Stützerbach Stadt Ilmenau
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Koordinaten: | 50° 38′ N, 10° 52′ O |
Höhe: | 620 m |
Fläche: | 11,37 km² |
Einwohner: | 1297 (31. Dez. 2022)[1] |
Bevölkerungsdichte: | 114 Einwohner/km² |
Eingemeindung: | 1. Januar 2019 |
Postleitzahl: | 98694 |
Vorwahl: | 036784 |
Lage von Stützerbach im Stadtgebiet von Ilmenau
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Stützerbach ist ein Ortsteil der Stadt Ilmenau im Ilm-Kreis (Thüringen). Über Jahrhunderte war der Ort geteilt und verfügt daher über zwei Kirchen und Friedhöfe. Literarische Bekanntheit erfuhr Stützerbach durch die Besuche Johann Wolfgang von Goethes. Als Staatsminister des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach weilte er oft in Ilmenau und 13-mal in Stützerbach.
Am Nordosthang des Thüringer Waldes gelegen, ist Stützerbach nur etwa 3 km vom Kammweg des Thüringer Waldes, dem Rennsteig entfernt. Der Ort zieht sich im Tal der Lengwitz, dem Oberlauf der Ilm entlang. Südlich von Stützerbach entspringt die Lengwitz, der eigentliche Quellfluss der Ilm. Nördlich des Ortes vereinigt sich diese mit den Bächen Taubach und Freibach. Von diesem Zusammenfluss ab wird das Gewässer als die Ilm bezeichnet.
Wegen der klimatisch ungünstigen Verhältnisse mit durchschnittlich 173 Frosttagen und einer jährlichen Niederschlagsmenge um 1.100 mm kann der traditionelle Ackerbau mit Getreide keine guten Ernten hervorbringen, nur Roggen und Hafer wurden wegen der harten Witterung ausgesät. Erst die Einführung der Kartoffel im Hackbau brachte für die Bauern eine Anbaufrucht, die der klimatischen Lage des Ortes gerecht wurde. Allerdings kam es durch Kartoffelfäule auch hier zu Ernteausfällen und daraus folgenden Hungersnöten.
Um 1506 erfolgte die erste indirekte Erwähnung des Ortes durch die Nennung des Forstortes „Stoczerbach“. Der heutige Name Stützerbach erschien zum ersten Mal am 18. Oktober 1570 und betraf einen herzoglichen Hof „in Stutzerbach“ genannt, der als Gestüt zur Pferdezucht diente. Die bereits durch Köhler und Holzfäller gelichteten Wälder auf der Hochfläche wurden in almartige Wiesen umgewandelt, südlich von Schmiedefeld am Rennsteig erinnern die Flurnamen „Stutenhaus“ und „Hengstwiese“ an weitere Bestandteile dieser einstigen Pferdezucht. Das erste Gebäude im Ort soll Kunerts Mühle gewesen sein, die 1655 der Ilmenauer Papiermacher Hans Meißner aufkaufte. Sein Schwager war der für den Stützerbacher Wald zuständiger Forstaufseher Sebastian Grahner der offenbar beim Kauf behilflich war. Als nächstes Gebäude entstand in Sichtweite der Mühle um 1648 die erste Stützerbacher Glashütte.
Als Folge der landesgeschichtlichen Entwicklung markierte der Rennsteig zunächst die nördliche Grenze der Grafschaft Henneberg – in diesem Gebietsteil zum Burgamt Schleusingen gehörig. Die nördlich des Rennsteigs gelegenen Orte galten im Mittelalter als das Stammland der Grafen von Kefernburg und der Schwarzburger Grafen. Ein wichtiger Grenzpunkt war der Kleine Dreiherrenstein am Rennsteig. Auch der Bach Lengwitz wurde 1660/61 zu einem Abschnitt der Grenze des Herzogtums Sachsen-Weimar mit dem Verwaltungszentrum Ilmenau. Der zu dieser Zeit aus fünf Wohnhäusern bestehende Ort Stützerbach wurde somit Bestandteil des Amtes Ilmenau. Der jenseits gelegene Teil war bereits seit dem Mittelalter Bestandteil des Burgamtes Schleusingen und gelangte bei der Teilung von 1660 zum Herzogtum Sachsen-Naumburg-Zeitz, das 1718 im Kurfürstentum Sachsen aufging. Nach der Beendigung der napoleonischen Fremdherrschaft hatte das Königreich Preußen 1815 auch das Amt Schleusingen zugesprochen bekommen. Der westliche Teil des heutigen Ortes Stützerbach wurde entsprechend als „Preußisch-Stützerbach“, der östliche als „Weimarisch-Stützerbach“ verwaltet. Um 1800 bestanden beide Ortsteile von Stützerbach aus 45 Häusern, in denen 279 Einwohner von Waldarbeiten, der Papier- und Glasmacherei und dem Handel lebten. Im Zusammenhang mit der Ausweitung der Ilmenauer Bergwerke mussten sogenannte „Wasserkünste“ angelegt werden, es handelte sich dabei um mühlenartige Pumpwerke, die über hölzerne Gestänge mit Wasserrädern angetrieben wurden. Für den Einsatz dieser Pumpwerke mussten zuvor Teiche und Wassergräben bis in die Stützerbacher Flur gegraben werden. Die ersten Bauwerke wurden 1611 errichtet. Während des Dreißigjährigen Krieges wurden die Gräben und Anlagen vernachlässigt. Von 1661 bis 1693 wurden im Tal der Freibach drei weitere Dämme errichtet, deren Reste noch heute gut im Gelände zu erkennen sind. Bei mehreren Dammbrüchen nahmen sowohl Stützerbach als auch Manebach und Ilmenau Schaden. Der große Bruch des unteren Freibachteiches in der Nacht des 9. Mai 1739 verwüstete die Bergwerksanlagen und brachte so den Bergbau für Jahrzehnte zum Erliegen.
Ab 1648 siedelten sich in Stützerbach erste Glasmacher aus Gehlberg und Lauscha an. Die Glashütten wurden stets in waldreichen Tälern gegründet, da Holz der wichtigste Rohstoff für die Glasmacher war. Ein Glasmacher Johann Holland erwarb 1656 Nutzungsrechte von der sachsen-meiningischen Verwaltung. Hans Greiner, ein Nachfahre des Schwabenhans und Teilhaber dieser Hütte, gründete in der Mitte des Dorfes, auf dem „Hüttenplatz“ nach der 1660 vollzogenen Teilung des Ortes eine neue, nun auf weimarischen Gebiet befindliche Glashütte. Die bereits in Ilmenau ansässigen Glashüttenbesitzer versuchten ebenfalls in dem noch von dichten Wäldern umgebenen Stützerbach Fuß zu fassen. Der Hüttenbetrieb war jedoch unrentabel, da die Glasmacher ständig erhöhte Preise für die erforderlichen Holzlizenzen von der Forstverwaltung diktiert bekamen. Der Grund dafür mag auch in der Jagdleidenschaft der Fürsten gelegen haben. Die (noch) wildreiche Gegend zählte zu den bevorzugten Jagdgebieten des Weimarer Hofes. Herzog Ernst August war sogar gewillt, ein Jagdschloss auf dem jetzt „Schlossberg“ genannten Hügel zu errichten, das er 1732 als Jagdschloss Dianenburg in Auftrag gab, und das etwa 1737 fertiggestellt wurde. Die Bauausführung war so mangelhaft, dass das Hauptgebäude bereits 1748 abgebrochen werden musste, da sich überall Schimmel ausgebildet hatte. Das Mobiliar und Inventar wurde versteigert oder verschenkt. Der zum Schloss gehörige Park hatte einige mit Gehölzen und Blumenbeeten gestaltete Terrassen und eine Grotte, die noch einige Jahre vorhanden war.[2]
Während der zahlreichen Aufenthalte nutzte die herzogliche Jagdgesellschaft meist die im Ort vorhandenen repräsentativen Wohngebäude des Glashüttenbesitzers Gundlach und des vermögenden Kaufmanns Johann Elias Glaser. Als erstes Gotteshaus wurde die Dreieinigkeitskirche im Weimarer Ortsteil erbaut, eine Gebäudeansicht hat Goethe in seinem Skizzenblock überliefert.
Die benachbarte südthüringische Region um Lauscha war im 19. Jahrhundert das Zentrum der Thüringer Glasfabrikation, in fast jedem Ort um Lauscha arbeiteten Glashütten und verloren durch die ständig steigenden Betriebskosten rasch an Rentabilität. Die Suche nach speziellen Fabrikaten und Herstellungstechniken wurde für das Fortbestehen einer Glashütte überlebenswichtig. In Stützerbach gelang es Wilhelm Berkes in der Greinerschen Glashütte durch das Erproben von neuen Glasrezepturen einen Werkstoff zu entwickeln, der für die Herstellung von Glasinstrumenten tauglich war. Die zu dieser Zeit aufblühende chemische Forschung war ein ideales Betätigungsfeld und Absatzmarkt für derartige Glasapparate. In Zusammenarbeit mit namhaften Forschern und Instituten wurde der Stützerbacher Instrumenten- und Glasgerätebau zur Grundlage der Entwicklung neuer und oft revolutionärer Erfindungen:
Seit 1870 wurde der Ort für die Behandlung von Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Beschwerden besucht. Das Reizklima am Rennsteig hat für viele Menschen einen günstigen Einfluss auf den Organismus. Die Bewegung in der stillen, freien Natur, die staubfreie Atemluft und die vielen anderen Faktoren des Gebirgsklimas wurden von den Kurärzten des beginnenden 20. Jahrhunderts als Grund für einen Kuraufenthalt im Kneippkurort Stützerbach angepriesen. Tatsächlich stand das als Naturidyll gepriesene Stützerbach zu diesem Zeitpunkt an der Schwelle zum Industrieort, die 1904 eingeweihte Eisenbahnlinie und die Schornsteine der Glasfabriken waren unübersehbar. Um das Prädikat Kurort zu verteidigen, musste der Anteil der Kneipp-Behandlung in den Vordergrund gestellt werden. In der DDR-Zeit wurde der Kneipptourismus durch den FDGB-Feriendienst gestaltet. Etwa 3800 Feriengäste und 1400 Kurpatienten besuchten Stützerbach im Jahr; eine Kur wurde meist für vier Wochen bewilligt.
Nach dem Ersten Weltkrieg kam der weimarische Teil von Stützerbach zum Landkreis Arnstadt im Land Thüringen, während der preußische Teil im Landkreis Schleusingen in Preußen verblieb. Die Vereinigung beider Ortsteile erfolgte zum 1. Oktober 1945 im Landkreis Arnstadt.[5]
Die Entwicklung der Glasindustrie blieb bis zum Zweiten Weltkrieg Wirtschaftsgrundlage von Stützerbach. Während des Krieges wurden von 1942 bis 1945 im Ort über 100, vorwiegend aus der Sowjetunion stammende, Menschen zu Zwangsarbeit eingesetzt: im Glaswerk Greiner & Friedrichs, im Forstamt, in der Firma Gebr. Heintz, im Glaswerk Heym, Wenz & Witzmann, bei Firma Fritz, Franz & Co und bei E.A.Schmidt.[6]
1945 verließen die Unternehmer Friedrichs gemeinsam mit vielen Glasbläsern die sowjetische Besatzungszone und siedelten sich als „Normschliff-Glasgeräte GmbH“ im unterfränkischen Wertheim-Glashütte an. Noch heute existiert dort für mehrere Straßenzüge die Bezeichnung „Klein Ilmenau“. Die von den Nazis als Rüstungsbetrieb betrachtete Firma „Greiner und Friedrichs“ wurde in Volkseigentum überführt und produzierte in der DDR-Zeit als „VEB Westglas“ weiter.
In der DDR schlossen sich die Glasbläser in einer Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) zusammen, die 1973 als Glasmontage- und Applikationsbetrieb vom VEB Werk für Technisches Glas Ilmenau übernommen wurde und von 1977 bis 1990 eine von dessen Hauptabteilungen war. Nach der Wende wurden diese gemäß Treuhandgesetz zunächst privatisiert und bald weitgehend abgewickelt. Der Stützerbacher Betrieb wurde schließlich 1995 durch die Treuhandanstalt abgerissen.
Zugleich wurde 1991 von den Nachkommen der Unternehmerfamilie Friedrichs ein auf Laborglas spezialisiertes neues Glasunternehmen im Ort gegründet.
Nachdem Stützerbach seit 1952 zum Kreis Ilmenau gehört hatte, kam der Ort 1994 zum Ilm-Kreis. Stützerbach gehörte ab 1996 zur Verwaltungsgemeinschaft Rennsteig mit Sitz in Schmiedefeld am Rennsteig. Am 1. Januar 2019 wurde die Gemeinde nach Ilmenau eingemeindet.[7]
Entwicklung der Einwohnerzahl:
Datenquelle: ab 1994 Thüringer Landesamt für Statistik – Werte vom 31. Dezember
Stützerbach ist heute noch mit zwei Kirchen ausgestattet. Dies sind auf der ehemals weimarischen Seite des Ortes die Dreieinigkeitskirche und auf der ehemals preußischen Seite die Christuskirche.
Die Dreieinigkeitskirche wurde am 16. Februar 1716 geweiht. Zur damaligen Zeit erinnerte die Kirche eher an einen Stall als an ein Gotteshaus. Jedoch änderte sich dies schnell.
1894 wurde eine Kühn-Orgel auf die Empore gebaut. Von 1991 bis 2018 verstummte die historische Orgel. 2018 wurde das Werk von der Orgelbaufirma Hoffmann und Schindler aus Ostheim vor der Rhön repariert und restauriert und am 28. September 2019 feierlich wieder in den Dienst genommen. Die Orgel verfügt über 12 klingende Register, verteilt auf 2 Manuale und Pedal. Ihr Aufbau gilt als einzigartig, so dass sie häufig nur wegen der Technik des Abluftsystems besichtigt wird.
Auf Grund der Eingemeindung nach Ilmenau verfügt Stützerbach nur über einen Ortsteilbürgermeister. Dieses Ehrenamt wird aktuell durch Frank Juffa (SPD) ausgeübt.
Blasonierung: „In Grün, gespalten durch einen silbernen Wellenbalken, vorn eine silberne fünfendige Hirschstange mit Grind; hinten eine silberne ausgerissene Fichte“[11] | |
Wappenbegründung: Die grafische Gliederung des Wappens symbolisiert die historische Teilung des Ortes entlang der Lengwitz. Zusätzlich versinnbildlicht die heraldisch stilisierte Fichte gemeinsam mit der klassisch heraldisch stilisierten Hirschstange die geografische Lage des Ortes im mittleren Thüringer Wald.
Das Wappen wurde vom Heraldiker Frank Diemar gestaltet und am 30. Juli 1997 durch das Thüringer Landesverwaltungsamt genehmigt. |
Das folgende Beispiel wurde um 1930 in Stützerbacher Mundart notiert.[14]
„Ma Stetzerboch ! (Gertrude Hesse-Holzhauer)
Ma Stetzerboch, wie bist de so scheh,
Wenn ich frih em fenf zun Fenster naus guck
Un alle danne blanke Heisle seh,
Wi von Dah gewaschen in der Nacht.
Di Bämer derzweschen, dn Finsterbarg off der Heh
Wie fräht sich ma Harz iwer alle die Bracht!
Die Deible fliegen em Schloßbarg rem,
Kä Hond ballt un kä Gickler schreit,
Dr Räsbarg hot nuch sa Schalduch em,
Die Leit in Darf, die schlaffen heit,
Die han gestern bis in die spete Nacht
Gesong un gejubelt, gedanzt un gelacht.
Etz kemmt links von der Heh ä Sonnestrahl,
Do schimmern in Grendle die Heisle wie Gold,
Die weiße Wolken schillern wie Blisch
Un drzweschen dr Himmel so blab un so fresch.
So grihn wi dr Schloßbarg is kä Barg off dr Welt
`s gitt känn Fleck of dr Ard, dar mer besser gefällt!“
Im Mai 1776 besuchte Johann Wolfgang von Goethe anlässlich eines Ausflugs auf den Finsterberg den Ort zum ersten Mal. Bereits zwei Monate später weilte Goethe gemeinsam mit Herzog Carl August in Stützerbach, weniger der Staatsgeschäfte wegen, als vielmehr, um immer wieder dem Jagdvergnügen zu frönen. Toll war das Treiben der beiden Herren, die bis in die Nacht im Gasthaus „Zum weißen Roß“ mit den Bauernmädels tanzten und, so Goethe in seinem Tagebuch, „liederliche Wirtschaft trieben“. Am 3. August 1776 schrieb Goethe ein kleines Gedicht, das später unter dem Titel „Einschränkung“ veröffentlicht wurde.
„Was weiß ich, was mir hier gefällt,
In dieser engen kleinen Welt,
Mit leisem Zauberband mich hält!“
Anlässlich einer 1783 zu Ehren des Herzogs von Kurland gegebenen Jagd im Gebiet zwischen Ilmenau, Manebach und Stützerbach wurde als standesgemäße Unterkunft das „Große Gabelbachhaus“ unterhalb des Kickelhahns erbaut. Im Finsteren Loch, einem Abschnitt des oberen Schortetals, fand ein Jagdlager statt, das Goethe in seinem Gedicht Ilmenau poetisch inspirierte.