Das Steuerrecht ist das Spezialgebiet des öffentlichen Rechts, das die Festsetzung und Erhebung von Steuern regelt. Das Verfahren der Steuerfestsetzung und -erhebung wird weitgehend durch die Abgabenordnung bestimmt, die die wesentlichen Vorschriften des Steuerverfahrensrechts enthält, während das materielle Steuerrecht, also die konkreten Bestimmungen zur Höhe der Steuerschuld, in zahlreichen Einzelgesetzen verankert ist. Im weiteren Sinne werden zum Steuerrecht auch die Rechtsnormen gerechnet, die sich mit der Steuerverwaltung und der Finanzgerichtsbarkeit befassen. Üblicherweise nicht zum eigentlichen Steuerrecht gezählt werden hingegen die Vorschriften, die sich mit der Steuergesetzgebung und der Verteilung des Steueraufkommens befassen (Teile des Grundgesetzes und das Zerlegungsgesetz). Dennoch sind diese Rechtsnormen für das Verständnis des Steuerrechts unerlässlich.
Das Wort „Steuer“ kommt aus dem Althochdeutschen stiura und bedeutet so viel wie Stütze, Beihilfe oder auch nur Hilfe. Nach der Legaldefinition in § 3Abgabenordnung (AO) sind Steuern Geldleistungen, die
Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 4 Nr. 10 und 11 des Zollkodexes (Zölle) und Agrarabschöpfungen der Europäischen Union gehören ebenfalls zu den Steuern.
Zur Entwicklung des Steuersystems bis in das 19. Jahrhundert siehe Steuer.
Die Grundsätze des deutschen Steuerrechts werden als Finanzverfassungsrecht in der Verfassung bestimmt. Danach sind Steuergesetzgebungshoheit, Steuerertragshoheit und Steuerverwaltungshoheit nach unterschiedlichen Kriterien auf Bund, Länder und Gemeinden verteilt.
Das Steuerrecht ist ein eigenständiges Rechtsgebiet. Es umfasst alle Rechtsnormen, die das Steuerwesen der Bundesrepublik Deutschland regeln, insbesondere das Verhältnis zwischen den Trägern der Steuerhoheit und den Steuerpflichtigen. Steuerrechtliche Tatbestände und Rechtsbegriffe sind eigenständig definiert. Zwar sind Privat- und Steuerrecht dort verbunden, wo das Steuerrecht nicht nur an die gegebenen Lebensverhältnisse und damit auch an ihre zivilrechtliche Ordnung anknüpft, sondern den Steuergegenstand prinzipiell nach Rechtsformen des bürgerlichen Rechts bestimmt.[1] Knüpft eine steuerrechtliche Norm an eine zivilrechtliche Gestaltung an, so ist die Auslegung der steuerrechtlichen Bestimmung aber weder zwingend an dem Vertragstyp auszurichten, der der von den Parteien gewählten Bezeichnung entspricht, noch wird sie notwendigerweise von der zivilrechtlichen Qualifikation des Rechtsgeschäfts beeinflusst.
Auch gilt keine Vermutung, das dem Zivilrecht entlehnte Tatbestandsmerkmal einer Steuerrechtsnorm im Sinne des zivilrechtlichen Verständnisses zu interpretieren, weil Zivilrecht und Steuerrecht nebengeordnete, gleichrangige Rechtsgebiete sind, die denselben Sachverhalt aus einer anderen Perspektive und unter anderen Wertungsgesichtspunkten beurteilen. Die Parteien können zwar einen Sachverhalt vertraglich gestalten, nicht aber die steuerrechtlichen Folgen bestimmen, die das Steuergesetz an die vorgegebene Gestaltung knüpft. Insoweit gilt eine Vorherigkeit für die Anwendung des Zivilrechts,[2] jedoch kein Vorrang[3][4] (sog. Autonomie des Steuerrechts).[5]
Es wird unterschieden zwischen allgemeinem und besonderem Steuerrecht.
Zum allgemeinen Steuerrecht gehören die Rechtsgebiete, die gleichsam als Klammer um die Einzelsteuern gezogen werden (wie etwa Abgabenordnung, Bewertungsgesetz, Finanzgerichtsordnung, Finanzverwaltungsgesetz u. a.).
Das besondere Steuerrecht setzt sich aus den Einzelsteuergesetzen zusammen (z. B. Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Umsatzsteuergesetz etc.).
Das deutsche Steuerrecht wird durch folgende – auf dem Grundgesetz beruhende – Prinzipien geprägt:
Nach Art. 108 Abs. 6 GG wird die Finanzgerichtsbarkeit durch Bundesgesetz einheitlich geregelt. Mit der Finanzgerichtsordnung sind als Instanzen eingerichtet:
Vom Klageverfahren zu unterscheiden ist der außergerichtliche Rechtsbehelf. Dieses Einspruchsverfahren gibt dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, einen Steuerbescheid durch die Finanzbehörde selbst nochmals umfassend überprüfen zu lassen und so mögliche Fehler in einem kostenfreien und zügigen Verfahren korrigieren zu lassen.
Die Verwaltung der Abgaben ist, analog zur Steuerertragshoheit und dem föderalen Aufbau Deutschlands entsprechend, den folgenden Behörden übertragen (Finanzverwaltungsgesetz):
Bundesfinanzbehörden – und damit verantwortlich für die bundeseinheitlichen Abgaben – sind
Landesfinanzbehörden – und damit verantwortlich für länderspezifische Abgaben – sind
Die Zuständigkeiten betreffend kommunale Abgaben werden durch Kommunalabgabengesetze und die einzelnen kommunalen Satzungen geregelt.
Steuern können in vielfachster Weise unterschieden werden, u. a. hinsichtlich
In Deutschland sind auch die als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannten Religionsgemeinschaften berechtigt, eine Kirchensteuer zu erheben. Fast alle Kirchen machen hiervon auch Gebrauch, haben allerdings meist die Finanzämter der Bundesländer mit der Erhebung beauftragt.
Jahr | Lohnsteuerbelastung der Bruttolöhne und -gehälter | Beitragsbelastung der Bruttolöhne und -gehälter | Belastung durch direkte Steuern auf Gewinn- und Vermögenseinkommen | Belastung durch Sozialbeiträge auf Gewinn- und Vermögenseinkommen |
---|---|---|---|---|
Jahr | in Prozent | in Prozent | in Prozent | in Prozent |
1960 | 6,3 | 9,4 | 20 | 3,0 |
1970 | 11,8 | 10,7 | 16,1 | 2,9 |
1980 | 15,8 | 12,8 | 15,3 | 3,9 |
1990 | 16,2 | 14,2 | 9,8 | 3,0 |
1991 | 16,3 | 14,3 | 7,3 | 2,8 |
1992 | 17,2 | 14,5 | 6,9 | 2,9 |
1993 | 16,8 | 14,6 | 6,9 | 3,3 |
1994 | 17,2 | 15,4 | 6,1 | 3,3 |
1995 | 18,6 | 15,6 | 4,5 | 3,2 |
1996 | 19,3 | 15,9 | 3,7 | 3,6 |
1997 | 19,5 | 16,6 | 3,1 | 3,2 |
1998 | 19,5 | 16,6 | 4,1 | 3,1 |
1999 | 19,5 | 16,3 | 6,4 | 3,6 |
2000 | 19,3 | 16,0 | 7,9 | 3,5 |
2001 | 18,5 | 16,0 | 7,8 | 3,5 |
2002 | 18,7 | 16,0 | 6,9 | 3,6 |
2003 | 18,8 | 16,3 | 5,7 | 3,3 |
2004 | 17,7 | 16,4 | Angaben noch nicht verfügbar | Angaben noch nicht verfügbar |
Quelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen des WSI
Durch die finanziellen Auswirkungen auf den Bürger sind Steuern und die Steuergesetzgebung ein ständiger politischer Streitpunkt und vielfacher Kritik ausgesetzt. Hauptkritikpunkte sind seit vielen Jahren die Kompliziertheit des Steuerrechts und die angeblichen Umgehungsmöglichkeiten, die es insbesondere den Gutverdienenden gestatten, der Steuerbelastung durch Gestaltungsalternativen auszuweichen.
Steuern mit Fiskalzweck: Steuern generieren Staatseinnahmen, mit denen der Staat seine Ausgaben, wie z. B. die Schaffung, Verbesserung und Aufrechterhaltung der Infrastruktur finanziert. Gemäß dem Gesamtdeckungsprinzip müssen Steuern grundsätzlich in den allgemeinen Staatshaushalt fließen. Verwendungszwecksteuern, deren Aufkommen für einen festgeschriebenen Zweck zu verwenden ist, sind nur ausnahmsweise zulässig.
Steuern mit Lenkungszweck (Lenkungssteuern): Einige Steuern sollen bestimmte Verhaltensweisen beeinflussen. So kann man beispielsweise versuchen, mit einer hohen Tabaksteuer das Rauchen einzudämmen oder mit einer Ökosteuer den Schadstoffausstoß zu verringern.
Steuern mit Umverteilungszweck: Steuern können dazu genutzt werden, eine Umverteilung des Einkommens, beispielsweise aus einer politischen, sozialen Zielsetzung, zu erreichen. So sieht Wolfgang Schön die Frage nach der Umverteilung als „moderne Gretchenfrage des Steuerrechts“.[6]
Die Kritik erstreckt sich im Wesentlichen auf die Punkte:
Als wirtschaftliche Folgen würden Steuern demnach ...
Steuern sind im Allgemeinen nicht entscheidungsneutral. Gerade in der angelsächsischen Literatur wird deshalb oft darauf hingewiesen, Steuern auf solche Märkte zu erheben, deren Nachfrage auf Preise unelastisch reagiert (siehe auch Preiselastizität).
Eine weitere Fragestellung beschäftigt sich mit der Steuerinzidenz. Bei der Einführung der Steuer sollte geklärt werden, wer die eigentliche Last der Steuer trägt. Der Steuerschuldner zahlt die Abgabe entsprechend der gesetzlichen Richtlinie (Zahllast). Der Steuerträger trägt die Last der Abgabe (Traglast). Der Steuerschuldner ist aber nicht mit dem Steuerträger gleichzusetzen, da der Steuerschuldner bei der Steuerüberwälzung die Zahllast auf den Steuerträger abwälzen kann. Ob dies erfolgreich ist, hängt von der Marktform, der Art der Steuer (Mengensteuer, Wertsteuer) und der Preiselastizität von Angebot und Nachfrage ab.