Eine Triggerwarnung (von englisch trigger warning, auch deutsch Inhaltshinweis,[1] von englisch content note) ist eine Warnung vor möglichen Auslösereizen (Auslöser, englisch trigger).[2] Der Begriff „Trigger“ stammt ursprünglich aus der Traumatheorie, hat aber inzwischen eine weite mediale und politische Rezeption erfahren. Für „Triggerwarnung“ ist in sozialen Medien die Abkürzung „TW“ gebräuchlich, für den verwandten neutraleren Begriff „Content Note“ (Anmerkung zum Inhalt, Inhaltshinweis) die Abkürzung „CN“.[3] Die Wirksamkeit von Triggerwarnungen gilt als umstritten, da sie gegenteilige Wirkungen haben können.[4]
Die Ursprünge des Begriffs „Trigger“ liegen in der Traumatherapie, wo der Begriff „bestimmte Reize, die unwillkürlich die Erinnerung an ein zurückliegendes Trauma auslösen und dadurch Flashbacks hervorrufen können“ bezeichnet.[5] Die heute gebräuchliche Verwendung nahm ihren Ursprung in Diskussionen über sexuelle Gewalt in feministischen Online-Foren und wurde seit Beginn der 2000er Jahre auch in weiteren Online-Communitys verwendet, bevor er durch Nutzer auf Tumblr weiter popularisiert wurde.[6]
Insbesondere an angloamerikanischen Universitäten setzen sich Studierende seit etwa den 2000ern ausgehend von den Gesellschaftswissenschaften dafür ein, dass Inhalte, die auf Menschen mit Gewalterfahrung möglicherweise retraumatisierend wirken könnten, mit Triggerwarnungen versehen werden. Dadurch soll betroffenen Menschen ermöglicht werden, in potentiell retraumatisierenden Situationen entsprechend zu reagieren, z. B. indem sie diese vermeiden und sie in einem sicheren Umfeld (beispielsweise im Rahmen einer Psychotherapie oder im Gespräch mit Vertrauenspersonen) aufzuarbeiten. Zudem hat sich ein weiteres Verständnis von Triggerwarnungen durchgesetzt, das sich auf als verletzend empfundene Inhalte bezieht. Die Auseinandersetzung um Triggerwarnungen wurde und wird insbesondere in den USA intensiv geführt.[7][5] Triggerwarnungen werden dort insbesondere in Lehrveranstaltungen gefordert, die Themen über Geschlecht, Hautfarbe (englisch Race) oder Sexualität diskutieren.[8]
In Deutschland werden seit den 2020er Jahren verstärkt Triggerwarnungen für Ausstellungen,[9] Bücher,[10] Theaterstücke und -aufführungen,[11] Serien und journalistische Artikel verwendet.[12] Der britische Schriftsteller Neil Gaiman verwendete die Bezeichnung 2015 für seine Kurzgeschichtensammlung Trigger Warning.[13]
In Büchern werden Triggerwarnungen als Teil des Paratexts vor dem Haupttext verwendet. Die Autorin Jasmina Kuhnke versah ihren Roman Schwarzes Herz 2021 mit einer Triggerwarnung.[14] Die Bücher Nullerjahre von Hendrik Bolz und Wir waren wie Brüder (2022) von Daniel Schulz über Ostdeutschland enthalten Triggerwarnungen.[15]
Epilepsie-Warnung bei flackerndem Licht und Lichtblitzen: Unter anderem MTV blendet vor der Ausstrahlung von Bühnenshows und Videoclips, die einen hohen Anteil an grellen Lichteffekten und Stroboskopblitzen enthalten, einen entsprechenden Hinweis ein. Darin heißt es, dass die Lichteffekte bei entsprechend empfänglichen Zuschauern unter Umständen epileptische Anfälle auslösen können. In einem Bericht zur Übertragung der MTV Awards 2009 heißt es: „Nach jeder Werbepause gab es eine Epilepsie-Warnung […].“[16]
Seit mindestens Januar 2023 wird auf dem Fernsehsender Super RTL vor der Ausstrahlung von Asterix-Zeichentrickfilmen ein Warnhinweis eingeblendet:
„INFO: Der folgende Film ist ein Produkt seiner Zeit. Er kann rassistische, sexistische und diskriminierende Stereotype darstellen. Diese Stereotype waren damals falsch und sie sind auch heute noch falsch. Auch wenn das Folgende die Sicht und die Wertvorstellungen von SUPER RTL nicht wiedergibt, wird der Film so gezeigt, wie er ursprünglich entstanden ist. Wir möchten anregen, aus den Inhalten zu lernen und darüber zu sprechen, um gemeinsam eine integrative, vielfältige Zukunft zu gestalten.“[17]
Für das Kinderprogramm Toggo auf demselben Sender wurde im Dezember 2023 eine kindgerecht umformulierte Fassung eingeblendet:
„INFO: Der Film, den ihr jetzt hier bei TOGGO seht, ist vor vielen Jahren entstanden. Er kann deshalb an manchen Stellen Bilder von Menschen oder Menschengruppen enthalten, die damals schon falsch waren und es auch jetzt noch sind. Heute wissen wir das und zeigen euch den Film, um gemeinsam daraus zu lernen und um zu verstehen, wie sich Ideen und Bilder im Lauf der Zeit verändern. Wenn ihr mögt, dann sprecht doch in der Familie oder in der Schule darüber.“
Im August 2023 wurden Triggerwarnungen, die in der WDR-Mediathek vor alte Sendungen der Otto-Show und Schmidteinander eingefügt wurden, kontrovers diskutiert.[18] Die Warnung vor der Otto-Show, die eingeblendet und von einer Sprecherin verlesen wurde, lautete:
„Das folgende Programm wird, als Bestandteil der Fernsehgeschichte, in seiner ursprünglichen Form gezeigt. Es enthält Passagen, die heute als diskriminierend betrachtet werden.“[19]
Als Reaktion sprach Otto Waalkes im September einen satirischen Warnhinweis vor der heute-show.[20]
Einige Studien deuten darauf hin, dass Triggerwarnungen ineffektiv Angstgefühle reduzieren und dazu führen, dass das Trauma möglicherweise als wichtiger Bestandteil der Identität wahrgenommen wird.[21][22][23] Richard J. McNally, klinischer Psychologe und Professor der Psychologie in Harvard, differenziert zwischen Traumata und posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) und merkt an, dass Vermeidung zur Entstehung von PTBS beitrage. Betroffenen könne am besten durch eine kognitive Verhaltenstherapie geholfen werden.[24]
Victoria Bridgland (Flinders University) und Psychologen der Harvard University sichteten die vorliegende Forschung zu Triggerwarnungen.[25] Ihr Fazit: Die Warnungen schützten nicht vor negativen Gefühlen, sondern schürten im Gegenteil vorab leichte Erwartungsängste. Die Warnungen könnten vielleicht helfen – wenn sie auch Hinweise zum Umgang mit aufkommenden negativen Gefühlen geben würden. Das sei aber selten der Fall.[26]
Gabriel Moshenska sieht zwei besonders prominent vertretene Gruppen von Kritikern an Triggerwarnungen: Diejenigen, die verletzende Inhalte an sich befürworten, und diejenigen, die bezweifeln, dass entsprechende Inhalte tatsächlich Schaden anrichten.[7] Konservative und liberale Kritiker argumentieren, dass Triggerwarnungen ähnlich wie Political Correctness eine Form der Zensur herbeiführen könnten, da sie zu einer Hemmung von kritischer Diskussion und Meinungsvielfalt beitrügen. Diese Position beruht unter anderem auf der Annahme, dass Menschen aufgrund von Triggerwarnungen bestimmte Themen eher vermeiden würden.[27][7]
Der Psychologe Markus Brunner begrüßt zwar, dass die Ausweitung des Traumadiskurses „der Anerkennung der Vulnerabilität von strukturell benachteiligten Gruppen“ zuträglich sei, kritisiert aber die damit einhergehende Unschärfe in der Verwendung des Traumabegriffs. Der Fokus auf die Macht von Sprache sei zwar in Anbetracht der für Linke und für von Diskriminierung Betroffene spürbaren fehlenden gesellschaftlichen Handlungsmacht verständlich, berge aber die Gefahr, kontroverse Themen nicht mehr zu behandeln. Die Kritik an studentischen Bestrebungen sei aber übertrieben und überschätze den Einfluss Studierender stark. Die Kritiker von Triggerwarnungen seien an „nuancierten Auseinandersetzungen“ wenig interessiert.[5] Constantin Wagner sieht dagegen Triggerwarnungen als „Berücksichtigung von nicht-privilegierten Sprecher*innenpositionen“ und „möglicherweise bisweilen unbeholfener Versuch, mit Verhältnissen struktureller Gewalt umzugehen“. Sie könnten somit eine hilfreiche Debatte anstoßen.[28]
Sara Ahmed sieht durch Triggerwarnung als „unvollständige und notwendigerweise unzureichende“ Maßnahme erst die Möglichkeit gegeben, schwierige Themen mit allen betroffenen Personen zu besprechen.[29] Der Anglist Ingo Berensmeyer kritisierte den Einsatz von Triggerwarnungen an deutschen Universitäten 2022 in der FAZ. Wissenschaft benötige kein „betreutes Lesen“.[30]