | |
---|---|
O66.0 | Geburtshindernis durch Schulterdystokie |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Als Schulterdystokien werden zusammenfassend die Einstellungsanomalien bezeichnet, die nach der Geburt des Kopfes die vollständige Entwicklung des Kindes erschweren, es liegt eine regelwidrige Einstellung des Schultergürtels in Abhängigkeit vom Höhenstand des Kopfes vor.
Die Schulterdystokie ist ein unvorhersehbarer geburtshilflicher Notfall, der sofortiges Handeln notwendig macht, da es fast zeitgleich zu einer kindlichen Hypoxie (Sauerstoffmangel) kommt. Die Häufigkeit wird mit 0,2 bis 3 % aller Geburten, in Abhängigkeit vom Geburtsgewicht der Kinder angegeben.
Man unterscheidet zwischen einem hohen Schultergeradstand und einem tiefen Schulterquerstand.
Beim hohen Schultergeradstand ist die Formanpassung an den Beckeneingang ausgeblieben. Anstatt sich quer, entsprechend der Form des Beckeneingangs, einzustellen, hat sich der Schultergürtel im geraden Durchmesser eingestellt. Das Tiefertreten wird von der Symphyse (Schambein) behindert, da die vordere Schulter von ihr nicht freigegeben wird.
Beim tiefen Schulterquerstand ist die Formanpassung der Schulter an den längsovalen Beckenausgangsraum ausgeblieben. Sie hat sich im queren Durchmesser eingestellt und behindert die Geburt des nachfolgenden Körpers, nachdem der Kopf bereits geboren ist.
Oft war zuvor die Austreibungsperiode verlängert oder der Durchtritt des Kopfes ist bereits erschwert verlaufen. Nach der Geburt des Kopfes zieht dieser sich wieder zurück und scheint dem Beckenausgang förmlich aufgepresst (sog. „Turtle-Phänomen“), eine scheinbar physiologische 2. Rotation (siehe Geburtsmechanik) kann erfolgen, da das Kind versucht, die starke Halsspannung zu beseitigen, die durch den im Vergleich zum Rumpf um 90° gedrehten Kopf entsteht. Im weiteren Verlauf tritt beim Kind eine bläulich-livide Hautverfärbung des Gesichtes ein, welche durch eine venöse Stauung verursacht wird und zunächst kein Zeichen einer fetalen Hypoxie darstellt. Diese entwickelt sich erst bei längerdauerndem Bestehen der Schulterdystokie, eine ungefähre Zeitangabe, wann es zu manifesten Hirnschädigungen kommt, kann jedoch nicht angegeben werden.
Die Ursache besteht meist in einer Übergröße des Kindes (mehr als 4000 g), oft bei Kindern diabetischer Mütter, die meist eine Makrosomie aufweisen, da hier die Schulterbreite größer ist als der Kopfumfang. Allerdings gibt es auch Hinweise darauf, dass weniger die Makrosomie bei Kindern diabetischer Mütter das Problem ist, als vielmehr ein überproportioniertes Wachstum von insulinsensitivem Gewebe, wozu auch Rumpf- und Schulterbereich gehören.[1]
Ursache kann auch ein forciertes Geburtsmanagement sein (verfrühtes Mitpressen, massive Anwendung des Kristellerhandgriffs und vaginal-operative Entbindungen (Saugglocke, Zange)), hierbei hatte der Rumpf zu wenig Zeit, eine regelrechte Einstellung zu finden.
Das Vornehmen eines Dammschnittes wird in Fachkreisen kontrovers diskutiert, da ein Dammschnitt nur den Scheidenausgang und nicht den Beckeneingang erweitert. Als weitere Maßnahmen zur Lösung der Schulter sind bekannt:
Invasivere Rettungsmanöver (die heute kaum noch zum Einsatz kommen):