Trumpismus

Trumpismus ist ein politisches Schlagwort, mit dem das politische Programm („Agenda“) und der Regierungsstil Donald Trumps bezeichnet wird.[1]

Der Begriff Trumpismus kam während des Präsidentschaftswahlkampfs 2016 auf. Er bezeichnet eine populistische politische Methode, die auf komplexe politische, wirtschaftliche und soziale Probleme einfache Antworten suggeriert. Es soll die Verlierer der zunehmenden sozialen Ungleichheit mobilisieren und „die Eliten“, das politische Establishment verächtlich machen. Als Spielart der postfaktischen Politik legt der Trumpismus keinen Wert auf den Wahrheitsgehalt politischer Aussagen, so lange sie der emotionalen Mobilisierung der eigenen Zielgruppen dient. Ideologisch ist sie rechtskonservativ-nationalistisch akzentuiert,[2] wobei Trumps Politikstil auch Züge des Autoritarismus aufwies.[3] In einem Interview mit der Welt äußerte der Journalist George Packer, dass der Begriff Trumpismus kaum auf konservativ-nationalistische oder national-populistische Bewegungen anderer Länder (etwa Ungarn, Frankreich oder Deutschland) angewandt werde, da neben den Vereinigten Staaten von Amerika kein anderes Land auch nur annähernd ähnliche Voraussetzungen aufweise: neben einer enormen wirtschaftlichen wie militärischen Stärke und Unabhängigkeit eine extreme soziale Ungleichheit, eine traditionelle Religionsfreiheit bzw. fehlende feudale Vergangenheit[4] sowie das noch aus dem Ende des 18. Jahrhunderts stammende Second Amendment.

Außenpolitisch wird im Sinne von Trumps America First eine unilaterale gegenüber einer multilateralen Politik bevorzugt und nationale Interessen werden besonders hervorgehoben, auch im Rahmen von Wirtschaftsverträgen und Bündnisverpflichtungen.[5] Wiederholt ließ Trump eine Geringschätzung gegenüber Kanada sowie den transatlantischen Partnern (NATO und Europäische Union) erkennen, die bis dahin als wichtigste Verbündete der Vereinigten Staaten galten.[6] Kennzeichnend für die Außenpolitik ist des Weiteren eine Vorliebe für autokratische Herrscher, insbesondere für den russischen Präsidenten Wladimir Putin, den Trump schon vor seinem Amtsantritt[7] und während des Gipfeltreffens in Helsinki häufig lobte.[8] Innenpolitisch stehen eine Begrenzung der Zuwanderung, die innere Sicherheit und eine restriktive Drogenpolitik im Vordergrund.[9]

Wirtschaftspolitisch verspricht der Trumpismus neue Arbeitsplätze und mehr Investitionen im Inland.[10] Trumps harte Linie gegenüber Exportüberschüssen amerikanischer Handelspartner führte 2018 zu einer angespannten Lage mit gegenseitig verhängten Strafzöllen zwischen den USA auf der einen und der EU und China auf der anderen Seite.[11] Trump sichert sich die Unterstützung seiner politischen Basis, die mit der bisherigen Entwicklung in den USA unzufrieden ist, mit einer Politik, die Nationalismus, Anti-Elitismus und Globalisierungskritik stark betont.[12]

Laut Jeff Goodwin, Soziologe an der Universität New York, ist der Trumpismus durch fünf Schlüsselelemente gekennzeichnet:[13]

Rhetorisch zeichnen den Trumpismus eine chauvinistische Einstellung gegenüber Frauen und Minderheiten sowie eine Ablehnung des politischen Establishments aus.[14] Trump agiert rhetorisch außerdem nachgewiesenermaßen mit einer großen Anzahl von falschen oder zumindest irreführenden Aussagen, die er als Tatsachen darstellt.[15] In diesem Sinne wird ein Großteil der Medien aufgrund ihrer daraus resultierenden kritischen Berichterstattung von Trump abwertend als Fake News bezeichnet, während er sich lange vor allem auf den konservativen Sender Fox News Channel stützte, auf dem einflussreiche Moderatoren wie Sean Hannity seine Politik medial unterstützten.[16] Dem Präsidenten El Salvadors Nayib Bukele brachte sein harsches Vorgehen gegen die berüchtigte Bandenkriminalität seines Landes den Spitznamen el trumpito („kleiner Trump“) ein.[17]

Der amerikanische Historiker Robert Paxton bewertet den Trumpismus aufgrund der xenophoben Programmatik, der wiederholten Thematisierung des nationalen Niedergangs, den es zu bekämpfen gelte, und der angewandten rhetorischen Stilmittel als protofaschistisch. Stanley Payne stuft ihn nicht als faschistisch, sondern reaktionär ein, während der britische Historiker Roger Griffin die Definition für Faschismus als nicht erfüllt ansieht, da Trump das politische System der Vereinigten Staaten nicht in Frage stellt beziehungsweise dessen demokratische Institutionen nicht abschaffen will. Erkennbar sei aber eine Geringschätzung des vertrauten politischen Systems sowohl in der Innen- wie der Außenpolitik. Der argentinische Historiker Federico Finchelstein sieht bedeutsame Schnittmengen zwischen Peronismus und Trumpismus.[18] Der Historiker Christopher Browning betrachtet die Langzeitfolgen von Trumps Politik, die starke autoritäre Züge aufweist, und der diesbezüglichen Unterstützung, die er dafür von der Republikanischen Partei erhält und die das politische Klima nachhaltig vergiftet hat, für potentiell demokratiegefährdend.[19]

Der Politikwissenschaftler Walter Russell Mead ordnet den Aufstieg Trumps auf dem Gebiet der amerikanischen Außenpolitik in einen größeren historischen Kontext ein. Er sieht den Trumpismus als eine Wiederkehr des populistischen Jacksonianismus der 1830er Jahre, der sich durch Nationalismus ausgezeichnet und sich für auswärtige Angelegenheiten nur interessiert habe, wenn er die nationalen Interessen bedroht gesehen habe. Von daher habe Trump seinen Erfolg auch der zunehmenden Unpopularität der Außen- und Interventionspolitik zu verdanken, die seit Jahrzehnten von republikanischen und demokratischen Administrationen verfolgt worden sei und eine liberale Weltordnung angestrebt habe. Dieser in der Tradition von Alexander Hamilton und Woodrow Wilson stehende liberale Internationalismus der Vereinigten Staaten habe durch die Wahl Trumps eine Absage erhalten.[20]

In der deutschsprachigen Debatte wird der Begriff oft im Zusammenhang mit der Vertrauenskrise in Politik und Medien verwendet. Er bezeichnet dann die Strategie meist rechter politischer Akteure, diese Krise zu schüren, um von ihr zu profitieren.[21] Die Schweizer Politologin Regula Stämpfli fasst den Begriff jedoch weiter und definiert den Trumpismus – losgelöst vom Links-Rechts-Schema – als einen neuen Politikstil, in dem das Argument durch die Marke ersetzt, der politische Gegner als Feind begriffen und eine immer persönlicher geführte Auseinandersetzung immer häufiger über Massenmedien und soziale Medien geführt wird:

„TRUMPISMUS skandalisiert, unterhält, empört, spielt auf der Klaviatur der Gefühle und der Medien. TRUMPISMUS transformiert Zeichen in Weltpolitik. TRUMPISMUS politisiert vulgär, unaufrichtig und wertfrei. TRUMPISMUS ist der Ton unserer Zeit.“

Stämpfli 2018, Vorwort (Majuskeln im Original)[22]

Die Philosophin Susan Neiman sieht im Poststrukturalismus eine philosophische Strömung, die das „postfaktische Zeitalter“ vorbereitet und damit dem Trumpismus den Boden bereitet habe. Demnach bestehe die Wirklichkeit, wie sie etwa von Jacques Lacan und Michel Foucault vertreten werde und von rechten Meinungsführern in den USA rezipiert worden sei, „nur aus verschiedenen Erzählungen, die alle gleichwertig seien“. Demgegenüber ist Neiman der Meinung, dass „möglichst viele Narrative“ – untersucht und übereinander gelegt – doch in die Nähe der Wahrheit führten. Trumps Markenzeichen sei Schamlosigkeit. Wenn sich aber das Machtoberhaupt eines Staates entscheide, „dass Normen ihm egal sind, sickert die Schamlosigkeit in die politische Kultur hinein.“ Anlässlich Trumps Ausscheiden aus dem Amt zur Möglichkeit einer Rückabwicklung des eingetretenen Werteverfalls befragt, äußerte Neiman, Joe Biden und sein Kabinett könnten viel bewirken, doch brauche es auch eine Graswurzelbewegung, „um die Integrität der Demokratie wiederherzustellen.“[23]

Das britische Collins English Dictionary kürte Trumpism nach Brexit zu einem seiner „Wörter des Jahres 2016“: Laut der Jury bezeichnet der Begriff sowohl Trumps Ideologie als auch seine charakteristisch provokativen Äußerungen.[24]

Einzelnachweise

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  1. Jon Sopel: What is Trumpism? BBC News, 20. Januar 2018, abgerufen am 3. Juli 2018 (englisch).
  2. Vgl. Johannes Kuhn: Wer Amerika nach rechts rückte, in: Süddeutsche Zeitung, 2. September 2017; Adam Serwer: The Nationalist's Delusion, in: The Atlantic, 20. November 2017.
  3. Lee Drutman, Larry Diamond, Joe Goldman: Is Trump Giving Authoritarianism a Bad Name?, in: The New York Times, 15. März 2018; Greg Sargent: The Trump authoritarian cult, in: The Washington Post, 26. Oktober 2017.
  4. George Packer: „Wenn dieser Tag jemals kommt, wird es sich wie der Tod anfühlen“ - WELT. 21. Juni 2021, abgerufen am 19. August 2024.
  5. Peter Rudolf: US-Außenpolitik unter Präsident Trump, Stiftung für Wissenschaft und Politik; Thomas Assheuer: Donald Trump: Das Recht bin ich, in: Zeit Online, 16. Mai 2018.
  6. Julianne Smith, Jim Townsend: NATO in the Age of Trump, in: Foreign Affairs, 9. Juli 2018; Ishaan Tharoor: Trump’s NATO trip shows ‘America First’ is ‘America Alone’, in: The Washington Post, 11. Juli 2018.
  7. Timeline: Donald Trump's praise for Vladimir Putin
  8. Trump und Putin: Republikaner üben leichte Kritik
  9. Nayib Bukele, der "kleine Trump" El Salvadors. Abgerufen am 18. August 2024 (österreichisches Deutsch).
  10. John Harwood: Why Trumpism May Not Endure. In: The New York Times, 20. Januar 2017.
  11. Richard Partington: Trump’s trade war: what is it and which products are affected?, in: The Guardian, 7. Juli 2018.
  12. Jack Thompson: Den Trumpismus verstehen: Die Außenpolitik des neuen amerikanischen Präsidenten. In: Sirius – Zeitschrift für Strategische Analysen, Heft 1(2), 2017, S. 109–115 (online).
  13. How the Trump administration's roadblocks could cause problems for Biden
  14. Ben Tarnoff: The triumph of Trumpism: the new politics that is here to stay. In: The Guardian, 9. November 2016.
  15. Glenn Kessler, Meg Kelly: President Trump has made more than 2,000 false or misleading claims over 355 days, in: The Washington Post, 10. Januar 2018.
  16. Jason Schwartz: Trump opens rift in press corps as he disses CNN as ‘fake’ and Fox News as ‘real’, in: Politico, 13. Juli 2018.
  17. Nayib Bukele, der "kleine Trump" El Salvadors. Abgerufen am 19. August 2024 (österreichisches Deutsch).
  18. Federico Finchelstein: From Fascism to Populism in History. University of California, Oakland 2017, ISBN 978-0-520-96804-2, S. 11–13.
  19. Christopher Browning: The Suffocation of Democracy. In: The New York Review of Books Vol. 65, Number 16 (2018). Zitat ebd.: Trump is not Hitler and Trumpism is not Nazism, but regardless of how the Trump presidency concludes, this is a story unlikely to have a happy ending.
  20. Vgl. dazu Walter Russell Mead: The Jacksonian Revolt:American Populism and the Liberal Order. In: Foreign Affairs. Vol. 96, No. 2, März/April 2017, S. 2–7.
  21. Dorothée de Nève: „Der Trumpismus bedroht die Demokratie auch in Hessen.“ (Memento des Originals vom 12. April 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/hessenschau.de In: Hessenschau, 10. November 2016; Georg Seeßlen: Sprachattacke der Rechtspopulisten: Trompeten des Trumpismus. In: Spiegel Online, 2. Februar 2017.
  22. Regula Stämpfli: Trumpism. Ein Phänomen verändert die Welt. Münsterverlag, Basel 2018, ISBN 978-3-905896-79-4.
  23. „Die Schamlosigkeit ist der Kern des Trumpismus“. Die Philosophin Susan Neiman über den Ursprung des Postfaktischen, neue Wege in der Bildung und den Werteverfall in den USA. Interview in Der Tagesspiegel, 20. Januar 2021, S. 22.
  24. Etymology Corner – Collins Word of the Year 2016. In: Collinsdictionary.com, 3. November 2016.