Nach dem Studium der Alten Geschichte und Orientalistik an den Universitäten Leipzig, Tübingen und Berlin wurde Wilcken 1885 mit einer Arbeit über das römische Ägypten auf der Grundlage Berliner Papyripromoviert. Seine wichtigsten akademischen Lehrer waren Eduard Meyer und sein Doktorvater Theodor Mommsen, der ihn auch weiterhin förderte und ihm zunächst eine Stelle zur Katalogisierung der Papyri der Königlichen Bibliothek in Berlin verschaffte. Wilcken unternahm diverse Studienreisen und habilitierte sich 1888 für Alte Geschichte.
Wilcken war der Pionier der griechisch-römischen Papyrologie in Deutschland. Mit Unterstützung Theodor Mommsens erstellte er umfangreiche Corpora der ptolemäischen Papyrusurkunden und der Ostraka und begründete 1901 die Fachzeitschrift Archiv für Papyrusforschung und verwandte Gebiete. In dieser erschien seither unter anderem sein unentbehrliches Urkundereferat, die Besprechung neu erschienener Editionen dokumentarischer Papyri, das bis heute fortgeführt wird. Seine gemeinsam mit Ludwig Mitteis verfasste papyrologische Einführung und Auswahlsammlung (Grundzüge und Chrestomathie der Papyruskunde) war im akademischen Unterricht lange Zeit grundlegend. Zusammen mit dem Rechtshistoriker Otto Gradenwitz rief er gegen erhebliche Widerstände die Grundlagenprojekte der Papyrologie ins Leben, Berichtigungsliste der griechischen Papyrusurkunden aus Ägypten, Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden aus Ägypten und Sammelbuch der griechischen Papyrusurkunden aus Ägypten.[5] Im Auftrag der Preußischen Akademie der Wissenschaften leitete er die althistorischen Grundlagenprojekte Corpus Inscriptionum Latinarum, Prosopographia Imperii Romani und Inscriptiones Graecae. Neben streng fachwissenschaftlichen Werken im Bereich von Alter Geschichte und Papyrologie verfasste Wilcken auch Werke zur Vermittlung historischer Bildung an ein breiteres Publikum. So wurde seine 1924 in erster Auflage erschienene Griechische Geschichte im Rahmen der Altertumsgeschichte über Jahrzehnte hinweg bis in die Gegenwart immer wieder aufgelegt und galt mindestens bis in die 1970er Jahre (10. Auflage 1973) als Standardwerk. Seine ebenfalls nicht ausschließlich an Fachwissenschaftler gerichtete Monographie über Alexander den Großen beurteilte der Althistoriker Karl Christ noch 1999 als „wissenschaftlich fundierteste() Alexanderbiographie deutscher Sprache des 20. Jahrhunderts überhaupt“.[6]
Observationes ad historiam Aegypti provinciae Romanae depromptae e papyris Graecis Berolinensibus ineditis. Haack, Berlin 1885.
Griechische Ostraka aus Aegypten und Nubien. Ein Beitrag zur antiken Wirtschaftsgeschichte. 2 Bände. Giesecke & Devrient, Leipzig 1899. Nachdruck Hakkert, Amsterdam 1970.
Grundzüge und Chrestomathie der Papyruskunde. Band 1: Historischer Teil (in zwei Hälften). Leipzig 1912 (Band 2: Juristischer Teil von Ludwig Mitteis).
Griechische Geschichte im Rahmen der Altertumsgeschichte. Oldenbourg, München 1924; 9. Aufl. 1962 (durchgesehen von Günther Klaffenbach).
Urkunden der Ptolemäerzeit (ältere Funde). 2 Bände. de Gruyter, Berlin 1927, Nachdruck 1977, ISBN 3-11-005711-5.
Alexander der Große. Quelle & Meyer, Leipzig 1931.
Zur Entstehung des hellenistischen Königskults. In: Sitzungsberichte der Preußischen (Berliner) Akademie der Wissenschaften (SBB), Berlin 1938, S. 298 f.
Jakob Seibert: Ulrich Wilcken. Professor in München 1.10.1915 – 1.10.1917. In: Jakob Seibert (Hrsg.): 100 Jahre Alte Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München (1901–2001). Duncker & Humblot, Berlin 2002, ISBN 3-428-10875-2, S. 46–49.
Günter Poethke: Ulrich Wilcken (1862–1944). In: Mario Capasso (Hrsg.): Hermae. Scholars and Scholarship in Papyrology. Pisa 2007, S. 81–96 (mit Bild).
Thomas Kruse: Erkenntnis aus den kleinsten Einzelteilen. Der Althistoriker Ulrich Wilcken und die Papyrologie in Deutschland. In: Annette M. Baertschi, Colin G. King (Hrsg.): Die modernen Väter der Antike. Die Entwicklung der Altertumswissenschaften an Akademie und Universität im Berlin des 19. Jahrhunderts (= Transformationen der Antike. Band 3). de Gruyter, Berlin 2009, S. 503–528.
Gereon Becht-Jördens: „Aus Teilen nur erkennen wir.“ Zwei unbekannte Fragmente aus dem Leben des pater patriae papyrologorum; Ulrich Wilcken: Widmungsexemplare als Zeichen der Wertschätzung in dunkler Zeit für den Widerstandskämpfer Johannes Popitz und den belgischen Altertumswissenschaftler F. Jozef M. de Waele. In: Lajos Berkes, W. Graham Claytor, Maria Novak (Hrsg.): Papyrologische und althistorische Studien zum 65. Geburtstag von Andrea Jördens (= Philippika. Altertumswissenschaftliche Abhandlungen. Band 167). Harrassowitz, Wiesbaden 2023, ISBN 978-3-447-11991-7, S. 187–218.
↑Jakob Seibert: „Vom Seminar zum Seminar“. In: Derselbe (Hrsg.): 100 Jahre Alte Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München (1901–2001) (= Ludovico Maximilianea. Forschungen und Quellen. Band 19). Duncker & Humblot, Berlin 2002, ISBN 3-428-10875-2, S. 23–39, hier S. 24.
↑Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Band 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Band 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 259.
↑ Vgl. Andrea Jördens: Otto Gradenwitz und der Kampf für die Grundlagenprojekte. In: Mario Capasso et al. (Hrsg.): Proceedings of the 29th International Congressof Papyrology, Lecce 28 July – 3 August. Lecce 2022, S. 36–55.
↑Karl Christ: Hellas. Griechische Geschichte und deutsche Geschichtswissenschaft. Beck, München 1999, S. 176–184, hier S. 181–183.
Ordinarien für Alte Geschichte an der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität