Klassifikation nach ICD-10 | |
---|---|
I47.2 | Ventrikuläre Tachykardie |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Die ventrikuläre Tachykardie (VT, Kammertachykardie; englisch ventricular tachycardia) ist eine tachykarde Herzrhythmusstörung, die als Reizbildungsstörung von den Herzkammern ausgeht. Sie kommt sowohl bei Gesunden vor,[1] kann aber auch Anzeichen einer behandlungsbedürftigen Herzerkrankung sein.
Nach der Gestalt des Kammerkomplexes im EKG unterscheidet man:
Nach der Dauer[2] einer ventrikulären Tachykardie unterscheidet man:
Weiterhin muss das Kammerflimmern und die pulslose ventrikuläre Tachykardie (pVT) abgegrenzt werden. Sowohl Patienten mit Kammerflimmern, als auch mit pVT haben einen Kreislaufstillstand und sind damit reanimationspflichtig. In diesem Rahmen kann eine schnelle Defibrillation lebensrettend sein.
Die Morphologie einer ventrikulären Tachykardie ist abhängig von der zugrundeliegenden Ursache.
Bei monomorphen VTs erscheinen alle Kammerkomplexe gleich, da die Erregung entweder von einem einzelnen Gebiet mit gesteigerter Erregungsfähigkeit (Automatie) aus der linken oder rechten Herzkammer stammt oder durch einen Reentry-Mechanismus (kreisende Erregung) innerhalb der Herzkammer erzeugt wird.
Polymorphe VTs, auf der anderen Seite, werden am häufigsten durch eine Störung der Kammermuskel-Repolarisation verursacht. Dies zeigt sich in der Regel im EKG in der Verlängerung der QT-Zeit. Eine Verlängerung der QT-Zeit ist entweder angeboren oder erworben (siehe dazu auch die Tabelle der Ursachen für einer ventrikulären Tachykardie). Die bekannteste Form stellt die Torsade-de-pointes-Tachykardie (Spitzenumkehrtachykardie) dar.
monomorphe VT | polymorphe VT | |
erworben |
|
|
kongenital |
|
|
Je nach Schwere und Dauer einer VT variieren die Symptome von Herzrasen, über Luftnot, Herzschmerzen (Angina Pectoris), bis zum Lungenödem oder kardiogenem Schock.
Im EKG ist die VT normalerweise regelmäßig (konstante Zykluslänge, Herzfrequenz 100–200 Schläge/min.) mit schenkelblockartig deformierten, breiten Kammerkomplexen (QRS ≥ 120 Millisekunden, „Haarnadelform“).
Beweisend für eine VT:
Die Unterscheidung von einer aus den Vorhöfen stammenden Tachykardie (Supraventrikuläre Tachykardie, SVT) ist teilweise schwierig. Die SVT weist typischerweise einen schmalen Kammerkomplex auf, kann aber bei so genannter aberranter Leitung auch einen breiten Komplex haben. Während eine SVT durch Vagusstimulus terminiert werden kann, gilt dies nicht für die VT!
Nicht-anhaltende ventrikuläre Tachykardien beim Herzgesunden bedürfen keiner Therapie. Eine lebensverkürzende Wirkung wurde bis jetzt nur bei bestimmten Herzerkrankungen und eingeschränkter Herzfunktion beobachtet.
Alle anhaltenden ventrikulären Tachykardien sind ein internistischer Notfall. Bis zum Beweis des Gegenteils sollte jede Tachykardie mit breitem QRS-Komplex wie eine Kammertachykardie behandelt werden. In der Akuttherapie sollten als erstes eine eventuelle Digitalistherapie und die Serumelektrolyte (Kaliumspiegel) überprüft werden. Eine ausreichende Sauerstoffgabe per Nasensonde ist ebenso sinnvoll. Das Mittel der Wahl ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die sofortige elektrische Kardioversion mittels Defibrillator.
Mittel der 1. Wahl
Indikation für eine Elektrokardioversion stellen ein drohender kardiogener Schock, drohendes Lungenödem, Versagen der medikamentösen Therapie dar. Die Elektrokardioversion wird in Kurznarkose durchgeführt und sollte mit einer initialen Energiedosis von
erfolgen. Zur Sicherung des Therapieerfolges empfiehlt sich anschließend die Gabe von Amiodaron.
Um einen ausreichenden Therapieerfolg zu gewährleisten, ist es wichtig, die zu Grunde liegende Ursache zu behandeln (z. B. interventionelle Wiedereröffnung eines Herzkranzgefäßes bei Herzinfarkt). Defibrillatoren können, bei häufigem Auftreten von tachykarden Episoden, dem Patienten implantiert werden. Ein solches System nennt sich ICD. Der ICD erkennt eine ventrikuläre Tachykardie und kann diese durch anti-tachykardes Pacing (ATP) oder durch Schockabgabe terminieren. Bei einem Zustand nach Herzinfarkt oder bei Patienten mit Herzinsuffizienz können Beta-Blocker das Neuauftreten eines plötzlichen Herztodes vermindern. Wenn es sehr häufig zu einer ventrikulären Tachykardie kommt, kann durch Katheterablation versucht werden, die Interventionsrate des ICD zu vermindern.