Der Wilcoxon-Mann-Whitney-Test (auch: Mann-Whitney-U-Test, U-Test, Wilcoxon-Rangsummentest) ist die zusammenfassende Bezeichnung für zwei äquivalente nichtparametrische statistische Tests für Rangdaten (ordinalskalierte Daten). Sie testen, ob es bei Betrachtung zweier Populationen gleich wahrscheinlich ist, dass ein zufällig aus der einen Population ausgewählter Wert größer oder kleiner ist als ein zufällig ausgewählter Wert aus der anderen Population. Bei Verwerfung dieser Hypothese ist anzunehmen, dass die Werte aus der einen Population dazu tendieren, größer bzw. kleiner zu sein als die aus der anderen Population. Der Mann-Whitney-U-Test bzw. Wilcoxon-Rangsummentest ist – anders als der Median-Test – nicht von vornherein ein Test zur Gleichheit zweier Mediane. Dies ist nur unter der Voraussetzung der Fall, dass die Verteilungsform und Streuung der abhängigen Variable in beiden Gruppen gleich ist.
Die Tests wurden von Henry Mann und Donald Whitney (U-Test, 1947) bzw. Frank Wilcoxon (Wilcoxon-Rangsummentest, 1945) entwickelt.[1][2] Die zentrale Idee des Tests wurde bereits 1914 von dem deutschen Pädagogen Gustaf Deuchler entwickelt.[3]
Praktisch findet der Wilcoxon-Rangsummentest bzw. der U-Test als Alternative zum t-Test für unabhängige Stichproben Anwendung, wenn dessen Voraussetzungen verletzt sind. Dies ist unter anderem der Fall, wenn die zu testende Variable nur Ordinalskalenniveau aufweist, oder wenn intervallskalierte Variablen in den beiden Populationen nicht (näherungsweise) normalverteilt sind.
Der Wilcoxon-Rangsummentest für zwei unabhängige Stichproben ist nicht zu verwechseln mit dem Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test, der bei zwei verbundenen (gepaarten) Stichproben Anwendung findet.
Für den Test zieht man eine Stichprobe vom Umfang aus der 1. Population und unabhängig davon eine Stichprobe vom Umfang aus der 2. Population. Für die zugehörigen unabhängigen Stichprobenvariablen und gilt und , wobei Verteilungsfunktionen sind. Der Wilcoxon-Mann-Whitney-Test ist ein valider Test unter verschiedenen Annahmen und Hypothesen[4]. Eine sehr allgemeine Formulierung ist wie folgt[5].
Unter diesen Annahmen ist der Test exakt und konsistent.
Verschiedene andere Perspektiven auf den Wilcoxon-Mann-Whitney-Test sind Spezialfälle dieser allgemeinen Formulierung unter stärkeren Annahmen.
Dies folgt, da unter allen alternativen Perspektiven die Nullhypothese (zusammen mit den Annahmen) Gleichheit der Verteilungen impliziert und die Alternativhypothese genau dann wahr ist wenn .
Es gibt zwei Teststatistiken: die Mann-Whitney-U-Statistik und die Wilcoxon-Rangsummenstatistik . Aufgrund des Zusammenhangs zwischen den Teststatistiken
sind der Wilcoxon-Rangsummentest und der Mann-Whitney-U-Test äquivalent.
Die Teststatistik ist die Mann-Whitney-U-Statistik:
worin , wenn , , wenn , und sonst ist. Abhängig von der Alternativhypothese wird die Nullhypothese abgelehnt für zu kleine oder zu große Werte von . In dieser Form findet er sich bei Mann und Whitney und wird oft als Mann-Whitney-U-Test bezeichnet.
Die exakte Verteilung von unter der Bedingung der Nullhypothese kann mittels kombinatorischer Überlegungen leicht gefunden werden. Allerdings steigt der Rechenaufwand für große Werte von rasch an. Einige exakte kritische Werte liegen tabelliert vor und können für kleine Stichprobenumfänge der Tabelle unten entnommen werden ( beim zweiseitigen Test und beim einseitigen Test).
Es gibt eine Rekursionsformel, die eine schrittweise und wenig rechenzeitintensive Ermittlung der kritischen Werte für geringe Stichprobengrößen erlaubt.[6]
Für , und kann
durch die Normalverteilung approximiert werden.[7] Die kritischen Werte ergeben sich dann aus den kritischen Werten der approximativen Normalverteilung.
Die Wilcoxon-Rangsummenstatistik ist
mit der Rang der i-ten X in der gepoolten, geordneten Stichprobe. In dieser Form trägt der Test häufig die Bezeichnung Wilcoxon-Rangsummentest.
Die exakte Verteilung von unter der Bedingung der Nullhypothese kann mittels kombinatorischer Überlegungen leicht gefunden werden. Allerdings steigt der Rechenaufwand für große Werte von rasch an. Man kann die exakten kritischen Werte zum Signifikanzniveau mittels einer Rekursionsformel berechnen:
Die Formel entsteht, wenn man konditioniert auf die Bedingung, ob der letzte Wert in der Anordnung ein × (...X) oder ein Y (...Y) ist.
Für oder (auch: oder ) kann die Teststatistik
durch die Normalverteilung approximiert werden.[8][9] Die kritischen Werte ergeben sich dann aus den kritischen Werten der approximativen Normalverteilung.
Der Test kann auch für die einseitigen Hypothesen
formuliert werden.
Aus den Daten der allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften 2006 wurden zufällig 20 Personen gezogen und ihr Nettoeinkommen ermittelt:
Rang | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 17 | 18 | 19 | 20 |
Nettoeinkommen | 0 | 400 | 500 | 550 | 600 | 650 | 750 | 800 | 900 | 950 | 1000 | 1100 | 1200 | 1500 | 1600 | 1800 | 1900 | 2000 | 2200 | 3500 |
Geschlecht | M | W | M | W | M | W | M | M | W | W | M | M | W | M | W | M | M | M | M | M |
Man hat zwei Stichproben vor sich, Stichprobe der Männer mit Werten und Stichprobe der Frauen mit Werten. Wir könnten nun prüfen, ob das Einkommen der Männer und Frauen gleich ist (zweiseitiger Test) oder das Einkommen der Frauen geringer (einseitiger Test). Da es unrealistisch ist anzunehmen, dass sich die Einkommen von Männer und Frauen nur um eine Verschiebung voneinander unterscheiden, nehmen wir die allgemeinste Perspektive an. Das heißt, wir testen
Zweiseitiger Test | Einseitiger Test |
---|---|
Wir müssen zudem annehmen, dass wenn die Nullhypothese gilt die Einkommensverteilungen komplett gleich sind.
Zunächst wird aus beiden Zahlenreihen je eine Prüfgröße gebildet:
und sind dabei die Anzahlen der Werte pro Stichprobe, und sind die jeweiligen Summen aller Rangzahlen pro Stichprobe. (Sind mehrere Werte in beiden Datensätzen identisch, dann muss für ihre Ränge jeweils der Median bzw. das arithmetische Mittel eingetragen werden.) Für die folgenden Tests benötigt man das Minimum von und , also .
Für unser Beispiel ergibt sich (Index M = Männer, W = Frauen)
Bei korrekter Berechnung muss gelten bzw. . Die Testgröße wird nun mit den kritischen Wert(en) verglichen. Das Beispiel ist so gewählt, dass sowohl ein Vergleich mit den exakten kritischen Werten als auch mit den approximativen Werten möglich ist.
Anhand der untenstehenden Tabelle ergibt sich mit und ein kritischer Wert von für ein Signifikanzniveau von . Abgelehnt wird die Nullhypothese, wenn ist; dies ist hier aber nicht der Fall.
Da die Teststatistik approximativ normal verteilt ist, folgt, dass die
verteilt ist. Für ein Signifikanzniveau von ergibt sich der Nichtablehnungsbereich der Nullhypothese im zweiseitigen Test durch das 2,5%- bzw. 97,5%-Quantil der Standardnormalverteilung mit . Es ergibt sich jedoch , d. h., der Prüfwert liegt innerhalb des Intervalls und die Nullhypothese kann nicht abgelehnt werden.
Anhand der untenstehenden Tabelle ergibt sich mit und ein kritischer Wert von für ein Signifikanzniveau von (anderes Signifikanzniveau als beim zweiseitigen Test!). Abgelehnt wird die Nullhypothese, wenn ist (es ist das passende für das gewählte einseitige Testproblem zu betrachten); dies ist hier nicht der Fall.
Für ein Signifikanzniveau von ergibt sich der kritische Wert als das 5%-Quantil der Standardnormalverteilung und der Nichtablehnungsbereich der Nullhypothese als . Es ergibt sich jedoch , d. h., die Nullhypothese kann nicht abgelehnt werden.
Die folgende Tabelle ist gültig für (zweiseitig) bzw. (einseitig) mit . Der Eintrag „-“ bedeutet, dass die Nullhypothese in jedem Fall zu dem gegebenen Signifikanzniveau nicht abgelehnt werden kann. Z. B. ist:
so dass 55 der geeignete kritische Wert für den einseitigen Test bei mit und ist.
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 17 | 18 | 19 | 20 | 21 | 22 | 23 | 24 | 25 | 26 | 27 | 28 | 29 | 30 | 31 | 32 | 33 | 34 | 35 | 36 | 37 | 38 | 39 | 40 | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | - | 0 | 0 |
2 | - | - | - | - | - | - | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 2 | 2 | 2 | 2 | 3 | 3 | 3 | 3 | 3 | 4 | 4 | 4 | 4 | 5 | 5 | 5 | 5 | 5 | 6 | 6 | 6 | 6 | 7 | 7 | |
3 | - | - | 0 | 1 | 1 | 2 | 2 | 3 | 3 | 4 | 4 | 5 | 5 | 6 | 6 | 7 | 7 | 8 | 8 | 9 | 9 | 10 | 10 | 11 | 11 | 12 | 13 | 13 | 14 | 14 | 15 | 15 | 16 | 16 | 17 | 17 | 18 | 18 | ||
4 | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 17 | 17 | 18 | 19 | 20 | 21 | 22 | 23 | 24 | 24 | 25 | 26 | 27 | 28 | 29 | 30 | 31 | 31 | |||
5 | 2 | 3 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 17 | 18 | 19 | 20 | 22 | 23 | 24 | 25 | 27 | 28 | 29 | 30 | 32 | 33 | 34 | 35 | 37 | 38 | 39 | 40 | 41 | 43 | 44 | 45 | ||||
6 | 5 | 6 | 8 | 10 | 11 | 13 | 14 | 16 | 17 | 19 | 21 | 22 | 24 | 25 | 27 | 29 | 30 | 32 | 33 | 35 | 37 | 38 | 40 | 42 | 43 | 45 | 46 | 48 | 50 | 51 | 53 | 55 | 56 | 58 | 59 | |||||
7 | 8 | 10 | 12 | 14 | 16 | 18 | 20 | 22 | 24 | 26 | 28 | 30 | 32 | 34 | 36 | 38 | 40 | 42 | 44 | 46 | 48 | 50 | 52 | 54 | 56 | 58 | 60 | 62 | 64 | 66 | 68 | 70 | 72 | 74 | ||||||
8 | 13 | 15 | 17 | 19 | 22 | 24 | 26 | 29 | 31 | 34 | 36 | 38 | 41 | 43 | 45 | 48 | 50 | 53 | 55 | 57 | 60 | 62 | 65 | 67 | 69 | 72 | 74 | 77 | 79 | 81 | 84 | 86 | 89 | |||||||
9 | 17 | 20 | 23 | 26 | 28 | 31 | 34 | 37 | 39 | 42 | 45 | 48 | 50 | 53 | 56 | 59 | 62 | 64 | 67 | 70 | 73 | 76 | 78 | 81 | 84 | 87 | 89 | 92 | 95 | 98 | 101 | 103 | ||||||||
10 | 23 | 26 | 29 | 33 | 36 | 39 | 42 | 45 | 48 | 52 | 55 | 58 | 61 | 64 | 67 | 71 | 74 | 77 | 80 | 83 | 87 | 90 | 93 | 96 | 99 | 103 | 106 | 109 | 112 | 115 | 119 | |||||||||
11 | 30 | 33 | 37 | 40 | 44 | 47 | 51 | 55 | 58 | 62 | 65 | 69 | 73 | 76 | 80 | 83 | 87 | 90 | 94 | 98 | 101 | 105 | 108 | 112 | 116 | 119 | 123 | 127 | 130 | 134 | ||||||||||
12 | 37 | 41 | 45 | 49 | 53 | 57 | 61 | 65 | 69 | 73 | 77 | 81 | 85 | 89 | 93 | 97 | 101 | 105 | 109 | 113 | 117 | 121 | 125 | 129 | 133 | 137 | 141 | 145 | 149 | |||||||||||
13 | 45 | 50 | 54 | 59 | 63 | 67 | 72 | 76 | 80 | 85 | 89 | 94 | 98 | 102 | 107 | 111 | 116 | 120 | 125 | 129 | 133 | 138 | 142 | 147 | 151 | 156 | 160 | 165 | ||||||||||||
14 | 55 | 59 | 64 | 69 | 74 | 78 | 83 | 88 | 93 | 98 | 102 | 107 | 112 | 117 | 122 | 127 | 131 | 136 | 141 | 146 | 151 | 156 | 161 | 165 | 170 | 175 | 180 | |||||||||||||
15 | 64 | 70 | 75 | 80 | 85 | 90 | 96 | 101 | 106 | 111 | 117 | 122 | 127 | 132 | 138 | 143 | 148 | 153 | 159 | 164 | 169 | 174 | 180 | 185 | 190 | 196 | ||||||||||||||
16 | 75 | 81 | 86 | 92 | 98 | 103 | 109 | 115 | 120 | 126 | 132 | 137 | 143 | 149 | 154 | 160 | 166 | 171 | 177 | 183 | 188 | 194 | 200 | 206 | 211 | |||||||||||||||
17 | 87 | 93 | 99 | 105 | 111 | 117 | 123 | 129 | 135 | 141 | 147 | 154 | 160 | 166 | 172 | 178 | 184 | 190 | 196 | 202 | 209 | 215 | 221 | 227 | ||||||||||||||||
18 | 99 | 106 | 112 | 119 | 125 | 132 | 138 | 145 | 151 | 158 | 164 | 171 | 177 | 184 | 190 | 197 | 203 | 210 | 216 | 223 | 230 | 236 | 243 | |||||||||||||||||
19 | 113 | 119 | 126 | 133 | 140 | 147 | 154 | 161 | 168 | 175 | 182 | 189 | 196 | 203 | 210 | 217 | 224 | 231 | 238 | 245 | 252 | 258 | ||||||||||||||||||
20 | 127 | 134 | 141 | 149 | 156 | 163 | 171 | 178 | 186 | 193 | 200 | 208 | 215 | 222 | 230 | 237 | 245 | 252 | 259 | 267 | 274 |
In vielen Softwarepaketen ist der Mann-Whitney-Wilcoxon-Test (der Hypothese der gleichen Verteilungen gegenüber geeigneten Alternativen) schlecht dokumentiert. Einige Pakete behandeln Bindungen falsch oder dokumentieren asymptotische Techniken nicht (z. B. Korrektur für Kontinuität). Bei einer Überprüfung im Jahr 2000 wurden einige der folgenden Pakete diskutiert:[10]
wilcox.test
Paket.Falls die Annahme der Gleichheit der Populationsverteilungen unter der Nullhypothese nicht realistisch ist, sollte der Wilcoxon-Mann-Whitney Test nicht benutzt werden. In diesem Fall kann die Wahrscheinlichkeit für einen Fehler 1. Art selbst in sehr großen Stichproben stark erhöht sein[13]. Dieses Problem wurde durch die Entwicklung alternativer Tests behoben. Zwei Beispiele sind der Brunner-Munzel und der Fligner-Policello-Test[14]. Beide Tests sind approximativ exakte und konsistente Tests für vs , das heißt, sie testen die gleiche Hypothese wie der Wilcoxon-Mann-Whitney-Test, aber benötigen nicht die Annahme der Gleichheit der Verteilungen unter der Nullhypothese. Daher wird empfohlen den Brunner-Munzel Test anzuwenden, wenn die Annahme der Gleichheit der Populationsverteilungen unter der Nullhypothese nicht gemacht werden kann[13].