Strukturformel | ||||||||||||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Allgemeines | ||||||||||||||||||||||
Freiname | Treosulfan | |||||||||||||||||||||
Andere Namen | ||||||||||||||||||||||
Summenformel | C6H14O8S2 | |||||||||||||||||||||
Kurzbeschreibung |
weißer, geruchloser, kristalliner Feststoff[2] | |||||||||||||||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | ||||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||||
Arzneistoffangaben | ||||||||||||||||||||||
ATC-Code | ||||||||||||||||||||||
Wirkstoffklasse | ||||||||||||||||||||||
Wirkmechanismus |
Alkylans | |||||||||||||||||||||
Eigenschaften | ||||||||||||||||||||||
Molare Masse | 278,30 g·mol−1 | |||||||||||||||||||||
Aggregatzustand |
fest | |||||||||||||||||||||
Schmelzpunkt | ||||||||||||||||||||||
Löslichkeit |
≥100 mg/ml in Wasser (18,9 °C)[3] | |||||||||||||||||||||
Sicherheitshinweise | ||||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||||
Toxikologische Daten | ||||||||||||||||||||||
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa). |
Treosulfan ist ein Zytostatikum aus der Klasse der Alkylantien.[4]
Treosulfan wurde bereits in den 1960er-Jahren synthetisiert.[5] Es handelt sich um ein Alkylsulfonat und Dihydroxyderivat des Busulfans. Die chemische Darstellung erfolgt beispielsweise durch Umsetzung von 1,4-Dibrombutan-2,3-diol[6] mit dem Silbersalz der Methansulfonsäure.[7] Aus Stabilitätsgründen werden Arzneimittel mit dem Wirkstoff in Pulverform und nicht in wässriger Lösung vertrieben. Pulver zur Zubereitung von Infusionslösungen lösen sich in Wasser nur langsam und neigen zur Bildung von Pulveragglomeraten. Treosulfan ist kompatibel mit isotonischer Kochsalzlösung oder 5 %iger Glucoselösung als Trägerlösung. Die applikationsfertige Lösung ist über einen in den Arzneimittelfachinformationen angegebenen Zeitraum chemisch-physikalisch stabil.[8]
Es stehen verschiedene Präparate und Darreichungsformen zur Verfügung. Die Anwendungsgebiete unterscheiden sich zulassungsbedingt je nach Präparat:
Treosulfan ist parenteral und oral anwendbar. Die patientenindividuelle Therapiedosis wird anhand der Körperoberfläche berechnet.[9]
Die orale Therapie bei Ovarialkarzinom erstreckt sich über 28 Tage, wobei 4 Einzeldosen in patientenindividueller Dosierung eingenommen werden. Eine Wiederholung ist nach 28-tägiger Therapiepause möglich.[9]
Die parenterale Anwendung bei Ovarialkarzinom erfolgt als intravenöse Kurzinfusion einmalig je Therapiezyklus von 28 Tagen. Mit Cisplatin kombiniert werden die Therapiezyklen alle 3 bis 4 Wochen wiederholt. Dabei sind in der Regel 6 Therapiezyklen vorgesehen. Ein dosis- und therapielimitierender Faktor kann das Auftreten einer Myelosuppression (Knochenmarksdepression) sein;[9] in Abhängigkeit der Wirkung auf die Zahl der Leukozyten und Thrombozyten kann eine Anpassung der Dosis erforderlich sein.[4]
Eine Prämedikation aus Ondansetron und Dexamethason soll durchgeführt werden um Nebenwirkungen abzumildern.[10]
Nach oraler Einnahme wird Treosulfan rasch und mit einer Bioverfügbarkeit von annähernd 100 Prozent[4] über die Darmschleimhaut in den Blutkreislauf aufgenommen. 50 bis 60 Prozent des Wirkstoffs werden unverändert über den Urin ausgeschieden, Treosulfan hat eine Plasmahalbwertszeit von 1,5 bis 1,8 Stunden.[8] Eine Plasmaeiweißbindung erfolgt nicht. Im Organismus erfolgt bei einem pH von circa 7,4 eine spontane (nicht-enzymatische) Umsetzung des Treosulfans in ein aktives, also pharmakologisch wirksames, Zwischenprodukt (ein Monoepoxid) und schließlich zum ebenfalls aktiven L-Diepoxybutan. Unter Laborbedingungen wurde für Diepoxybutan eine Halbwertszeit von 2,2 Stunden ermittelt.[4]
Treosulfan ist ein Prodrug, das zu einem Epoxid (o. g. Diepoxybutan) bioaktiviert wird.[9] Dieses fungiert als bifunktionelles Alkylans, es alkyliert Bestandteile der DNA und führt zu Quervernetzungen. Das zuerst entstehende Monoepoxid bindet am nukleophilen Zentrum der DNA, wodurch die Substanz bereits am Wirkort fixiert wird. Über den zweiten Epoxidring erfolgt eine weitere Bindung an die DNA. Durch diese Alkylierung der DNA werden dessen Funktion und damit der Zellstoffwechsel, der Zellzyklus und das Zell- und Tumorwachstum gehemmt.[4]
Häufige Nebenwirkungen von Treosulfan sind:
Das emetogene Potential von Treosulfan wird als moderat im Falle der intravenösen Applikation bewertet. Das heißt, ohne adäquate Prophylaxe (z. B. Prämedikation mit Dexamethason und Ondansetron) tritt bei 30 bis 90 Prozent der Patienten Erbrechen auf. Im Falle der oralen Therapie mit Treosulfan ist die Wahrscheinlichkeit erheblich geringer.[11]
Weitere seltene oder sehr seltene Nebenwirkungen sind beispielsweise Panzytopenie, Morbus Addison, Hypoglykämie, Kardiomyopathie, Lungenfibrose, Alveolitis, Pneumonie, Sklerodermie, Aktivierung einer Psoriasis, Erytheme, Urtikaria und hämorrhagische Zystitis (Blasenentzündung).[4]
Es sind folgende Kontraindikationen bekannt, bei welchen die Anwendung von Treosulfan nicht erfolgen soll:
Ein Therapieabbruch ist dauerhaft erforderlich, wenn es zum Auftreten einer allergischen Alveolitis oder Lungenfibrose unter der Behandlung mit Treosulfan kommt.[4]
Patientinnen im gebärfähigen Alter müssen während sowie sechs Monate nach Beendigung der Behandlung auf eine effektive Schwangerschaftsverhütung achten.[4]
Im Tierversuch zeigen sich negative Effekte auf Keimzellen. Bei Ratten wurden eine verzögerte Spermiogenese sowie ausbleibende Ausbildung der Gelbkörper und Follikel beobachtet. Aus klinischen Beobachtungen ergibt sich das bereits erwähnte karzinogene (tumor- bzw. malignomprovozierende) Potential des Wirkstoffs. Exposition von Ratten über sieben Monate führten zu verminderter Spermiogenese bei Männchen und einen gestörten Fortpflanzungszyklus bei weiblichen Tieren. An anderen Organen wurden keine Veränderungen festgestellt. Effekte akuter Überdosierungen bei Affen waren Störungen des blutbildenden Systems (Myelosuppression und die daraus resultierenden Effekte; vergleiche: Nebenwirkungen), Diarrhoe, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust.[4]
Aufgrund des Gefahrstoffpotentials als mutagene Substanz sind entsprechende Schutzmaßnahmen beim Umgang mit dem Wirkstoff zu treffen, etwa die Zubereitung von Infusionslösungen durch qualifiziertes pharmazeutisches Personal und das Tragen geeigneter persönlicher Schutzausrüstung.[4] Im Falle einer Oberflächen- oder Umgebungskontamination mit Treosulfan sollte kein Reinigungsschritt mit einer Lauge erfolgen, wie es bei Zytostatikakontaminationen oftmals üblich ist. Hintergrund ist die pH-abhängige Aktivierung der Substanz zu den toxischen Epoxidverbindungen.[5]