Ursula Günther, geborene Röße (* 15. Juni 1927 in Hamburg; † 21. November 2006 ebenda) war eine deutsche Musikwissenschaftlerin.
Nach dem Klavierstudium bei Detlef Kraus und H. E. Riebensahm und dem Studium der Musiktheorie bei H. Stahmer schloss sie 1947 in Hamburg das Musiklehrer-Studium ab. Seit 1947, offiziell seit 1948 studierte sie Musikwissenschaft bei Heinrich Husmann an der Universität Hamburg mit vielen Nebenfächern wie Kunstgeschichte, Germanistik und Romanische Literaturwissenschaft, Philosophie und schließlich Psychologie und Phonetik. 1957 wurde sie in Hamburg von Husmann, unterstützt auch durch Heinrich Besseler, der auch das Korreferat verfasste, mit einer Arbeit zum Stilwandel des Französischen Liedes in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die auf dem Nachlass Friedrich Ludwigs aufbaute, promoviert. Nach einer langen Zeit der Forschung, bei der sie moralisch durch Gilbert Reaney und Armen Carapetyan und finanziell durch ihren Ehemann und nur einmal 1962 durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt wurde, nahm sie 1968 eine Stelle als Lehrerin in Ahrensburg an, weil sie ihre Habilitation fertigstellen wollte, die durch einige deutsche Professoren abgelehnt worden war. Ermutigt durch französische Kollegen und Oliver Strunk, schloss sie sich 1969 dem Centre National de la Recherche Scientifique in Paris als Attaché de recherche an, schließlich (bis 1975) als Chargé de recherche mit Jacques Chailley, unterstützt von Nanie Bridgeman, wobei sie auch von 1969 bis 1971 als Lektor an der Sorbonne unterrichtete, um ihr „Doctorat d’état“ über Verdis französische Jahre vorzubereiten. Nachdem sie sich 1972 in Göttingen mit einer Edition von Motetten des 14. Jahrhunderts (1965 von A. Carapetayan in CMM 39 publiziert) habilitiert hatte, unterrichtete sie nur ein Semester als Privatdozentin in Göttingen, um ihre Arbeit als „Chargé de recherche“ in Paris wieder aufzunehmen. Im Sommer 1973 war sie Visiting Professor an der New York University und wurde von zahlreichen amerikanischen Universitäten zu Vorträgen eingeladen: Princeton, Harvard, Brandeis, Philadelphia, Maryland, Bloomington, UC Davis und Los Angeles. Dann wurde sie als „Chargé de cours“ an die Freie Universität Brüssel verpflichtet, um „Histoire de la notation musicale et transcription“ zu lehren. 1973 lehnte sie ein Angebot der Brandeis University ab und nahm 1975 eine Stelle als Dozentin an der Universität Göttingen an, wurde 1977 zur Professorin ernannt und gab schließlich ihren Posten am CNRS auf, während sie weiter in Brüssel unterrichtete. Das neue Universitäts-Gesetz des Landes Niedersachsen ermöglichte es ihr, für einige Zeit Direktor des Musikwissenschaftlichen Seminars in Göttingen zu sein. 1977 hielt sie Sommerkurse zur Verdi-Forschung an der Northwestern University at Evenston IL. 1992 trat sie in den Ruhestand und lebte seitdem in Ahrensburg bei Hamburg und auf Zypern.
1982 wurde sie von Frankreich als „Chevalier des Palmes académiques“ geehrt, und seit 1992 ist sie Honorarprofessorin der Université Libre de Bruxelles. Im Jahr 1994 wurde sie zum Corresponding Member der American Musicological Society gewählt. Seit 1976 war sie Mitglied des Herausgebergremiums der neuen kritischen Ausgabe von Verdis Opern und im Aufsichtsrat des American Verdi Institute, seit 1982 ist sie Mitherausgeberin des Journal of Musicology and seit 1989 von Musica Disciplina. Seit 1994 war sie General Editor der Musicological Studies and Documents. Sie hat zahlreiche Artikel über Komponisten, Quellen, datierbare Kompositionen, die Notation und den Stil der Zeit, die von ihr „Ars subtilior“ genannt wurde, sowie über Verdis Opern veröffentlicht. Ihr Klavierauszug von Don Carlos, erst 1980 veröffentlicht, wurde schon seit 1974 von Claudio Abbado und anderen Dirigenten genutzt.
Sie wurde bekannt als Namensgeberin der musikgeschichtlichen Epoche der Ars subtilior, welche zeitlich ins späte 14. Jahrhundert einzuordnen ist. Sie vermied mit diesem Begriff, der nicht in der Zeit selbst entstanden war, den bis in die 1960er Jahre üblichen Begriff „manierierter Stil“ für diese Spätzeit der Ars nova mit dessen negativen Konnotationen und machte auf die subtilen, besonders im Rhythmischen sehr feinen Verfahrensweisen dieser Zeit aufmerksam. Ursula Günther sah, dass der Einfluss der Ars subtilior europaweit gewesen sein muss, da die Komponisten der folgenden Epoche auf den Neuerungen der Ars subtilior im tonalen und rhythmischen Bereich aufbauten. Sie übertrug die Handschriften zu dieser Musik erstmals in die moderne Notation und gab die wichtigste Quelle, den Codex Chantilly heraus. Sie befasste sich mehrfach mit dem Stilwandel von der Ars nova zur Ars subtilior.
Ein weiteres Forschungsfeld war das Werk Giuseppe Verdis: Sie veröffentlichte dessen Oper Don Carlos in einer Ausgabe mit der fünfaktigen französischen Originalversion und auch mit der vieraktigen italienischen Fassung. Dazu stellte sie die Veröffentlichung der Skizzen.
Zum 14. Jahrhundert
Zu Giuseppe Verdi
Zu Friedrich Ludwig
Personendaten | |
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NAME | Günther, Ursula |
ALTERNATIVNAMEN | Röße, Ursula (Geburtsname) |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Musikwissenschaftlerin |
GEBURTSDATUM | 15. Juni 1927 |
GEBURTSORT | Hamburg |
STERBEDATUM | 21. November 2006 |
STERBEORT | Hamburg |