Eine allgemeine Wahlpflicht verpflichtet die Wahlberechtigten zur Teilnahme an einer Wahl, beispielsweise zu einem Parlament oder zu einem Gremium an einer Universität. Bei Wahlen werden stets Wählerverzeichnisse geführt, um zu verhindern, dass Nicht-Wahlberechtigte abstimmen oder dass Wahlberechtigte mehrfach abstimmen; diese Listen können verwendet werden, um zu ermitteln, wer nicht an der Wahl teilgenommen hat.
Einige Länder schafften eine bestehende Wahlpflicht wieder ab, zum Beispiel die Niederlande (1970), Österreich (schrittweise zwischen 1982 und 2004) und Chile 2011. In folgenden Staaten gibt es dagegen bei Parlamentswahlen eine Wahlpflicht, die bei Verletzung Sanktionen nach sich zieht:
Land | Strafe für Nichtwählen |
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Ägypten | Geldstrafe, Gefängnisstrafe möglich |
Australien[1] | 20 AUD (entspricht ca. 12 €, Wechselkurs vom 8. November 2024) beim ersten Mal, bei wiederholtem Fernbleiben von der Wahl sind auch Gefängnisstrafen möglich |
Bolivien[2] | Geldstrafe von 150 Bolivianos, auch sofortiger Einzug der Personalausweise und Sperrung der Bankkonten sind möglich |
Brasilien[3] | Eine akzeptierte Begründung reicht aus, um ohne weitere Konsequenzen der Wahl fernzubleiben. Andernfalls ist eine geringe Geldstrafe zu entrichten, um seinen Wahlstatus wieder zu regularisieren. Wird der Wahlstatus nicht in Ordnung gebracht, können wichtige Dokumente nicht beantragt werden, was dazu führt, dass Arbeitssuche, Kontoeröffnung oder der Erhalt eines Reisepasses nicht möglich werden. Wer dreimal in Folge nicht gewählt hat, verliert die Wahlberechtigung (título eleitoral) bis zur Regularisierung.[4] |
Chile | Seit 2012 ausgesetzt, 2022 neu beschlossen. Geldstrafe und weitere Strafen möglich |
Ecuador | Geldstrafe |
Fidschi | Geldstrafe, Gefängnisstrafe möglich |
Indonesien[5] | verpflichtend für Muslime (Harām) |
Libanon | (nur für Männer verpflichtend) |
Libyen | (nur für Männer verpflichtend) |
Liechtenstein | Geldstrafe (nicht durchgesetzt) |
Nauru | Geldstrafe |
Nordkorea | [6] |
Peru[2] | Geldstrafe von umgerechnet ca. 40 € |
Schweiz → nur Kanton Schaffhausen[7][8] | Geldbuße von sechs Schweizer Franken bei Wahlen und Abstimmungen |
Türkei | Geldstrafe wurde aufgehoben |
Uruguay | Geldstrafe |
Eine formelle Wahlpflicht, deren Missachtung jedoch nicht geahndet wird, besteht zu den Parlamentswahlen in den folgenden Ländern:
Land | Anmerkungen |
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Argentinien | im Alter zwischen 18 und 70 Jahren besteht Wahlpflicht; bei Abwesenheit vom Wohnort weiter als 500 km besteht keine Wahlpflicht; Sanktionen für Nichtwähler werden selten ausgeübt. |
Belgien | Geldstrafe, die bei wiederholtem Fernbleiben der Wahl erhöht wird. In der Praxis werden seit 2003 keine Strafen mehr verhängt.[9] In seltenen Fällen ist auch eine Streichung aus der Wählerliste möglich.[10] |
Costa Rica | |
El Salvador | |
Guatemala | Militärangehörige dürfen nicht wählen. |
Griechenland[11] | Sanktionen bei Nichtwahl wurden 2001 abgeschafft, Wahlpflicht ist aber noch in der Verfassung verankert |
Honduras | |
Indien | |
Italien | Wahlpflicht laut Art. 48 der Verfassung der Italienischen Republik, die Nichtteilnahme hat (Stand 2008) faktisch keine Konsequenzen mehr.[12] |
Luxemburg | Geldstrafe (100–250 €), für Wiederholungstäter 500–1.000 €, ausgenommen sind Bürger über 75 Jahre. In der Praxis wurden seit 1964 keine Strafen mehr verhängt. |
Mexiko | |
Neuseeland | Die Eintragung in die Wählerlisten ist verpflichtend, die Wahl selbst nicht. |
Paraguay | Geldstrafe (verpflichtend für Staatsbürger zwischen 18. und 75. Lebensjahr, ab dem 75. Lebensjahr fakultativ) |
Singapur[13] | Nichtwähler werden aus den Wählerlisten entfernt und nur auf Antrag wieder hinzugefügt; können sie dabei für das Fernbleiben keinen „gültigen Grund“ wie Abwesenheit oder Krankheit angeben, wird eine Gebühr in Höhe von $50 erhoben; dies entspricht ca. 35 € (Wechselkurs vom 8. November 2024). |
Venezuela |
In Baden-Württemberg verpflichtet die Landesverfassung in Artikel 26 „jede[n] Deutsche[n], der im Lande wohnt oder sich sonst gewöhnlich aufhält und am Tage der Wahl oder Abstimmung das 18. Lebensjahr vollendet hat“ – vorbehaltlich einfachgesetzlicher Einschränkungen – zur Ausübung des Wahl- und Stimmrechts. Diese Bürgerpflicht wurde allerdings rein symbolisch auffordernd verstanden und nie ordnungsrechtlich verfolgt.[14][15]
In Österreich gab es zwischen 1929 und 1982 eine Wahlpflicht bei der Bundespräsidentenwahl (vgl. Art. 60/1[16] B-VG). Seither besteht sie nur in denjenigen Bundesländern, in denen ein Landesgesetz eine Wahlpflicht festlegt. In Kärnten und der Steiermark wurden diese Gesetze 1993 aufgehoben. Der Vorarlberger Landtag hat in seiner Sitzung vom 28. Jänner 2004 die Wahlpflicht bei Bundespräsidentenwahlen und bei Landtagswahlen aufgehoben. In Oberösterreich galt dieses Gesetz bis 1982. Der Tiroler Landtag folgte im Juni 2004 der Entscheidung des Vorarlberger Landtages. Mit der zum 1. Juli 2007 wirksam gewordenen Wahlrechtsreform wurde diese Verfassungsbestimmung gestrichen und damit die Wahlpflicht bei der Wahl zum Bundespräsidenten abgeschafft. Aktuell (2017) besteht keine Wahlpflicht bei österreichischen Landtagswahlen.[17]
Von 1949 bis 1992 bestand Wahlpflicht auch bei den Nationalratswahlen (Art. 26/1 B-VG) in denjenigen Bundesländern, die dies durch Landesgesetze eingeführt hatten. In der Steiermark, Tirol und Vorarlberg wurden entsprechende Landesgesetze erlassen. 1986 verordnete diese auch Kärnten. Im Jahr 1992 wurde diese Verfassungsbestimmung aufgehoben und damit die Wahlpflicht bei Nationalratswahlen abgeschafft.
Historisch basiert die Wahlpflicht auf der Angst der Christlichsozialen Partei (CSP) vor dem 1918 eingeführten Frauenwahlrecht.[18] Die CSP wollte so vermeiden, dass konservative Frauen ihr Recht nicht ausüben und durch das Frauenwahlrecht ausübende sozialdemokratische Frauen die Mehrheitsverhältnisse verändert würden.
In Australien geht die Einführung der Wahlpflicht auf die hohe Zahl an Gefallenen während des Ersten Weltkriegs zurück. Nachdem im Krieg über 60.000 Australier gefallen waren,[19] wurden Stimmen laut, dass die Australier eine Verpflichtung hätten, die mit einem so hohen Preis erkämpfte Freiheit auch wahrzunehmen. Bei der Parlamentswahl 1955 betrug die Wahlbeteiligung etwa 88 %, seitdem lag sie stets über 90 %. Bei der Senatswahl 2007 blieben 4,83 % der Wahlberechtigten der Wahl fern, weitere 2,55 % gaben ungültige Stimmen ab.[20][21]
In der Diskussion um die Wahlpflicht werden folgende Argumente angeführt, die dafür sprechen sollen:
Zugleich werden folgende Argumente angeführt, die gegen eine Wahlpflicht sprechen sollen: