1966 erhielt er einen Ruf an die neugegründete Ruhr-Universität Bochum, wo er Inhaber eines Lehrstuhls für Soziologie war. Teile der Studentenbewegung bezogen sich auf sein Werk, insbesondere auf die Analysen in Macht und Herrschaft in der Bundesrepublik (1969). Anders als Leo Kofler, sein Nachfolger auf dem Bochumer Lehrstuhl, verband Jaeggi seine Arbeit auf dem Gebiet der soziologischen Theorie mit Ansätzen empirischer Sozialforschung und veröffentlichte damals unter anderem bedeutende Arbeiten zur Politischen Soziologie. 1970/71 lehrte er als Gastprofessor an der New School for Social Research in New York, währenddessen wurde er von Judith Jánoska-Bendl in Bochum vertreten.[2] Von 1972 bis 1992 war Jaeggi Ordinarius am Institut für Soziologie der Freien Universität Berlin, wo er unter anderem die Dissertation von Rudi Dutschke betreute.[3] Zum Ende dieser Zeit teilte er diese Stelle mit Gabriele Althaus[4], um sich der Bildhauerei widmen zu können. Jaeggi unterhielt auch ein Atelier.[5]
Urs Jaeggi trat nicht nur als Verfasser zahlreicher soziologischer Arbeiten hervor, sondern auch ab den 1960er Jahren als Autor belletristischer Werke, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde. So gewann er 1981 mit Ruth, einem Auszug aus seinem Roman Grundrisse, den Ingeborg-Bachmann-Preis.[6] Sein Archiv befindet sich im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern. Ab 1985 war Jaeggi zudem als Maler, Bildhauer und auf dem Gebiet der Aktionskunst tätig. Seine letzte große Ausstellung fand im Sommer 2020 in Berlin statt.
Urs Jaeggi lebte in Berlin und Mexiko-Stadt. Er starb im Februar 2021 im Alter von 89 Jahren in Berlin.[5] Er wurde auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof beigesetzt. Sein Grab hat die Grabnummer F-011-020.
(mit Herbert Wiedemann) Der Angestellte im automatisierten Büro, Stuttgart 1963
(mit Robert Bosshard und Jürg Siegenthaler) Sport und Student, Bern [u. a.] 1963
Die Wohltaten des Mondes, München 1963
Die Komplicen, München 1964 (Neuauflage Freitag Verlag, Berlin 1982)
Berggemeinden im Wandel, Bern 1965
(mit Herbert Wiedemann) Der Angestellte in der Industriegesellschaft, Stuttgart [u. a.] 1966
Der Soziologe, Bern 1966
(mit Rudolf Steiner und Willy Wyniger) Der Vietnamkrieg und die Presse, Zürich 1966
Ein Mann geht vorbei, Zürich [u. a.] 1968
Ordnung und Chaos, Frankfurt am Main 1968
Macht und Herrschaft in der Bundesrepublik, Frankfurt am Main [u. a.] 1969. Neue Ausgabe: Kapital und Arbeit in der Bundesrepublik (1973). Fischer Taschenbuch 6510, ISBN 3-43601685-3
Arbeiterklasse und Literatur, Frankfurt am Main 1972 (zusammen mit Peter Kühne)
Für und wider die revolutionäre Ungeduld, Zürich [u. a.] 1972
Literatur und Politik, Frankfurt am Main 1972
Geschichten über uns, Frankfurt am Main 1973
(mit Sven Papcke) Revolution und Theorie, Frankfurt am Main
Bd. 1: Materialien zum bürgerlichen Revolutionsverständnis, 1974
Theoretische Praxis, Frankfurt am Main 1976
Brandeis, Darmstadt [u. a.] 1978 (Roman)
Gesellschaft und Bewußtsein, Hagen 1980
Grundrisse, Darmstadt [u. a.] 1981
Was auf den Tisch kommt, wird gegessen, Darmstadt [u. a.] 1981
(mit Manfred Fassler) Kopf und Hand, Frankfurt am Main [u. a.] 1982
Versuch über den Verrat, Darmstadt [u. a.] 1984
Fazil und Johanna, Frankfurt am Main 1985
(mit Schang Hutter) Heicho, Edition Mariannenpresse, Berlin-Kreuzberg 1985. ISBN 3-922510-32-9.
Durcheinandergesellschaft, Frauenfeld Stuttgart Wien 2008
Wie wir. Roman. Huber [etc.], Frauenfeld 2009
Follisophie. Gedichte und Prosa. Klever Verlag, Wien 2013
Kunst ist überall. Aufsatzsammlung. Ritter, Klagenfurt 2014
Heimspiele. Prosa. Ritter, Klagenfurt 2015
Ein Vogel auf der Zunge. Lyrik und Prosa. Klever, Wien 2019
Lange Jahre Stille als Geräusch. Wewerka Edition, Berlin [2000?], auch erschienen als Hörspiel auf DVD-ROM, DLR, [Berlin] 2005, Regie: Stefanie Hoster; Komposition: Sabine Ercklentz
Theophil Gerber: Persönlichkeiten aus Land- und Forstwirtschaft, Gartenbau und Veterinärmedizin. Biographisches Lexikon. 4., erweiterte Auflage, Verlag NoRa, Berlin 2014, S. 335.