Varnsdorf | ||||
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Basisdaten | ||||
Staat: | Tschechien | |||
Region: | Ústecký kraj | |||
Bezirk: | Děčín | |||
Fläche: | 2616,9134[1] ha | |||
Geographische Lage: | 50° 55′ N, 14° 37′ O | |||
Höhe: | 332 m n.m. | |||
Einwohner: | 14.837 (1. Jan. 2023)[2] | |||
Postleitzahl: | 407 47 | |||
Kfz-Kennzeichen: | U | |||
Verkehr | ||||
Bahnanschluss: | Mittelherwigsdorf–Eibau Rybniště–Varnsdorf | |||
Struktur | ||||
Status: | Stadt | |||
Ortsteile: | 3 | |||
Verwaltung | ||||
Bürgermeister: | Jan Šimek (Stand: 2022) | |||
Adresse: | nám. E. Beneše 470 407 47 Varnsdorf | |||
Gemeindenummer: | 562882 | |||
Website: | www.varnsdorf.cz | |||
Lage von Varnsdorf im Bezirk Děčín | ||||
Varnsdorf (deutsch Warnsdorf, obersorbisch Warnoćicy) ist eine Stadt im Norden Tschechiens im Bezirk Děčín, Ústecký kraj.
Die Stadt liegt in 350 m üM im Böhmischen Niederland an der Mandau zwischen Seifhennersdorf und Großschönau. Sie kann außerdem dem Schluckenauer Zipfel zugeordnet werden. Nördlich erhebt sich der Spitzberg (539 m) mit lohnender Aussicht. Varnsdorf grenzt im Norden, Osten und Südosten an Sachsen.
Die Stadt Varnsdorf besteht aus den Ortsteilen Studánka (Schönborn), Světliny 1.díl (Lichtenhain – Schönborner Anteil) und Varnsdorf (Warnsdorf).[3] Grundsiedlungseinheiten sind Gerhus, Hraniční Buk (Bei der Grenzbuche), Pěnkavčí vrch (Finkendorf), Pod Hrádkem, Pod nádražím, Pod Špičákem, Střed I, Střed II, Střed III, Studánka, Světliny, Špičák, U cihelny, U divadla, U hranic, U hřbitova, U kostela bez věže, U koupaliště, U lomu, U Mandavy, U Mělníka, U nemocnice, U Podluží (Schneckendorf), U polikliniky, U skály und Varnsdorf-u kostela.[4]
Das Stadtgebiet gliedert sich in die Katastralbezirke Studánka u Rumburku und Varnsdorf.[5]
Rumburk (Rumburg) | Seifhennersdorf | Leutersdorf |
Krásná Lípa (Schönlinde) | Hainewalde, Großschönau | |
Rybniště (Teichstatt) | Horní Podluží (Obergrund), Dolní Podluží (Niedergrund) |
Das Dorf Warnsdorf wird 1352 erstmals erwähnt. Der Historiker Bohuslav Balbín nannte den Ort Wernardivilla. Das ursprünglich hier ansässige Rittergeschlecht waren die von Warnsdorf. Unter den einheimischen Familien, die hier im 16. und 17. Jahrhundert siedelten, waren auch die Nostitz. Im Laufe der Gegenreformation verließen viele Bewohner ihre Gehöfte und Grundstücke und wanderten nach Sachsen aus.[6] Während des Dreißigjährigen Kriegs wurde Warnsdorf in der Osterwoche 1643 von schwedischen Truppen geplündert.[7] Ab 1871 war Warnsdorf ein politisches Zentrum der altkatholischen Reformbewegung gegen den Ultramontanismus, deren Organ, die Wochenzeitschrift ‚Abwehr‘,[8] hier bis 1938 erschien.
Im 18. Jahrhundert entwickelte sich in Warnsdorf, wie auch in der benachbarten Oberlausitz, die Weberei. Es entstanden weitere Orte in der Umgebung:
Im Jahre 1849 vereinigten sich diese Dörfer mit Alt Warnsdorf zu dem mit 13.000 Einwohnern größten Dorf des Kaiserthums Oesterreich. Im gleichen Jahr endete die Patrimonialgerichtsbarkeit in Warnsdorf, die zuvor etwa 200 Jahre lang über sieben Generationen von der Familie Goldberg ausgeführt wurde.[9] In den nachfolgenden Jahren bekleideten Mitglieder der Familie Goldberg von 1872 bis 1897 und 1905 bis 1914 das Amt des Bürgermeisters.[10][11] Dadurch prägten sie die Stadtgeschichte Warnsdorfs nachhaltig. Die Familie ist heute in einem Familienverband organisiert und pflegt eine genealogische Datenbank zu Warnsdorf.[12] Warnsdorf lag im Gerichtsbezirk Warnsdorf und war ab 1850 Sitz eines Bezirksgerichts sowie ab 1908 der Bezirkshauptmannschaft.
Bereits 1839 hatte der Fabrikant Anton Runge († 31. Dezember 1843), Inhaber der Leinen-, Baumwoll- und Druckwaren-Fabrik Anton Runge & Co., den Bau einer Gewerbe- und Handelsschule angeregt und hierfür einen Teil der Baukosten gestiftet; das neue Schulgebäude wurde 1844 eingeweiht und der Unterricht 1845 aufgenommen.[13]
1868 erhielt Warnsdorf, das nun auf 15.000 Einwohner angewachsen war und auch als Klein Manchester bezeichnet wurde, das Stadtrecht. Um 1900 war Warnsdorf ein bedeutender Standort der Textilindustrie (beispielsweise für die Herstellung von Gewirken und Velveton).[14] 1914 lebten in Warnsdorf etwa 30.000 Einwohner. Bekanntestes Unternehmen waren die Kunert-Strumpfwerke.
Gemäß dem Toleranzpatent des österreichischen Kaisers Joseph II. aus dem Jahr 1781 wurde Warnsdorf neben Reichenberg Zentrum der Altkatholischen Kirche in Böhmen. Heute befindet sich hier die Konkathedrale der tschechischen Altkatholischen Kirche.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Österreich-Ungarn der Vertrag von Saint-Germain diktiert. Das Selbstbestimmungsrecht der deutschsprachigen Bevölkerung im Sudetenland (Deutschböhmen und Deutschmährer), die im Oktober 1918 die eigenständigen Provinzen Deutschböhmen und Sudetenland gegründet hatten, blieb unberücksichtigt, und die Stadt wurde der neu gegründeten Tschechoslowakei zugeschlagen.
In der nachfolgenden Inflation der Geldwährung im benachbarten Deutschen Reich (1923) und durch die Weltwirtschaftskrise der Jahre 1929 bis 1932 kam es in Warnsdorf zu hoher Arbeitslosigkeit und Armut. Der Schmuggel über die nahe Grenze nach Sachsen wurde für viele Einwohner zur Existenzgrundlage. Laut Volkszählung 1930 hatte die Stadt 22.621 Einwohner (davon 19.963 Deutsche = 88 %, 1.617 Tschechen = 7 %, 988 Ausländer = 4 % und 53 andere).[15]
Nach dem Münchner Abkommen gehörte Warnsdorf von 1938 bis 1945 zum Landkreis Warnsdorf, Regierungsbezirk Aussig, im Reichsgau Sudetenland des Deutschen Reiches.
In Warnsdorf fand vor dem Zweiten Weltkrieg die Sudetendeutsche Partei Konrad Henleins viel Zuspruch. Als Henlein 1938 in Warnsdorf sprach, kamen 12.000 Zuhörer, und es wurde das Standrecht ausgerufen. 1939 lebten in der Stadt 21.000 Einwohner.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Mehrheit der deutschsprachigen Bevölkerung von Warnsdorf vertrieben, ihr Vermögen unter Berufung auf das Beneš-Dekret 108 konfisziert, das Vermögen der evangelischen Kirche liquidiert und die katholischen Stadtkirchen wurden nach dem Februarumsturz 1948 enteignet.
Zwischen 1946 und 1949 war in Varnsdorf die erste Sorbische Oberschule untergebracht. Nach der Machtergreifung der Kommunistischen Partei 1948 in der Tschechoslowakei wurde diese in Übereinkunft mit den Behörden der SBZ geschlossen und die Schüler fortan in Bautzen unterrichtet. Einige Dutzend Sorben blieben jedoch in Varnsdorf und kehrten nicht in die Lausitz zurück. Am 22. Mai 1947 wurden in der Stadt 15.661 Bewohner gezählt.
Studánka und Světliny 1.díl (Lichtenhain) wurden 1980 eingemeindet.
Heute lebt in Varnsdorf eine große Bevölkerungsgruppe der Roma, deren Anteil im Vergleich zur übrigen Bevölkerung wächst.
Bis 1945 war Warnsdorf überwiegend von Deutschböhmen besiedelt, die vertrieben wurden.
Bevölkerungsentwicklung bis 1945
Jahr | Einwohner | Anmerkungen |
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1820 | 2.546 | in 385 Häusern[16][17] |
1830 | 3.328 | in 427 Häusern[18][19] |
1843 | 4.137 | in 463 Häusern[17] |
1850 | 9.670 | |
1857 | 11.977 | am 31. Oktober[20] |
1869 | 13.180 | |
1880 | 15.162 | |
1890 | 18.268 | |
1900 | 21.150 | deutsche Einwohner[14] |
1930 | 22.621 | davon 19.953 Deutsche und 1.617 Tschechen[21] |
1939 | 21.179 | davon 1.593 Evangelische, 14.644 Katholiken, 3.862 sonstige Christen und elf Juden[21] |
Bevölkerungsentwicklung nach Ende des Zweiten Weltkriegs[22]
(Stand: 31.12. des jeweiligen Jahres)
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Varnsdorf besitzt eine Reihe von Kulturdenkmälern. In der 1774 am Markt neu errichteten katholischen Kirche St. Peter und Paul erfolgte am 29. Juni 1830 die erste vollständige Aufführung von Ludwig van Beethovens Missa solemnis. 1872 wurde hier die erste altkatholische Gemeinde Österreich-Ungarns gegründet.
Ein Kuriosum stellt die Borromäuskirche aus dem Jahre 1911 dar. Sie ist besser bekannt als die Kirche ohne Turm, da der Turmbau wegen Geldmangels abgebrochen werden musste.
Auf dem 429 m hohen Burgberg (Hrádek) an der Landesgrenze bei Seifhennersdorf errichtete der Architekt Möller 1904 im Auftrag und auf Kosten des Gebirgsvereins für das nördliche Böhmen die Burgbergwarte, ein luxuriöses Ausflugsrestaurant. Dieses markante Objekt auf dem Hausberg von Varnsdorf und Seifhennersdorf verfiel nach 1945 immer mehr. In den letzten Jahren erfolgte durch einen grenzüberschreitenden Förderverein eine Sanierung des zur Ruine verkommenen Bauwerkes, das bereits zu einem großen Teil wiederhergestellt werden konnte.
Bis 1945 existierten zahlreiche Firmen der Textilindustrie:[24]
sowie Maschinenfabriken u. a.
Die Stadt liegt an der Eisenbahnstrecke Zittau–Großschönau–Seifhennersdorf–Eibau und besitzt zwei Grenzübergänge in die sächsische Landstadt Seifhennersdorf (Zollstraße) und die Gemeinde Großschönau (Hauptstraße) sowie einen weiteren touristischen Übergang nach Seifhennersdorf (Warnsdorfer Straße).
Der Bahnhof Varnsdorf liegt an der Strecke aus Rybniště und der Bahnstrecke Mittelherwigsdorf–Varnsdorf–Eibau. Es existieren an letztgenannter Verbindung außerdem die Haltepunkte Varnsdorf staré nádraží und Varnsdorf pivovar Kocour.