Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche (lateinischer Titel: De captivitate Babylonica ecclesiae, praeludium) ist eine der reformatorischen Hauptschriften des Jahres 1520, in der Martin Luther erstmals die Siebenzahl der Sakramente öffentlich in Frage stellt.
In Erwiderung auf Luthers Sermon von dem hochwürdigen Sakrament (1519) hatte Augustin von Alveldt im Juni 1520 in Leipzig seine Schrift Tractatus de communione sub utraque specie quantum ad laicos veröffentlicht und darin die reformatorische Befürwortung des Laienkelchs angegriffen. Luther entschied sich, zunächst nichts darauf zu entgegnen. Erst als er Kenntnis von der Schrift Revocatio Martini Lutherii Augustiniani ad sanctam Sedem des italienischen Dominikaners Isidoro Isolani erhielt, die sich ebenfalls gegen Luthers Lehre richtete, entschied er sich zu einer Antwort. Mit Blick auf eine eher gelehrte Leserschaft verfasste er die Schrift auf Latein.
Luther stellt die Anzahl der sieben katholischen Sakramente in Frage. Seiner Meinung nach existieren nur drei Sakramente: Taufe, Buße und Abendmahl, obgleich er am Ende der Schrift einräumt, dass es durchaus auch nur zwei Sakramente geben könne, da es der Buße eines Zeichens ermangele, das zu einem Sakrament unbedingt dazugehöre.
Ähnlich streng geht Luther mit der Sakramentslehre ins Gericht und befasst sich dabei insbesondere mit der Messe. In ihr macht Luther drei „Gefangenschaften“ aus: erstens der Kelchentzug, bei dem Luther nach der Berechtigung der Kirche fragt, die Einsetzung Christi eigenmächtig zu ändern; zweitens die Transsubstantiationslehre, in der Luther einen verbotenerweise verbindlich gemachten Erklärungsversuch der Anwesenheit von Christi Leib und Blut ausgemacht hat; drittens der Missbrauch der Messe, der insbesondere im Opferverständnis zum Ausdruck komme. Sein eigenes Abendmahlsverständnis extrahiert Luther aus den Leitbegriffen des Testaments bzw. der Verheißung und des Glaubens. Dabei ordnet er die Verheißung dem Zeichen über, also das Wort Christi dem Sakrament (Wein und Brot), sodass der Mensch das Wort ohne das Zeichen haben könnte. Dabei darf diese Lehre nicht missverstanden werden: Luther will nicht den Empfang des Abendmahls in Frage stellen, sondern lediglich die zentrale Bedeutung von Verheißung und Glaube herausstellen.
Bei der Taufe hält Luther sich im Vergleich zum Abendmahl eher zurück, da er sie von der Kirche noch relativ unberührt vorfindet. Wieder stellt er die göttliche Verheißung und den Glauben in den Vordergrund und nicht die Verleihung eines neuen „habitus“.
Die Ehe sei kein Sakrament, weil Gott bereits lange vor der christlichen Ära Adam und Eva im Garten Eden verheiratete. Daher seien auch Ehen von Muslimen und Juden genauso gültig wie christliche Ehen.
Wie in den 95 Thesen sieht er die Buße auch hier als Rückkehr zur Taufe. Da die Taufe in ihrer tieferen Bedeutung vielmehr Tod und Auferstehung beinhalte, sei die Buße kein späterer Ersatz dafür. In diesem Zusammenhang verweist Luther auch auf die Tatsache, dass das Ablegen eines Mönchgelübdes die durch die Taufe gegebene Freiheit des Menschen einschränke.
Mit dieser Abhandlung vollzog Martin Luther auch in der Sakramentslehre den Bruch mit der Kirche seiner Zeit. Als Schrift der frühen Reformationszeit ist sie grundlegend für die evangelische Sakramentslehre.