Die Literatur der Schweiz unterscheidet nach den vier Landessprachen deutsche, französische, italienische und rätoromanische Literatur. Die Schriftsteller aller Landesteile sind heute in einem gemeinsamen Autorenverband organisiert, dem Verein Autorinnen und Autoren der Schweiz (AdS).
Die Literatur im deutschen Sprachraum der Schweiz ist wie die Literaturen im übrigen deutschsprachigen Raum (z. B. die österreichische Literatur) eher eine geografische Einordnung als ein eigenständiger Literaturraum. So gehören die schweizerischen Autoren zum deutschen Kulturraum und damit auch zur deutschen Literatur. Eine Ausnahme davon bilden allenfalls – eingeschränkt – die mundartsprachlichen Erzeugnisse für den alemannischen Sprachraum.
Schon im Mittelalter gab es im deutschen Sprachraum literarisches Schaffen in verschiedenen Klöstern: Im Kloster Muri entstand um 1250 das älteste deutschsprachige Osterspiel und das erste Krippenspiel etwas später in der Fürstabtei St. Gallen. Auch höfische Lyrik entstand im Gebiet der heutigen Deutschschweiz, so der Codex Manesse in Zürich. Im 16. Jahrhundert verfasste Aegidius Tschudi die Schweizerchronik. Dieses Werk war für Schiller die Grundlage zu seinem Wilhelm Tell. Ein wichtiger Vertreter der Aufklärungsepoche war der Mediziner Albrecht von Haller, der mit seinem Gedicht Die Alpen starke Einwirkungen auch auf die deutsche Naturdichtung ausübte. Von erheblicher Bedeutung waren sodann Johann Jakob Bodmer und Johann Jakob Breitinger, die die deutsche Dichtung aus ihrer Abhängigkeit von der französischen befreiten und deren Einfluss bis zu Klopstock, Wieland, Lessing und dem jungen Goethe reichte. Johann Heinrich Füssli und Johann Caspar Lavater sind wichtige Vorgänger des Sturm und Drang.[1] Eine Wirkung weit über den deutschsprachigen Raum hinaus erzielte am Ende des 18. Jahrhunderts Johann Heinrich Pestalozzi mit seinem Roman Lienhard und Gertrud. Und auch Ulrich Bräkers autobiographische Lebensgeschichte und Natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg fand begeisterte Aufnahme. Johann Gaudenz von Salis-Seewis verfasste Gedichte, die sich durch „natürliche Schlichtheit“[2] auszeichneten. Darunter war auch Bunt sind schon die Wälder, das mehrfach vertont wurde und als Lied volkstümlich wurde.
Die deutschschweizerische Literatur stand seither in einem steten Spannungsverhältnis zu den übergeordneten Entwicklungen des deutschen Sprach- und Literaturraums. Neben einer immer schon existenten, nur regional lebendigen Literaturszene entstanden im 19. Jahrhundert bedeutende Werke, die zum festen Bestandteil des Kanons der Literatur in deutscher Sprache zählen, insbesondere jene von Klassikern der realistischen Literatur wie Jeremias Gotthelf, Gottfried Keller oder Conrad Ferdinand Meyer. Keller, der 1848/49 zu einem Studienaufenthalt in Heidelberg weilte, konnte dort das Scheitern der bürgerlichen Revolution erleben, was sein novellistisches Werk prägte. Die fünf Jahre in Berlin, in denen er die erste Fassung des Grünen Heinrich erarbeitete, beschrieb er als «Korrektionsanstalt».
In der Zeit von 1890 bis ca. 1920 folgte die Entwicklung in der Schweiz nicht der für die europäische Entwicklung typischen Abfolge von Naturalismus, Symbolismus, Jugendstil usw., sondern war gekennzeichnet durch das Festhalten an der realistischen Erzähltradition, zunehmend auch durch einen nicht-mundartlichen literarischen Heimatstil, der vor allem durch die Nachfrage der Leser und der Verlage im benachbarten damaligen kaiserlichen Deutschen Reich angeregt wurde. Charakteristische Vertreter dieser Richtung sind Ernst Zahn, Jakob Christoph Heer und Alfred Huggenberger; auch Heinrich Federer wird teilweise dazu gezählt. Die ebenfalls in dieser Zeit geschaffenen Heidi-Bücher von Johanna Spyri gehören nach den Werken von Agatha Christie zu den weltweit meistverkauften Büchern aller Zeiten.
In der Zeit nach der Jahrhundertwende und vor dem Ersten Weltkrieg wächst eine Generation von Schriftstellern heran, die im Ausland – oft in Berlin – neue Inspiration finden. Berlin «ist für die Literatur der Schweiz […] ein Ort der Selbstfindung, der Künstlerwerdung, der erotischen Trance.»[3] Robert Walser, Paul Ilg, Jakob Schaffner, Charlot Strasser, Albert Steffen, Ruth Waldstetter – für sie alle liefert die Modernitätserfahrung der Grossstadt in literarischer Hinsicht ein Gegenprogramm zum Alpen- und Bauernroman. Die zeitgenössische Literaturkritik hat den neuen Zug im «dichterischen Weltbild» erkannt und zum Teil begrüsst.[4] Die Literaturwissenschaft hat für diese Phase der Schweizer Literatur, in der vor allem erzählende Werke Aufmerksamkeit fanden, den Begriff «epische Dekade» geprägt.[5]
Hermann Hesse, mit ursprünglich russischer und deutscher Staatsbürgerschaft, ist unter den Schweizer Schriftstellern ein «gewichtiger Sonderfall».[6] Auch sein Auftreten fällt in diese Phase.
Das Selbstverständnis der Deutschschweizer Schriftsteller, einem grossen, von nationalen Grenzen kaum beeinträchtigten Sprachraum anzugehören, erhielt beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs einen abrupten Dämpfer, denn innerhalb der Schweiz wuchsen die Spannungen zwischen der frankophilen Romandie und der germanophilen Deutschschweiz. Und um ein Auseinanderbrechen des Landes zu verhindern, mussten die Gemeinsamkeiten zwischen den Landesteilen stärker betont werden. Carl Spitteler, als «Doyen unter den Schweizer Autoren»,[7] fiel die Aufgabe zu, zu diesem Anliegen seinen Beitrag zu leisten. Seine Rede «Unser Schweizer Standpunkt», gehalten am 14. Dezember 1914 in Zürich, war nur eine, wenn auch die prominenteste Initiative zu diesem Unterfangen. In Deutschland wurden solche Initiativen als Kampfansagen betrachtet. «Deutsche Blätter riefen zum Boykott von Spittelers Büchern auf […] obwohl sich der Redner sorgfältig aller Kritik am Deutschen Reich enthalten […] hatte.»[8] Ähnlich erging es andern Künstlern.[9] So bildete sich ein Riss in dem vorher durchgehenden deutschsprachigen Kulturraum.[10] Schweizer Schriftsteller waren unvermittelt auf ihre nationale Identität zurückgeworfen. Dies hatte materielle wie ideelle Folgen. Einmal kam den Schweizern der grösste Teil des Absatzmarktes abhanden. Das war deshalb einschneidend, weil der kleine Schweizer Markt alleine kaum in der Lage war, die nötigen Umsätze zu generieren. Zum andern beförderte die kulturelle Isolation nachhaltig die Diskussion um einen spezifisch schweizerischen Literaturstil, was in den Dreissiger- und Vierzigerjahren eine Basis für die geistige Landesverteidigung bot. Noch vorher aber wurde auf dieser Basis bereits der Expressionismus diskreditiert, was leicht möglich war, weil er im Wesentlichen von geflohenen ausländischen Künstlern in die Schweiz mitgebracht worden war. «Und daher haftet dem ‹Expressionismus› – jedenfalls in der Literatur – das Odium von etwas Importiertem, etwas Fremdem an, das weit herum als ‹unschweizerisch› galt.»[11]
Die Literaturwissenschaft ist überhaupt lange davon ausgegangen, dass es den Expressionismus in der Schweiz eigentlich nicht gegeben hat.[12] Und tatsächlich blieb er in der Schweiz ein Randphänomen, es fehlten die entsprechenden «Schulen, Zentren und Richtungskämpfe».[13] Auch ist zuzugeben, dass die «von Schweizern geschriebene expressionistische Literatur […] nur in den seltensten Fällen von der durchschlagenden Qualität der epochenbestimmenden Werke Deutschlands und Österreichs» war.[14] Neben den namhaften ausländische Expressionisten, die in der Zeit des Ersten Weltkriegs als Exilanten in der Schweiz lebten und hier weiter publizieren konnten (so etwa Ludwig Rubiner, Albert Ehrenstein, Ferdinand Hardekopf, Leonhard Frank und René Schickele), gab es aber durchaus auch einige Schweizer, die einen Beitrag zum literarischen Expressionismus leisteten. Als frühe Beispiele wären da etwa Novellen von Jakob Schaffner (Die Eschersche[15] und Der Kilometerstein[16], beide 1907), und Gedichte von Adrien Turel (Der Ketzer[17]) und Charlot Strasser (Das Narrenhaus[18]) zu nennen. Schaffner war «der erste Schriftsteller deutscher Zunge, der in seinen […] Novellen schon 1906/07 eindeutig expressionistische Anliegen, Motive und Erzählweisen verwendete».[19] Auch wenn viele Schweizer Autoren und Autorinnen mit expressionistischen Themen, Motiven und Stilmitteln arbeiteten, kann man als eigentliche Expressionisten wohl nur Karl Stamm, Max Pulver und Hans Ganz bezeichnen.[20]
Wenig Anteil hatten Schweizer paradoxerweise an der Entstehung des Dadaismus,[21] der einzigen Kunst- und Literaturform, die in der Schweiz ihren Ursprung hatte. Er wurde 1916, also mitten im Ersten Weltkrieg – und als Reaktion auf die Absurditäten des Krieges –, von Hugo Ball, Emmy Hennings, Tristan Tzara, Richard Huelsenbeck, Marcel Janco und Hans Arp im Cabaret Voltaire in Zürich begründet und strahlte nach dem Krieg nach Berlin, Köln, Paris und New York aus.[22]
Expressionismus und Dadaismus waren aber nicht die einzigen Antworten auf die moralische Herausforderung der Kriegsfolgen und auf die sozialen Probleme, die der industrielle Wandel für die Gesellschaft darstellte. Leonhard Ragaz (mit Die Neue Schweiz, 1917) und Jakob Bosshart (mit Ein Rufer in der Wüste, 1921) entwarfen Visionen einer Überwindung und Versöhnung sozialer und politischer Gegensätze innerhalb der schweizerischen Gesellschaft.
Ab den 20er Jahren meldeten sich Autoren wie Hans Morgenthaler, Meinrad Inglin, Hugo Marti, Rudolf Jakob Humm, Traugott Vogel, Cécile Ines Loos, Albin Zollinger, Jakob Bührer, Elisabeth Gerter, Ludwig Hohl, Friedrich Glauser und Annemarie Schwarzenbach zu Wort. Auch Max Frisch, der erst mit Stiller (1954), also nach dem Zweiten Weltkrieg, seinen Durchbruch erzielte, begann in dieser Zeit zu schreiben. Nachdem die deutschschweizerische Literatur nach 1918 vereinzelt versucht hatte, Anschluss an die internationale Entwicklung zu finden – so im spätexpressionistischen Werk von Max Pulver –, isolierte sie sich in den 1930er und 1940er Jahren erneut und stellte sich – in Frontstellung gegen Nationalsozialismus und italienischen Faschismus – in den Dienst der geistigen Landesverteidigung. Neben einem Rückgriff auf Elemente der Heimatkunst und Figuren konservativer Kulturkritik wurden von den Autoren unter dem Einfluss der Nachbarländer und des Zeitgeistes teils nationalistisch-völkische Ideologien und Propagandaformen übernommen, so z. B. in Robert Faesis Erzählung Füsilier Wipf. Die Vertreter der Exilliteratur, wie beispielsweise Else Lasker-Schüler, wurden in dieser Zeit weitgehend ignoriert oder ausgegrenzt, wozu auch die nunmehr enge Begrenzung des Schweizer Literaturmarkts führte, die konkurrenzverschärfend wirkte.[23] Der Schweizerische Schriftsteller-Verein unter seinem Präsidenten Felix Moeschlin spielte in diesem Zusammenhang eine unrühmliche Rolle.[24] Nach Charles Linsmayer ist die Tatsache, dass sich die Schweizer Schriftsteller damals bloss für das eigene Land, nicht für die Freiheit überhaupt eingesetzt haben, der Grund, weshalb diese Generation nach 1945 so völlig der Vergessenheit anheimfiel.[25]
Erst die Autoren der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wie Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch und die späte Wiederentdeckung von Robert Walser und Annemarie Schwarzenbach brachten die deutschsprachige Literatur der Schweiz zu neuer internationaler Geltung. Weitere wichtige Autoren der Nachkriegszeit sind Hermann Burger, Erika Burkart, Adelheid Duvanel, Jürg Federspiel, André Kaminski, Jürg Laederach, Hugo Loetscher, Kurt Marti, Helen Meier, Erica Pedretti, Kuno Raeber, Otto Steiger, Walter Vogt, Otto F. Walter, Silja Walter, Markus Werner und Urs Widmer.[26]
Zu den bekannteren zeitgenössischen Schriftstellern der älteren und mittleren Generation zählen etwa (in alphabetischer Reihenfolge) Peter Bichsel, Irena Brežná, Claude Cueni, Federica de Cesco, Zsuzsanna Gahse, Christoph Geiser, Eugen Gomringer, Lukas Hartmann, Eveline Hasler, Franz Hohler, Thomas Hürlimann, Friederike Kretzen, Rolf Lappert, Gertrud Leutenegger, Charles Lewinsky, Martin Liechti, Klaus Merz, E. Y. Meyer, Milena Moser, Adolf Muschg, Paul Nizon, Ilma Rakusa, Isolde Schaad, Hansjörg Schertenleib, Hansjörg Schneider, Gerold Späth, Alain Claude Sulzer, Christina Viragh, Peter Weber und Matthias Zschokke.
Zu einer neuen Generation, die erst ab den 1990er Jahren zu publizieren begann, gehören Lukas Bärfuss, Arno Camenisch, Alex Capus, Rolf Dobelli, Michael Fehr, Catalin Dorian Florescu, Kim de l’Horizon, Dana Grigorcea, Zoë Jenny, Christian Kracht, Jonas Lüscher, Thomas Meyer, Melinda Nadj Abonji, Angelika Overath, Monique Schwitter, Peter Stamm, Martin Suter und Laura de Weck. Zu dieser Generation gehörten auch die bereits verstorbenen Pascal Mercier und Ruth Schweikert. Neben der deutschen auch die Schweizer Staatsbürgerschaft besitzen Benedict Wells und seit 2012 auch die in der ehemaligen DDR geborene Sibylle Berg, die beide in der Schweiz wohnhaft sind.
Zwei Deutschschweizer Schriftsteller, Carl Spitteler (1920 für 1919) und der aus Deutschland stammende Hermann Hesse (1946), erhielten für ihre Werke den Nobelpreis für Literatur. Mit Elias Canetti hat 1981 ein weiterer Literaturnobelpreisträger einen grossen Teil seines Lebens in der Schweiz zugebracht. Vier Schweizer gewannen den Georg-Büchner-Preis, den renommiertesten Literaturpreis im deutschsprachigen Raum: Max Frisch (1958), Friedrich Dürrenmatt (1986), Adolf Muschg (1994) und Lukas Bärfuss (2019).
Anfänge einer schweizerischen Mundartliteratur finden sich schon vor 1800. Dabei handelte es sich noch weit überwiegend um Prosadialoge, die oft durch ein bestimmtes Ereignis wie die Villmergerkriege oder Leichengänge motiviert waren, sowie volkstümliche Lieder und Sprüche, die teilweise in Historiendramen eingebettet wurden.[27] Das älteste bekannte vollständig in Mundart verfasste Theaterstück schrieb der nachmalige Rothenburger Pfarrer Franz Alois Schumacher um 1729, eine 1743 vom Luzerner Rat wegen angeblicher Gotteslästerung verbotene Persiflage des Bauernspiels.[28]
Eine eigentliche Dialektliteratur setzte im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts ein. Als erste namhafte Mundartschriftsteller gelten die Luzerner Jost Bernhard Häfliger und Josef Felix Ineichen, die ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert schrieben;[29] auf sie folgten ab den 1800er-Jahren der Berner Gottlieb Jakob Kuhn, ab etwa 1820 der Glarner Cosmus Freuler und ab etwa 1830 die Zürcher Johann Martin Usteri und Jakob Stutz. Im Werk des Berners Jeremias Gotthelf wurde Dialekt hingegen nur punktuell eingesetzt, um der Sprache eine grössere Authentizität zu verleihen. Nach der Mitte des 19. Jahrhunderts traten etwa der Baselbieter Jonas Breitenstein, die Solothurner Franz Josef Schild und Bernhard Wyss und der Zürcher August Corrodi hinzu. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts regte der Literaturwissenschafter und Volkskundler Otto Sutermeister mit seiner Reihe «Schwyzerdütsch» (fünfzig Bändchen von 1882–1890) zahlreiche Autoren aus der ganzen Deutschschweiz an, kürzere und längere Texte in ihrer jeweiligen Mundart zu verfassen. Ein zeitgleich schreibender, aber eigenständiger Autor in dieser Frühphase war der Zürcher Carl Biedermann, wogegen das Schaffen des in den Jahren vor und nach 1900 schreibenden Prättigauers Georg Fient ganze Generationen Bündner Dialektschriftsteller prägte.
Eine erste eigentliche «Mundartwelle» entstand nach 1900 rund um den Berner «Literaturpapst» Otto von Greyerz, die sich anschliessend über die gesamte Zeit der «geistigen Landesverteidigung» erstreckte. Ihr rasches Aufblühen steht ganz im Zeichen des Heimatschutzes und ist eine Reaktion auf die Industrialisierung und die Modernisierung – wie die zeitgleich stattfindende Gründung etwa des Schweizer Heimatschutzes und die Herausgabe verschiedener Heimatbücher und Heimatblätter. Damit eng verbunden war die Angst vor dem Verschwinden der Mundart, wie sie von Ernst Tappolet auch für die Schweiz vorausgesagt wurde. Mundartliteratur war vielfach als Gegenwehr gedacht; der erzieherische Aspekt wird darin deutlich, dass viele Mundartautoren Akademiker und Lehrer waren.[30] Beispielhaft zu nennen sind die Aargauerin Sophie Haemmerli-Marti, der Baselbieter Traugott Meyer, die Berner Rudolf von Tavel, Simon Gfeller, Carl Albert Loosli, Karl Grunder, Emil Balmer und Maria Lauber, der Davoser Hans Valär, die Luzerner Josef Roos und Theodor Bucher («Zyböri»), der Schwyzer Meinrad Lienert, der Solothurner Josef Reinhart, der Zürcher Rudolf Kägi (Pseudonym: Heiri Brändli) und der aus dem thurgauisch-zürcherischen Grenzgebiet stammende Alfred Huggenberger. Neben diesen mehr der Heimatdichtung zuneigenden Schriftstellern begründete der Aargauer Paul Haller zur gleichen Zeit mit seinen sozialkritischen Werken den Anspruch, gesellschaftlich relevante Themen anzusprechen – eine Richtung, der auch der Zürcher Traugott Vogel folgte, und eine Literatur sui generis schrieb der Schaffhauser Albert Bächtold. Dutzende von Autoren haben überdies in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts Mundartstücke für das Laientheater geschrieben, die heute grösstenteils der Vergessenheit anheimgefallen sind. Im Zuge der «geistigen Landesverteidigung» (manchmal als Phase der «zweiten Mundartwelle» bezeichnet) und bis in die 1960er-Jahre hinein wurde Dialektliteratur verschiedentlich auch verfilmt.[31]
Eine Neuorientierung des dialektliterarischen Schaffens, manchmal «dritte Mundartwelle», auch Modern Mundart genannt (ein Begriff, den Walter Vogt 1967 erfunden hatte), fand in den 1960er-Jahren mit den Mundartchansons der Berner Troubadours um Mani Matter und den Kabarettisten wie Franz Hohler, César Keiser oder Emil Steinberger statt. Dazu gesellten sich nach 1970 auch Liedermacher und Mundartrock-Sänger bzw. -Bands wie beispielsweise Polo Hofer, Peter Reber, Span und Roland Zoss. Viel rezipierte, auf Berndeutsch schreibende Dialektschriftsteller dieser Zeit waren die Lyriker Kurt Marti (der «Dichterpfarrer») und Ernst Eggimann sowie der Romancier Werner Marti; Martin Frank hingegen wechselte nach seinen innovativen berndeutschen Frühwerken in die englische Sprache. Im Dialekt des Bündner Rheintals war Josef Hug, im Bündner Walserdeutsch Luzi Jenny und in Obwaldner Mundart Julian Dillier tätig. In archaisierendem Luzerner Alemannisch verfasste Kuno Raeber einen Teil seiner späten Gedichte, und im Solothurner Dialekt erscheinen seit 1970 die Texte von Ernst Burren.
Nach 2000 verzeichnet die Mundartliteratur im Zeichen der Spoken-Word-Bewegung einen erneuten inhaltlichen und formalen Aufbruch. Führend ist die 2004 gegründete Gruppe Bern ist überall, unter anderem mit Pedro Lenz, Guy Krneta, Beat Sterchi, Ariane von Graffenried und Arno Camenisch.
Die wissenschaftliche Darstellung der schweizerdeutschen Mundartliteratur steht noch weitgehend aus.[32]
Siehe Hauptartikel: Literatur der französischsprachigen Schweiz
Die Literatur im französischen Sprachraum der Schweiz brachte die Dichter Gustave Roud, Jean-Georges Lossier, Pericle Patocchi, der zwar aus dem Tessin stammte, sein ganzes lyrisches Werk jedoch auf Französisch schrieb, und Philippe Jaccottet sowie Schriftsteller wie Charles Ferdinand Ramuz und Jacques Chessex, den bisher einzigen Träger des Prix Goncourt, hervor. Jean-Jacques Rousseau, Benjamin Constant und Blaise Cendrars stammten ebenfalls aus der heutigen Schweiz. Das Haus von Madame de Staël in Coppet war im 18. Jahrhundert eines der Zentren der europäischen Literatur.
Unter den Autoren des 20. und 21. Jahrhunderts zählen etwa S. Corinna Bille, Nicolas Bouvier, Maurice Chappaz, Jacques Chenevière, Anne Cuneo, Jeanne Hersch, Jacques Mercanton, Guy de Pourtalès, Alice Rivaz, Daniel de Roulet, Robert de Traz, Marie-Jeanne Urech und Yvette Z’Graggen auch in der Deutschschweiz zu den bekannteren.
Die Romane von Joël Dicker wurden bis 2015 in über 40 Sprachen übersetzt und in Millionenauflagen verkauft.[33]
Das literarische Schaffen der italienischsprachigen Schriftsteller der Schweiz war schon immer stark auf Italien ausgerichtet. Eine italienischsprachige Literatur entstand hier im 16. Jahrhundert mit Francesco Ciceri, aus Lugano, der Euripides und Terenz kommentierte, sowie mit dem aus dem italienischsprachigen Gebiet Graubündens stammenden Martino Bovollino. 1547 nahm in Poschiavo die Druckerei Landolfi ihre Tätigkeit auf, die bei der Verbreitung der protestantischer Glaubensschriften in Norditalien Bekanntheit erlangte; daneben entstanden erste Verlage. Im 17. Jahrhundert wurde Paganino Gaudenzi als Lyriker und Verfasser religiöser Schriften bekannt. Im 18. Jahrhundert entstanden neben Übersetzungen ins Italienische vor allem religiöse Werke und banale Schäferdichtungen. Die Gründung des Bundesstaates 1848 stärkte das Bedürfnis, die eigene kulturelle Identität zu unterstreichen (Svizzera italiana), was sich in einer verstärkten Orientierung hin zur Lombardei äusserte. Viele wissenschaftliche Autoren, Politiker, Historiker und Theologen wurden von der lombardischen Aufklärung (Cesare Beccaria, Giuseppe Parini, Pietro Verri) beeinflusst.
Als Begründer der modernen italienischsprachigen Literatur der Schweiz, der das Tessiner Kulturleben in der 1. Hälfte des 20. Jh. beherrschte, gilt der konservativ-klassizistische Lyriker und Prosaautor Francesco Chiesa (Preludio, 1897). Die Natur idealisierte Giuseppe Zoppi in seinen Prosaarbeiten. Felice Filippini verfasste neben seinem künstlerischen Werk in den 1940er und 1950er Jahren psychologische Romane. Plinio Martini kritisierte die Idealisierung der Natur mit seinem Roman Il fondo del sacco (1970).
Wichtige Lyriker und Verfasser von Prosa der zweiten Hälfte des 20. sowie beginnenden 21. Jahrhunderts sind Fabio Pusterla, Giorgio Orelli, Anna Felder, Giovanni Orelli, der gesellschaftskritische Romane verfasste, und Alberto Nessi, der sowie als Erzähler als auch als Essayist geschätzt wird.[34]
Siehe Hauptartikel: Rätoromanische Literatur