Der englische Begriff Silicon-on-Insulator (SOI, deutsch »Silizium auf einem Isolator«) bezeichnet einen speziellen Isolierschicht-Feldeffekttransistor, bei dem eine dünne Siliziumschicht (SOI) durch eine isolierende Schicht (meist buried-oxide, BOX, dt. »vergrabenes Oxid«, genannt) vom Silizium-Substrat getrennt ist. Dieser Aufbau ermöglicht kürzere Schaltzeiten und geringere Leistungsaufnahmen, besonders bezüglich der Leckströme. Außerdem ergibt sich eine verringerte Empfindlichkeit gegenüber ionisierender Strahlung.
Die Entwicklung von Mikroelektronik-Produkten ist getrieben durch eine stetige Erhöhung der Berechnungsleistung. Dies wird vor allem durch die Verkleinerung der Transistor-Strukturen erreicht, mit der zum einen mehr Bauelemente auf gleicher Fläche realisiert werden können, zum andern diese Bauelemente aber weniger elektrische Leistung benötigen und höhere Schaltfrequenzen ermöglichen. Mit zunehmender Verkleinerung und Erhöhung der Komplexität, vgl. mooresches Gesetz, stößt die Fertigung immer wieder auf natürliche und technische Grenzen, die unter anderem mit neuen Techniken kompensiert werden können. Im Vergleich zu konventionellen CMOS-Transistoren in Bulk-Planartechnik werden mit der SOI-Technik bei vergleichbaren Fertigungsmethoden (vgl. Halbleitertechnik) verschiedene Vorteile für neue bzw. bessere Produkte bestimmter Anwendungen verbunden, die teilweise sogar mit FinFET-Technik vergleichbar sind:[1]
Aus Sicht der Fertigung sind SOI-Substrate mit den meisten konventionellen Fertigungsprozessen der Bulk-Planartechnik kompatibel. Das bedeutet, dass bei Kauf der SOI-Substrate für die Fertigung von SOI-Produkten keine speziellen Anlagen oder ein Umrüsten einer bestehenden Halbleiterfabrik notwendig sind. Herausforderungen können sich jedoch im Bereich der elektrischen und optischen Messtechnik ergeben, da die vergrabene Oxidschicht zu berücksichtigen ist. Des Weiteren sind die Kosten der SOI-Substrate – je nach Anforderungen für die Variation der SOI-Dicke – höher als die Kosten (normaler) epitaxierter Bulk-Substrate. Diese Kosten sollen schätzungsweise 10–15 % der gesamten Herstellungskosten betragen.[3]
SOI-Transistoren können hinsichtlich ihrer Betriebsweise in zwei Typen eingeteilt werden: fully-depleted (FD, dt. »vollständig verarmt«) und partially-depleted (PD, dt. »teilweise verarmt«). Der Aufbau beider Typen unterscheidet sich im Wesentlichen in der Dicke der SOI-Schicht. PD-SOI-Transistoren weisen generell eine dickere SOI-Schicht auf, die im unteren Bereich nicht verarmt ist. Hingegen ist bei FD-SOI-Transistoren die SOI-Schicht ausreichend dünn, um über die Gate-Spannung vollständig verarmt zu werden. Dies bietet weitere Vorteile, wie eine geringere Schwellspannung, geringere Leckströme und ein reduzierter Hystereseeffekt (Floating-Body-Effekt).
Die SOI-Technik wurde 1963 bei North American Aviation (heute Boeing) entwickelt. Erste Anwendungen mit allgemeiner Verfügbarkeit waren z. B. die CDP-1802-CPU von RCA sowie CPU der HP-41-Serie von Hewlett Packard.[4] IBM setzte 1998[5] bei der Produktion von PowerPC-Chips ein, AMD ab 2003 für die AMD-K8-Architektur.[6] Hierbei handelte es sich um PD-SOI-Transistoren, erste FD-SOI-Transistoren wurden erstmals 2002 von Oki Electric Industry (heute Lapis Semiconductor) als Teil von Casios G-Shock-Uhren kommerziell vertrieben.[7] Okis-Architektur benötigte allerdings keine sehr dünne SOI-Schicht mit Schichtdicken im Bereich eines Viertels bis Drittels der Gate-Länge, wie sie für heutige FD-SOI-Schaltkreise für hohe Leistung genutzt werden. 2012 wurde der NovaThor-Prozessor von ST-Ericsson als erstes FD-SOI-Produkt angekündigt. Dieser nutzte STMicroelectronics 28-nm-FD-SOI-Technologie, die ST noch im selben Jahr mit eigener Fertigung anderen Kunden zur Verfügung stellte. Als erste große Halbleiterhersteller kündigten 2015 Globalfoundries die Entwicklung eines 22-nm-FD-SOI-Technologieknotens (22FDX[8]) bzw. Samsung die Entwicklung eines 28-nm-FD-SOI-Technologieknotens (28FDS[9]) auf Basis der 28-nm-FD-SOI-Technologie von STMicroelectronics an. Bereits 2016 folgte die Ankündigung des 12-nm-FD-SOI-Technologieknotens von Globalfoundries (12FDX), setzte die Entwicklung aber später für unbestimmte Zeit aus und konzentrierte sich auf die Diversifizierung seiner 22-nm-FD-SOI-Plattform.[10][11]
Wichtige Hersteller von Prozessoren mit SOI-Technik sind Globalfoundries, Freescale und IBM.[12] Die Branchenführer Intel und TSMC haben bislang keine Produkte in SOI-Technik vorgestellt.
In der Literatur wird eine Vielzahl von Herstellungsverfahren für SOI-Wafern beschrieben.[13] Dazu zählen verschiedene Verfahren, die es ermöglichen, eine dünne Siliziumschicht auf einem Wafer aus isolierendem Material herzustellen, beispielsweise Saphir (vgl. Silicon-on-Sapphire). Für die späteren Transistoren werden in der Regel Schichten aus einkristallinem Silizium benötigt/bevorzugt; Hauptgründe sind die deutlich besseren elektrischen Eigenschaften. Da bei den meisten Beschichtungsverfahren jedoch keine einkristalline Siliziumschicht abgeschieden wird (Ausnahme sind entsprechende Epitaxieverfahren), umfassen die SOI-Fertigungstechniken auch Rekristallisationsschritte. Weitere Möglichkeiten SOI-Wafer herzustellen, sind Verfahren, die auf Ionenimplantation basieren (z. B. SIMOX) oder spezielle Schichttransfertechniken wie „Smart Cut“.
Bei der SIMOX-Technik (engl. separation by implanted oxygen) werden Sauerstoffionen in einen Silizium-Wafer eingebracht. Durch Ionenimplantation ist es möglich, die Tiefe (wenige 100 nm) und die Breite (ca. 50 nm) des Bereichs, in dem die Sauerstoffionen eingebracht werden, zu steuern. Um nun eine „vergrabene“ Siliziumdioxidschicht zu erzeugen, wird durch einen Hochtemperaturschritt der Kristall „ausgeheilt“, dabei reagiert der eingebrachte Sauerstoff (nach der Implantation hauptsächlich auf Zwischengitterplätzen) mit dem Silizium und bildet eine isolierende Schicht aus Siliziumdioxid. Ähnliche Techniken gibt es auch mit Stickstoff (engl. separation by implanted nitrogen, SIMNI) oder Kohlenstoff (engl. silicon carbide on insulator, SiCOI).
Das sogenannte „Smart-Cut“-Verfahren[14] basiert ebenfalls auf der Ionenimplantation und nutzt zusätzlich das Waferbonden. Bei diesem Verfahren werden zunächst Wasserstoffionen in einen zuvor oxidierten Siliziumwafer eingebracht. Im nächsten Schritt wird dann dieser Wafer mit einem weiteren noch nicht oxidierten Wafer verbunden („bonden“). Anschließend wird der erste Wafer im Implantationsbereich der Wasserstoffionen gespalten. Dies erfolgt üblicherweise bei Temperaturen um die 500 °C oder größer. Dabei wird in Zusammenhang mit den implantierten Wasserstoffionen eine mechanische Spannung im Wafer erzeugt, die diese Spaltung bewirken kann, und anschließend bis auf wenige Mikrometer abgedünnt.[15]
Neben der bereits in der Einleitung erwähnten Anwendung als Substrat für stromsparende integrierte Schaltkreise bei einigen aktuellen Spitzenprodukten findet SOI auch in anderen Bereichen Anwendung. In der Optik ist SOI eine verbreitete Technik, um optische Komponenten zu integrieren.[16] Silizium ist bei Wellenlängen größer 1.100 nm transparent. Dadurch kann es bei gängigen Wellenlängen in der optischen Kommunikation als Lichtwellenleiter eingesetzt werden.[17] Silizium hat im nahen Infrarot einen Brechungsindex von etwa 3,5, wohingegen der Brechungsindex von Siliziumdioxid nur etwa 1,5 beträgt. Daher ist es möglich, in einer strukturierten Siliziumschicht einer SOI-Struktur durch Totalreflexion Licht zu führen. Heute werden unter anderem Wellenleiter, Koppler, Wellenlängenmultiplexer und Photodioden auf SOI-Wafern gefertigt.[18]