Vincenzo Galilei

Della musica antica et della moderna, 1581

Vincenzo Galilei, auch Vincenzio Galilei, (* um 1520 in Santa Maria a Monte; † 2. Juli 1591 in Florenz) war ein italienischer Lautenist, Musiktheoretiker und Komponist. Er ist der Vater des großen Naturwissenschaftlers Galileo Galilei sowie des Komponisten Michelangelo Galilei.

Vincenzo Galilei stammte aus einer noblen Familie, was allerdings keinen Wohlstand einschloss, sondern nur das Recht Ämter in Florenz zu bekleiden. Er war Schüler der Musiktheoretiker Gioseffo Zarlino (in den 1560er Jahren in Venedig) und Girolamo Mei. Um 1560 zog er nach Pisa und heiratete 1562 Giulia Ammannati (gestorben 1620) aus einer angesehenen Familie von Tuchhändlern aus Pisa, die zeitlebens auch unter ihren Söhnen als streitsüchtig und von schwierigem Charakter bekannt war. Auch Vincenzo Galilei arbeitete in Pisa zeitweise im Tuchhandel. Aus der Ehe gingen sechs oder sieben Kinder hervor, darunter Galileo 1564 als ältester Sohn und der Lautenist und Komponist Michelangelo 1575 und drei Mädchen Virginia, Livia, Elena. Er wirkte in Pisa, das zum Herzogtum der Toskana gehörte, und Florenz als Lautenlehrer, Lautenist, Komponist und Sänger und hatte bedeutende Gönner, insbesondere Giovanni de’ Bardi in Florenz, der auch seinen Aufenthalt in Venedig bei Zarlino finanzierte. Er war auch einige Zeit in Rom, um Madrigale zu sammeln. Er war so besessen von der Laute, dass er sie bei jeder Gelegenheit spielte, durch die Stadt wandernd, zu Pferd, am Fenster oder zu Bett, wie es in seiner Sammlung von Lautenkompositionen hieß (Fronimo, 1568, 2. erw. Ausgaube, 1584).[1] Anfang der 1570er Jahre konnte er endgültig in die Hauptstadt der Toskana nach Florenz übersiedeln und sich ganz der Musik widmen. In Florenz war er Mitglied der Florentiner Camerata des Giovanni de’ Bardi, einer Gruppe, die sich die Wiederbelebung antiker Vorbilder zum Ziel gesetzt hatte. Dort galt er auch als Theoretiker der Gruppe.

1578/79 war er in München am Hof von Albrecht V. Sein Sohn Michelangelo war dort Hofmusiker.

In seinem de’ Bardi gewidmeten Werk Dialogo della musica antica e della moderna von 1581 zeigte er sich als erster Vertreter einer Aristoxenos-Renaissance, da er die Auffassung vertrat, die Laute müsse gleichstufig temperiert gestimmt werden; er gab die Saiten-Proportion 18:17 als sehr gute Näherung des gleichstufig temperierten Halbtons an. In der gleichen Schrift setzte er sich auch für eine Wiederbelebung der antiken Monodie (Einstimmigkeit) ein und wandte sich gegen die herkömmliche Polyphonie. Dies tat er aber in modifizierter Weise, dergestalt, dass er den Sologesang mit Instrumentalbegleitung propagierte. Seine Schrift wurde wegweisend für die Entwicklung des Rezitativs. Er selbst komponierte die ersten monodischen Werke mit Lautenbegleitung, die aber nicht erhalten sind. Erhalten sind von ihm aber einige mehrstimmige Madrigale und Lautenstücke.

In seiner Streitschrift Discorso intorno all’opere di messer Gioseffo Zarlino („Abhandlung über die Werke des Herrn Gioseffo Zarlino“) widerlegte er 1589 unter anderem die Annahme seines Lehrers Zarlino, dass dessen Überlieferung der Legende von Pythagoras in der Schmiede physikalisch korrekt sei, da die Tonhöhe einer Saite offensichtlich nicht proportional zur Zugspannung ist. Galilei widerlegte die damals gängige Auffassung, dass das Verhältnis der Saitenspannung von Saiten, die in der Stimmung eine Oktave auseinander liegen, wie bei der Länge 2:1 war. Durch Anhängen von Gewichten zeigte er vielmehr, dass sie 4:1 war (siehe dazu Saitenschwingung).[2] Viele der experimentellen Untersuchungen veröffentlichte Vincenzo Galilei nicht, sie fanden sich aber später im Nachlass seines Sohnes Galileo Galilei. Die quantitative Beschreibung der physikalischen Verhältnisse an schwingenden Saiten wurde dann im 17. Jahrhundert genauer von Galileo Galilei und Marin Mersenne (der als einer der frühen Anhänger der Methoden Galileis in Frankreich war) untersucht. Die durch seinen Vater geknüpfte Verbindung von Theorie und Experiment auf dem Gebiet der Musik war von Einfluss auf die Entwicklung Galileis als Physiker, es ist auch vermutet worden (Stillman Drake), dass der junge Galilei seinen Vater bei den Experimenten unterstützte, als er Ende der 1580er Jahre noch bei seiner Familie wohnte. Drake vermutet auch, dass in diesen Experimenten seines Vaters (oder mit seinem Vater) der Ursprung der experimentellen Methode bei Galilei lag, zum Beispiel führt er auch das frühe Interesse von Galileo für die Pendeluhr darauf zurück.[3] Galileo Galilei erhielt vom Vater eine musikalische Ausbildung und spielte Laute.

Veröffentlichungen, Textausgaben und Übersetzungen

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Seine unveröffentlichten Manuskripte sind in der Nationalbibliothek Florenz (MSS Galileiani).

  • Victor Coelho (Hrsg.): Music and Science in the Age of Galileo. Kluwer, Dordrecht 1992, ISBN 0-7923-2028-X.
  • Stillman Drake: Renaissance Music and Experimental Science. In: Journal of the History of Ideas. Bd. 31 (1970), S. 483–500.
  • Stillman Drake: Vincenzo Galilei and Galileo. In: Galileo Studies (1970), S. 43–62.
  • Stillman Drake: Galilei, Vincenzio, in Dictionary of Scientific Biography, Band 5, S. 249–250
  • Raoul Meloncelli: Galilei, Vincenzio. In: Fiorella Bartoccini (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 51: Gabbiani–Gamba. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 1998, S. 486–489.
  • Claude V. Palisca: V. Galilei, in: F. Blume (Hrsg.), Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Band 4, Kassel, Basel 1955, Spalte 1903 bis 1905 (mit Bibliographie bis 1950).
  • Claude V. Palisca: Vincenzo Galilei’s Counterpoint treatise: a code for the seconda pratica, Journal of the American Musicological Society, Band 9, 1956, S. 81–96.
  • Claude V. Palisca: Scientific empiricism in musical thought, in: H. H. Rhys (Hrsg.), Seventeenth century science and the arts, Princeton 1961, S. 91–137.
  • Claude V. Palisca: Vincenzo Galilei. In: The New Grove Dictionary of Music and Musicians, Band VII, S. 96 (mit Liste von Veröffentlichungen).
  • Claude V. Palisca: Vincenzo Galilei’s arrangements for voice and lute. In: G. Reese, R. J. Snow (Hrsg.): Essays in Musicology in Honor of Dragan Plamenac, Pittsburgh 1969, S. 207–232.
  • Claude V. Palisca: Humanism in Renaissance Musical Thought, New Haven/London 1985 (mit Übersetzungen unter anderem aus dem Dialogo von Galilei).
  • Alois Schmid: Vincenzo Galilei und der Münchner Herzogshof. In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte. Bd. 85 (2022), Heft 2, S. 361–383
Commons: Vincenzo Galilei – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. John L. Heilbron: Galileo. Oxford University Press, Oxford 2010, ISBN 978-0-19-958352-2, S. 2 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Claude Palisca: Was Galilei’s father an experimental scientist ?, in Victor Coelho (Hrsg.), Music and science in the age of Galileo, Springer 1992, S. 143–152
  3. Stillman Drake: Renaissance Science and Music. In: J. of the history of ideas. Band 31, 1970, S. 499.
  4. Nicht unter seinen Schriften im Dict. Sci. Biogr. aufgeführt
  5. Vincenzo Galilei: Il Fronimo. Abgerufen am 29. Januar 2022.