Für den im ersten Nachkriegsjahr geborenen Komponisten stand wie bei vielen seiner Altersgenossen die Auseinandersetzung mit der Musik der Zweiten Wiener Schule „am Beginn der Aneignung der musikalischen Moderne, die im nationalsozialistischen Deutschland verfemt worden war. Doch vollzog sich sein Studium der Wiener Schule […] gelassener als bei Boulez, Nono oder Stockhausen. Dessen Herleitung des seriellen Verfahrens stellte Leyendecker in Frage.“ (Lutz Lesle) Insbesondere die Musik von Alban Berg, in der Leyendecker eine „Rest-Tonalität“ gewahrt sah, wurde für den Komponisten prägend. Zu Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit ging Leyendecker bei der Genese seines musikalischen Materials „oft noch einen Schritt hinter die a priori fixierte und gesicherte Grundgestalt zurück.“ (Lutz Lesle) Später wurden mehr und mehr feste motivische Gestalten wichtig, die dennoch eine raumgreifende Metamorphose des musikalischen Materials zuließen. Ein wichtiges Anliegen Leyendeckers blieb, eine fassliche, emotional nachvollziehbare Musik zu schreiben, ohne sich dem Publikum anbiedern zu müssen. Ab den 2000er Jahren findet sich in Leyendeckers Kompositionen eine Hinwendung zu klaren Strukturen und Formkonzepten. Dies manifestiert sich sowohl in seinen Orchesterwerken wie auch in der Kammermusik. „Waren es in den frühen kammermusikalischen Kompositionen Leyendeckers eher mikroskopische Tonstrukturen, aus denen heraus sich sein Klangkosmos in faszinierender Architektonik entfalten konnte, so zeigt sich im Bassklarinettenquintett eher eine Tendenz zur großen, mitunter geradezu süffig ausfallenden Geste. Diese entsteht freilich nie aus einem musikalischen Selbstzweck heraus, sondern findet ihren entscheidenden Impuls immer im bezwingenden Beziehungsreichtum der Leyendeckerschen Gedankenwelt.“ (Timo Jouko Herrmann) In einigen Kompositionen aus dem Spätwerk Leyendeckers fällt zudem die lustvolle Auseinandersetzung mit der Musik anderer Epochen auf, wie etwa in den Pensées sur un prélude für Orchester, das Claude Debussys Klavierstück Des pas sur la neige als kompositorischen Ausgangspunkt nimmt, oder im Orchesterstück Evocazione, das die Komtur-Szene aus Wolfgang Amadeus MozartsDon Giovanni eindrucksvoll heraufbeschwört. Der Doppelorchester-Technik der Mannheimer Schule erweist Leyendecker in seinem Mannheimer Konzert für zwei Kammerorchester die Reverenz.
Leyendecker starb im November 2018 im Alter von 72 Jahren an Herzversagen.[1][2]
Timo Jouko Herrmann: Die Gitarrenwerke von Ulrich Leyendecker. In: Gitarre aktuell – Heft 02/2010, 2010.
Timo Jouko Herrmann: Ulrich Leyendeckers Streichquartette und Baßklarinettenquintett. Booklet zur bei Cantate Musicaphon erschienenen CD.
Lutz Lesle: Ulrich Leyendecker – Biographie. In: Komponisten der Gegenwart (KDG), edition text + kritik im Richard Boorberg Verlag.
Hans Vogt: Laudatio für Ulrich Leyendecker: Zur Verleihung des Eduard-von-der-Heydt-Preises der Stadt Wuppertal, Internationale Musikverlage Hans Sikorski, Hamburg, 1987.