Die Stummelfußfrösche (Atelopus) werden manchmal auch Harlekinfrösche oder Harlekinkröten genannt und bilden eine im tropischen Lateinamerika – zwischen Costa Rica im Norden und Bolivien im Süden – beheimatete Gattung aus der Familie der Kröten (Bufonidae). Es werden 100 beschriebene Arten zu diesen Amphibien gezählt – einige weitere ehemalige Atelopus-Arten werden mittlerweile anderen Gattungen zugeordnet.[1] In älteren Systematiken wurden die Stummelfußfrösche zusammen mit den Sattelkröten (Brachycephalus) als eigene Familie Atelopidae abgegrenzt. Unter anderem das Vorhandensein des Bidderschen Organs weist sie aber als Angehörige der „Kröten“ aus.
Es handelt sich um meist sehr kleine, schlanke und mitunter bizarr gebaute, sehr farbenfrohe und giftige Froschlurche (siehe beispielsweise: Panama-Stummelfußfrosch). Der deutsche Name bezieht sich auf die häufig stark verkürzten inneren Finger und Zehen.
Die Pupille ist horizontal. Die Zunge ist elliptisch, ganzrandig und hinten frei abhebbar. Gaumenzähne und Gaumenfalten sind nicht vorhanden. Das Trommelfell ist nicht sichtbar. Die Finger sind entweder frei oder an der Basis mittels einer Schwimmhaut miteinander verbunden. Diese greift nicht zwischen die Metatarsen der 4. und 5. Zehe ein. Die Spitzen der Finger und Zehen sind höchstens leicht verdickt, aber niemals zu deutlichen Haftscheiben verbreitert. Die Endglieder der Zehen sind einfach und knöchern. Die Coracoide und Praecoracoide divergieren mehr oder weniger stark. Das Omosternum ist nicht vorhanden. Das Sternum ist knorpelig. Mäßig stark verbreitert sind die Querfortsätze das Sakralwirbels.[2]
Zu ihren bevorzugten Lebensräumen zählen Schluchten von Berg-Nebelwäldern. Sie halten sich dort am Boden auf und sind in der Regel tagaktiv auf der Jagd nach Insekten und anderen kleinen Wirbellosen. Die Wanderungen zu Laichplätzen in schnellfließenden Bergbächen und kleinen Flüssen können Stummelfußfrösche wochen- oder sogar monatelang in Paarungsumklammerung zubringen. Die Männchen vieler Arten stoßen leise trillernde oder zirpende Balzrufe aus. Der Laich wird in Schnüren abgelegt und an Pflanzen oder Steine im Wasser geheftet. Die Kaulquappen verfügen über große Saugnäpfe, um in der Strömung der Bäche nicht verdriftet zu werden.
Bekanntheit haben Stummelfußfrösche in jüngster Zeit dadurch erlangt, dass fast alle Arten in ihrem Fortbestand akut gefährdet sind: Die IUCN stuft von 94 bewerteten Arten allein 61 in der höchsten Gefährdungskategorie, vom Aussterben bedroht (critically endangered), ein. Zwei Arten gelten als sicher ausgestorben (extinct). Nach einer Studie von 2005 zeigten von den damals berücksichtigten 113 beschriebenen Arten 42 einen deutlichen Rückgang, 30 Arten wurden als verschollen bewertet. Nur 10 Arten galten als in ihrem Bestand stabil.[3] Die Art Atelopus balios wird von der IUCN inzwischen sogar zu den einhundert am stärksten vom Aussterben bedrohten Arten gezählt.[4]
Der massive Rückgang der Stummelfußfrösche wird neben anderen Ursachen in erster Linie auf Infektionen durch den Chytridpilz (Batrachochytrium dendrobatidis) zurückgeführt, insbesondere bei den Populationen in Mittelamerika. Dessen vermehrtes Auftreten bringen Untersuchungen wiederum mit einem beginnenden Klimawandel in Zusammenhang. So soll eine verstärkte Wolkenbildung über den Berghabitaten zu höheren Durchschnittstemperaturen in den Nächten führen, wodurch sich die für das Gedeihen des Chytridpilzes optimale Temperaturspanne ausdehnt.[5]
Zum Rückgang dürften ferner (frühere) Massenexporte in die westlichen Industrieländer beigetragen haben, wo diese Lurche in Terrarien gehalten wurden – oft mit geringem Erfolg und entsprechend hohem „Tierverbrauch“.[6]
↑ abDarrel R. Frost: Atelopus Duméril & Bibron, 1841. Amphibian Species of the World: An Online Reference. Version 6.2. Electronic Database accessible at American Museum of Natural History, New York 1998–2024. Abgerufen am 16. Februar 2024.
↑Fritz Nieden: Anura II. In: F. E. Schulze, W. Kükenthal, K. Heider (Hrsg.): Das Tierreich. Walter de Gruyter & Co., Berlin/Leipzig 1926, S. 76.
↑Studie in „Nature“, zit. in: Philip Bethge: Eine Arche für die Frösche. – Der Spiegel 47/2006: S. 176–178.
↑Rainer Schulte: Frösche und Kröten. Ulmer-Verlag, Stuttgart 1980, ISBN 3-8001-7048-5, S. 110ff.
↑D. A. Velásquez-Trujillo, F. Castro-Herrera, S. Lötters & A. Plewnia: A new species of harlequin toad from the Western Cordillera of Colombia (Bufonidae: Atelopus), with comments on other forms. Salamandra 60: 2024, S. 67–81.
↑A. Plewnia, A. Terán-Valdez, J. Culebras, R. Boistel, D. J. Paluh, A. B. Quezada Riera, C. H. Heine, J. P. Reyes-Puig, D. Salazar-Valenzuela, J. M. Guayasamin & S. Lötters: A new species of harlequin toad (Bufonidae: Atelopus) from Amazonian Ecuador. Salamandra, 60, 2024, S. 237–253.
↑ abP.J. Venegas, A. Catenazzi, K. Siu-Ting & J. Carrillo: Zwei neue Harlekinfrösche (Anura: Atelopus) aus den Anden von Nord-Peru, in: Der Salamander (Übersetzung der Salamandra), Band 44, Heft 3, S. 163–176, Rheinbach 20. August 2008. ISSN1860-6644
↑M. Veselý & A. Batista: A new species of Atelopus (Amphibia: Bufonidae) from eastern Panama. Zoological Research/Dōngwùxué yánjiū, 42, Kunming 2021, S. 272–279, doi:10.24272/j.issn.2095-8137.2020.319.
↑V. Herrera-Alva, V. Díaz, E, Castillo, C. Rodolfo & A. Catenazzi: A new species of Atelopus (Anura: Bufonidae) from southern Peru. Zootaxa, 4853, 2020
Atelopus in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2009. (Engl.)
Darrel R. Frost: Atelopus Duméril & Bibron, 1841. Amphibian Species of the World: An Online Reference. Version 6.2. Electronic Database accessible at American Museum of Natural History, New York 1998–2024. Abgerufen am 16. Februar 2024.