Stefan Rahmstorf

Stefan Rahmstorf (2013)

Stefan Rahmstorf (* 22. Februar 1960 in Karlsruhe)[1] ist ein deutscher Klimaforscher. Die Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit sind Ozeanographie und Paläoklimatologie. Er gehört zu den Leitautoren des 2007 veröffentlichten Vierten Sachstandsberichtes des Weltklimarates (IPCC),[2] wird von Clarivate Analytics zu den meistzitierten Forschern seines Fachgebietes gezählt,[3][4] gilt als einer der weltweit führenden Ozeanographen[5] und befasst sich mit der globalen Erwärmung und ihren Folgen.[6]

Beruflicher Werdegang

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Rahmstorf studierte als Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes[7] Physik in Konstanz und Ulm sowie physikalische Ozeanographie an der University of Wales, Bangor. 1990 wurde er an der Victoria University of Wellington in Ozeanographie promoviert. Nach weiteren Stationen am New Zealand Oceanographic Institute und am Institut für Meereskunde Kiel ist er seit 1996 am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung tätig.[8] Dort forscht er vor allem zu Wechselwirkungen zwischen Ozeanen und der globalen Erwärmung sowie natürlichen Klimaveränderungen. 1998 erfolgte seine Habilitation an der Universität Kiel. Im Jahr 2000 übernahm er die Professur für das Fach Physik der Ozeane an der Universität Potsdam, wo er Vorlesungen zu den Themenfeldern Paläoklimatologie und Ozeanzirkulation hält. Außerdem bietet er Online-Videovorlesungen im Rahmen der Virtuellen Akademie Nachhaltigkeit im E-Learning-Programm der Universität Bremen an.[9]

Rahmstorf ist seit 2006 Mitglied der Academia Europæa[10] und des wissenschaftlichen Beirats von National Geographic Deutschland.[11] 2010 wurde er zum Fellow der American Geophysical Union gewählt.[12] Er war außerdem von 2004 bis 2013 Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen.[13][14] 2019 wurde er als Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin kooptiert.

Wissenschaftliche Arbeit

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Rahmstorf ist Autor oder Co-Autor von rund 110 wissenschaftlichen Publikationen in internationalen Fachzeitschriften, davon mehr als 40 in Nature, Science und PNAS.[6] Sein h-Index beträgt 79 (Stand Januar 2023).[15]

Nach anfänglicher Arbeit zur Gravitationsphysik[16] (allgemeine Relativitätstheorie) wurde Rahmstorf in den 1990er Jahren durch eine Reihe von Studien zur Stabilität des Nordatlantikstroms international bekannt, die eine Erklärungshypothese für abrupte eiszeitliche Klimawechsel in der nördlichen Hemisphäre wie die Dansgaard-Oeschger-Ereignisse lieferten.[17][18] 1998 war er an der ersten erfolgreichen Ozean-Atmosphärensimulation des Klimas auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit beteiligt.[19] Im Jahr 1999 publizierte er Szenarien über mögliche zukünftige Änderungen der Strömungen im Nordatlantik infolge der globalen Erwärmung.[20] In der Fachzeitschrift Nature Climate Change berichtete Rahmstorf im März 2015 gemeinsam mit Klimaforscher-Kollegen über neue Erkenntnisse bezüglich einer Abschwächung des Nordatlantikstroms. Die Warmwasserströmung habe sich in den vergangenen Jahrzehnten um bis zu 30 Prozent verlangsamt, wobei die relativ schwächste Strömung zu Anfang der 1990er Jahre aufgetreten sei. Seit über 1000 Jahren habe es ein solches Nachlassen nicht mehr gegeben.[21]

Seit 2007 hat Rahmstorf vor allem zu Veränderungen des Meeresspiegels in Vergangenheit und Zukunft geforscht.[22][23] Seit 2009 war er zudem an mehreren Studien beteiligt, die den Zusammenhang von Extremwetter und Klimawandel erhärten.[24][25]

Als Mitglied des WBGU war Rahmstorf an mehreren Gutachten beteiligt, die breite Diskussionen ausgelöst haben, unter anderem zu den Meeren (2006), zur Bioenergie (2008) und zum Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation (2011). So riet das Bioenergie-Gutachten wegen deren mangelnder Effizienz und deren Bedrohung für die Ernährungssicherheit von einer Förderung von Biotreibstoffen ab, was zur späteren Kehrtwende der EU-Bioenergiepolitik beitrug.[26] Die Universität Flensburg stellte fest, dass Rahmstorf für die Jahre 1994–2013 der deutsche Klimaforscher mit den meisten Top-Publikationen in der Fachliteratur ist.[27]

Publizistische Tätigkeit

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Stefan Rahmstorf veranschaulicht Kipppunkte bezüglich des menschengemachten Klimawandels bei einem Vortrag über „Alexander von Humboldt und der Klimawandel – Mythen und Fakten“ am 9. Mai 2023 in der Humboldt-Bibliothek

Zum Thema globale Erwärmung engagiert sich Rahmstorf auch öffentlich. Er ist ein Mitbegründer des RealClimate-Blogs,[28] der 2006 von der Fachzeitschrift Nature unter die Top 5 der Wissenschaftsblogs gewählt[28] und vom Time Magazine 2008 zu den 15 besten Umweltseiten[29] gezählt wurde. Er ist Mitbegründer des deutschen Klimablogs KlimaLounge,[30] der 2013 zum Wissenschaftsblog des Jahres nominiert wurde.[31]

Rahmstorf hat, teils mit Ko-Autoren, vier populärwissenschaftliche Bücher zu Wetter, Klima und Meeren geschrieben, von denen einige in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Sein Buch Wolken, Wind & Wetter (DVA 2011), wurde im Februar 2012 auf die Deutschlandfunk-Bestenliste für junge Leser gewählt[32] und von der Deutschen Umweltstiftung zum Umweltbuch des Jahres gekürt.[33][34][35]

In den Medien hat sich Rahmstorf vielfach zu Klimathemen geäußert.[36][37][38][39] Seine in Tageszeitungen veröffentlichten Artikel zu Klimathemen werden gelegentlich über Project Syndicate international vertrieben.[40] In der Umweltzeitschrift Zeo2 schreibt er seit der Erstausgabe eine regelmäßige Kolumne.[41] Die Verleihung des UmweltMedienpreises an Rahmstorf 2007 wurde in den ARD-Tagesthemen ausführlich gewürdigt.[42] Die Financial Times bezeichnete ihn im Jahr 2009 als führenden Klimatologen.[43]

Eigene Titel
Mitwirkungen (Auswahl)
Artikel (Alleinautor in Nature und Science)
Commons: Stefan Rahmstorf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Stefan Rahmstorf im Munzinger-Archiv, abgerufen am 22. November 2018 (Artikelanfang frei abrufbar)
  2. IPCC: Working Group I Contribution to the IPCC Fourth Assessment Report Climate Change 2007: The Physical Science Basis – List of Authors (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive), 2007.
  3. Zehn PIK-Forscher unter den einflussreichsten Wissenschaftlern weltweit. (Memento des Originals vom 16. Dezember 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.pik-potsdam.de Pressemitteilung des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Abgerufen am 11. Dezember 2018.
  4. Highly Cited Researchers 2018. Clarivate Analytics. Abgerufen am 11. Dezember 2018.
  5. Damian Carrington: Avoid Gulf stream disruption at all costs, scientists warn. In: TheGuardian.com, 13. April 2018. Abgerufen am 13. April 2018.
  6. a b Rahmstorfs Publikationsliste
  7. Studienstiftung des deutschen Volkes: Jahresbericht 2017. S. 86.
  8. Ute Kehse: Stefan Rahmstorf: Klimatisch korrekt. (Memento vom 12. April 2013 im Webarchiv archive.today) In: Financial Times Deutschland. 9. Januar 2005. Abgerufen am 3. März 2013.
  9. Virtuelle Akademie Bildung Nachhaltige Entwicklung (Memento vom 2. Dezember 2012 im Internet Archive)
  10. Eintrag auf der Internetseite der Academia Europaea
  11. National Geographic Deutschland – Wissenschaftlicher Beirat (Memento vom 15. Januar 2013 im Internet Archive)
  12. a b PIK: US-Geoforscherverband ehrt Stefan Rahmstorf, 17. Februar 2010.
  13. Mitglieder früherer Perioden: 2004–2008. In: wbgu.de. Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, abgerufen am 6. August 2022.
  14. Mitglieder früherer Perioden: 2008–2013. In: wbgu.de. Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, abgerufen am 6. August 2022.
  15. Stefan Rahmstorf. Google Scholar. Abgerufen am 28. Januar 2023.
  16. B. Rose, S. Rahmstorf, H. Dehnen: Propagation of self-gravitating density waves in the deDonder gauge on a gravitational background field. In: General Relativity and Gravitation. November 1988, Vol. 20, Issue 11, S. 1193–1201.
  17. Stefan Rahmstorf: Rapid climate transitions in a coupled ocean–atmosphere model. In: Nature. 372, S. 82–85 (3. November 1994), doi:10.1038/372082a0
  18. Stefan Rahmstorf: Bifurcations of the Atlantic thermohaline circulation in response to changes in the hydrological cycle. (PDF; 692 kB). In: Nature. 378, S. 145–149 (1995).
  19. Andrey Ganopolski, Stefan Rahmstorf, Vladimir Petoukhov, Martin Claussen: Simulation of modern and glacial climates with a coupled global model of intermediate complexity. In: Nature. 391, S. 351–356 (22. Januar 1998), doi:10.1038/34839
  20. Stefan Rahmstorf, Andrey Ganopolski: Long-Term Global Warming Scenarios Computed with an Efficient Coupled Climate Model. In: Climatic Change. Oktober 1999, Volume 43, Nr. 2, S. 353–367.
  21. In: Die Zeit, 26. März 2015, S. 35; Der Tagesspiegel, 25. März 2015, S. 22; tagesspiegel.de vom 12. April 2018: Golfstrom schwächt sich ab – Folgen nicht absehbar
  22. Stefan Rahmstorf: A Semi-Empirical Approach to Projecting Future Sea-Level Rise. In: Science. 19. Januar 2007: Vol. 315, no. 5810, S. 368–370, doi:10.1126/science.1135456
  23. Martin Vermeer, Stefan Rahmstorf: Global sea level linked to global temperature. In: PNAS. Vol. 106, No. 51. 2009.
  24. Stefan Rahmstorf, Dim Coumou: Increase of extreme events in a warming world. In: PNAS. 2011.
  25. Dim Coumou, Stefan Rahmstorf: A decade of weather extremes. In: Nature Climate Change. (2012) 2, S. 491–496, doi:10.1038/nclimate1452
  26. WBGU begrüßt Kehrtwende der EU Bioenergie-Politik (Memento vom 15. Mai 2013 im Internet Archive). Presseerklärung des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) vom 1. Oktober 2012. Abgerufen am 8. Februar 2013.
  27. Bernd Sommer: Die zehn meistzitierten Klimastudien aus Deutschland der Jahre 1994-2013. (PDF) Universität Flensburg, 13. März 2014, abgerufen am 30. Juni 2014.
  28. a b Top five science blogs. In: Nature. Band 442, Nr. 9, 2006, S. 9, doi:10.1038/442009a, PMID 16823420.
  29. Eric Roston: RealClimate. In: Time. 17. April 2008, abgerufen am 8. Januar 2012.
  30. KlimaLounge - Über das Blog. SciLogs, abgerufen am 8. Januar 2012.
  31. Wissenschaft kommuniziert | Prosit 2014 – Der Wissenschafts-Blog des Jahres 2013 ist gewählt. 2. Januar 2014.
  32. Bücher für junge Leser. In: Deutschlandfunk. 9. Februar 2012, abgerufen am 8. Februar 2013.
  33. a b Umweltbuch des Jahres 2012: „Wolken, Wind & Wetter“. Pressemeldung (Sekundärquelle!). Deutsche Umweltstiftung, 25. September 2012, abgerufen am 6. Januar 2019.
  34. Stefan Rahmstorf: Buchtipp: Wolken, Wind & Wetter. Abgerufen am 8. Januar 2012.
  35. Stefan Rahmstorf Wolken, Wind und Wetter – Buchmesse 2011. In: Hessischer Rundfunk. 29. September 2011, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 3. Oktober 2011; abgerufen am 8. Januar 2012.
  36. Video morgenmagazin: Klimagipfel: „Die Zeit läuft davon“ (12. Dezember 2012) in der ZDFmediathek, abgerufen am 8. Januar 2012. (offline)
  37. Das Kyoto-Protokoll galt ja nur für die Industriestaaten. In: Deutschlandfunk. 12. Dezember 2011, abgerufen am 8. Januar 2012.
  38. Was dem Klima schadet. In: Rundfunk Berlin-Brandenburg. 28. November 2011, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 6. Februar 2013; abgerufen am 8. Januar 2012.
  39. Die Kernaussage bleibt. Interview vom 16. Februar 2010, nano, 3sat (Video, 17:24 min, abgerufen am 7. Oktober 2012).
  40. Project Syndicate – Author's Bio. Project Syndicate, abgerufen am 8. Januar 2012.
  41. Zeo2 – Stefan Rahmstorf. Abgerufen am 8. Januar 2012.
  42. Klimaschutz: Gore und UN-Klimarat mit Friedensnobelpreis ausgezeichnet. In: ARD. 10. Dezember 2007, abgerufen am 8. Januar 2012 (Video nicht verfügbar).
  43. Tom de Castella: Top climate scientists share their outlook. In: Financial Times. 20. November 2009, abgerufen am 8. Januar 2012.
  44. Website der James S. McDonnell Foundation: Funded Grants
  45. Bangor University: 2007 Honorary Fellows (Memento vom 15. Dezember 2016 im Internet Archive)
  46. Deutsche Umwelthilfe: Preisträger 2007
  47. scinexx: Auszeichnung für streitbaren Klimaforscher: Stefan Rahmstorf erhält Medienpreis der Deutschen Umwelthilfe, 12. Dezember 2007.
  48. Eric Davidson, Samuel Mukasa: 2017 AGU Union Medal, Award, and Prize Recipients Announced. In: EOS. Band 98, 2017, doi:10.1029/2017EO078197 (eos.org).
  49. Preisträger 2019. Zeit Wissen. Abgerufen am 30. März 2019.
  50. Climate One Honors Dr. Stefan Rahmstorf. Pressemitteilung von Climate One. Abgerufen am 22. Juni 2022.
  51. Stefan Rahmstorf mit Stephen Schneider Preis ausgezeichnet. Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Abgerufen am 22. Juni 2022.
  52. EGU announces its 2024 awards and medals! Abgerufen am 16. November 2023 (englisch).
  53. Siehe auch Interview (Februar 2021) auf zeit.de.