Die Schulze-Methode (nach Markus Schulze) ist ein Wahlverfahren aus der Familie der Vorzugswahlen, mit dem ein einzelner Sieger bestimmt wird. Es ist die derzeit verbreitetste Methode, um Wahlen durchzuführen, bei welchen der Wähler Kandidaten nach Rang ordnet.
Die Schulze-Methode ist eine Condorcet-Methode, d. h., dass sie einen Kandidaten, der im paarweisen Vergleich jeden anderen Kandidaten besiegen würde, als Sieger auswählt, sofern ein solcher existiert.
Markus Schulze hat die Methode 1997 entwickelt. Die ersten Veröffentlichungen datieren von 2003 und 2006.[1][2][3] Verwendet wurde die Schulze-Methode erstmals 2003 (von Software in the Public Interest), 2003 (von Debian) und 2005 (von Gentoo Linux).
Jeder Wähler erhält eine komplette Liste aller Kandidaten. Er reiht die Kandidaten, indem er ihnen Zahlen zuordnet. Eine kleine Zahl ist besser als eine größere, jedoch zählt nur die Reihenfolge. Kandidaten mit gleicher Zahl sind an gleicher Stelle gereiht. Kandidaten ohne Zahl sind gemeinsam an letzter Stelle – so als ob der Wähler ihnen jeweils die größtmögliche Zahl zugeschrieben hätte.
Die Anzahl der Wähler, die den Kandidaten dem Kandidaten vorziehen (d. h. die bei eine kleinere Zahl als bei vermerkt haben), wird durch ausgedrückt.
Der Wert von wird aus den Stimmabgaben gezählt
ist die Zahl der Wähler, die Kandidaten besser als finden.
ist die Zahl der Wähler, die Kandidaten besser als finden.
Für diese Werte ist es unerheblich, ob noch andere Kandidaten existieren und ob diese besser oder schlechter als und oder zwischen beiden eingestuft werden.
Ein Weg (englischpath) vom Kandidaten zum Kandidaten der Stärke ist eine Sequenz von Kandidaten mit den folgenden Eigenschaften:
, d. h. der Weg beginnt bei .
, d. h. der Weg endet bei .
, d. h. jeder Kandidat auf dem Weg gewinnt den paarweisen Vergleich gegen den auf ihn folgenden Kandidaten.
, d. h. jeder Kandidat auf dem Weg wird gegenüber dem auf ihn folgenden Kandidaten von mindestens Wählern bevorzugt.
, d. h. wenigstens einer dieser Vergleiche wird von (nur) genau Wählern gestützt.
Hat ein Weg die Stärke , so werden die Bögen dieses Weges, für die gilt, kritische Siege genannt. Bei ihnen handelt es sich um die schwächsten Siege auf dem Weg.
, die Stärke des stärksten Weges vom Kandidaten zum Kandidaten , ist der größte Wert, so dass es einen Weg dieser Stärke vom Kandidaten zum Kandidaten gibt. Falls es überhaupt keinen Weg von nach gibt, wird gesetzt.
Kandidat ist besser als Kandidat genau dann, wenn ist.
Kandidat ist ein potentieller Sieger genau dann, wenn ist für jeden anderen Kandidaten .
Es lässt sich zeigen, dass die besser-Relation transitiv ist. Es existiert somit stets mindestens ein potentieller Sieger.
Tabelle, die jeden Kandidaten mit jedem anderen vergleicht. Die rot markierten Felder werden weiter benutzt. Z. B. wurde Kandidat von Stimmen gegenüber bevorzugt.
Von den Verbindungen zwischen Kandidaten wird diejenige gesucht, bei der das schwächste Glied am stärksten ist. Bildlich gesprochen wird die stärkste Kette gesucht. Wie kommt man von nach ?
Bei über nach ist das schwächste Glied von nach mit .
Bei über und nach ist das schwächste Glied nach mit . Diese Kette ist stärker und wird nachfolgend verwendet.
Man kann sich den Vorgang beispielsweise aus Sicht eines Transportunternehmens vorstellen, das möglichst viele Pakete auf einmal von einer Stadt in die andere transportieren möchte (egal wie lang der Weg ist). Ohne Zwischenlager kann natürlich nur so viel transportiert werden wie das Fassungsvermögen des kleinsten Transportmittels, das am Weg verwendet wird: Wenn die Pakete zuerst per Fähre, dann per Lastwagen und zuletzt per Güterzug transportiert werden, dann ist wahrscheinlich der Lastwagen am kleinsten. Im Vergleich zu einer anderen Route (die z. B. einen Pickup-Truck enthält) ist der Lastwagen damit das schwächste Glied der stärksten Kette.
Oft wird dieses schwächste Glied der stärksten Kette auch kritischer Sieg genannt. Die kritischen Siege der stärksten Wege sind unterstrichen.
Das schwächste Glied der stärksten Verbindung, wie oben gefunden, wird in eine Tabelle eingetragen. Dann wird wieder paarweise verglichen, wer wen schlägt, in der Tabelle unten wieder rot markiert.
Das schwächste Glied der stärksten Verbindung wie oben gefunden, wird in eine Tabelle eingetragen. Dann wird wieder paarweise verglichen, wer wen schlägt, in der Tabelle unten wieder rot markiert. Violett markiert ist jeder Gleichstand.
Spezielle Heuristiken der Schulze-Methode sind auch bekannt unter den Namen Beatpath, Beatpaths, Beatpath Method, Beatpath Winner, Path Voting, Path Winner, Schwartz Sequential Dropping (SSD) und Cloneproof Schwartz Sequential Dropping (CSSD).
Die Schulze-Methode erfüllt die folgenden Kriterien[4][5] (Zur Erläuterung der wichtigsten Kriterien siehe Abschnitt Qualitätskriterien im Artikel Sozialwahltheorie):
Majority criterion
Mutual majority criterion
Monotonicity criterion (auch bezeichnet als non-negative responsiveness, mono-raise)
Die Schulze-Methode wird derzeit nicht in staatlichen Wahlen angewandt. Sie findet jedoch mehr und mehr Anwendung in Privatorganisationen. Sie ist u. a. in folgenden Organisationen benutzt worden:
Tommi Meskanen, Hannu Nurmi: Distance from Consensus: a Theme and Variations. (PDF; 130 kB) In: Bruno Simeone, Friedrich Pukelsheim (Hrsg.): Mathematics and democracy: recent advances in voting systems and collective choice. Studies in choice and welfare. Springer, Berlin u. a. 2006, ISBN 3-540-35603-7, S. 117–132, hier S. 120 ff.
Massimo Narizzano, Luca Pulina, Armando Tacchella: Ranking and Reputation Systems in the QBF Competition. (PDF; 455 kB) In: AI*IA ’07 Proceedings of the 10th Congress of the Italian Association for Artificial Intelligence on AI*IA 2007: Artificial Intelligence and Human-Oriented Computing. Springer, Berlin / Heidelberg 2007, ISBN 978-3-540-74781-9.
↑Nicolaus Tideman: Collective Decisions and Voting: The Potential for Public Choice. Ashgate Publishing, 2006. Saul Stahl, Paul E. Johnson: Understanding Modern Mathematics. Jones & Bartlett Publishing, 2006